Analyse: Wehrfähige SPD
■ Die SPD und die Rolle der Bundeswehr: Den Ruf verteidigen
Wer Gegner hat wie Verteidigungsminister Volker Rühe, der braucht keine Freunde mehr. Was ist nach den Worten des SPD-Wehrexperten Walter Kolbow die „vornehmste Aufgabe“ des Bundestages? „Der Bundeswehr zu helfen, ihren guten Ruf wiederzugewinnen.“ Und was ist nach Kolbows Bekunden das „tiefste Anliegen“ seiner Fraktion im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuß, der rechtsextreme Vorfälle untersuchen soll? Daß das Thema aus dem Wahlkampf herausgehalten wird.
Nun, man ist ja schon dankbar, wenn die SPD überhaupt ein Ziel vor Augen hat. Dabei haben SPD und Bündnisgrüne gestern in Bonn einen umfangreichen Arbeitsauftrag für den Untersuchungsausschuß angekündigt, der sich im Januar konstituieren soll. Neben den Begleitumständen der Vorfälle sollen auch die politische Bildungsarbeit, mögliche unerwünschte Folgen der Werbung für die Bundeswehr, die Traditionspflege und Mängel der Inneren Führung durchleuchtet werden. Eine parlamentarische Untersuchung sei notwendig, so Kolbow, „um feststellen zu können, ob die Serie von Einzelfällen mit rechtsradikalem Hintergrund einen geistigen Nährboden hat, ob sie möglicherweise mehr ist als nur einzelne Ausreißer“. Mit diesem Anliegen hat sich nach den Grünen jetzt auch die SPD von Rühe abgegrenzt, der den Ausschuß am liebsten auf den Vortrag des Neonazis Manfred Roeder vor der Hamburger Führungsakademie beschränkt sehen will. Kolbow übte scharfe Kritik an der Amtsführung von Rühe: „Der Verteidigungsminister entzieht sich nach unserer Auffassung der Verantwortung, indem er sie in fast schon gewohnter Weise von sich weist.“ Dabei hätte Rühe das gar nicht nötig – das übernimmt schon die SPD für ihn. Denn fast unmittelbar nach diesen kernigen Sätzen schien Kolbow Angst vor der eigenen Courage bekommen zu haben: „Wir verurteilen nicht vor“, sagte er auf die Frage, warum seine Fraktion nicht den Rücktritt des Ministers fordere. „Wir weisen Schuld erst zu, nachdem wir untersucht haben.“ In seltsamem Widerspruch zur beschriebenen Aufgabe des Untersuchungsausschusses betonte er auch: „Die Bundeswehr ist nicht unter Generalverdacht.“ Diese Äußerung klingt so, als hielte die SPD Kritik am politischen Gegner und ein eigenes wehrpolitisches Konzept für schlechtes Benehmen. Gelegentlich ist in letzter Zeit der Eindruck entstanden, als sei im Verteidigungsausschuß die Große Koalition bereits Realität. Inzwischen scheinen von diesem Klima auch die Grünen angesteckt zu sein. Warum sie nicht Rühes Rücktritt fordere, wurde auch Angelika Beer gefragt. „Wir tun das nur einmal, und dann muß er auch gehen.“ Also nie. In Deutschland ist schon lange keiner mehr zurückgetreten, der das nicht selbst wollte. Bettina Gaus, Bonn
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