Analyse: Nur die eine Hälfte
■ Asien und Europa, aber nicht die USA, denken über Wechselkurse nach
Das halbe Bruttosozialprodukt der Welt ist seit gestern in Frankfurt am Main versammelt: Die 15 Finanzminister der EU samt ihren Kollegen aus den zehn größten asiatischen Nationen. Auf Einladung von Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine soll zwei Tage über die Überwindung der internationalen Finanzkrisen und die Stabilisierung der Weltwirtschaft nachgedacht werden. Das globale Brainstorming der Staatskassenplaner findet zum zweitenmal nach 1997 statt.
Nur die eine Hälfte Asien und Europa, aber nicht die USA, denken über Wechselkurse nach
Im Vorfeld des Treffens hatten Lafontaine und sein französischer Kollege Dominique Strauss-Kahn in Le Monde und der Zeit noch einmal ihre Idee einer „neuen Architektur der internationalen Institutionen“ veröffentlicht. Banken sollen mehr Auskunft über ihre Kredite geben und Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds mehr beim Management von Krisen wie derzeit in Brasilien und Asien helfen. Da werden die asiatischen Kollegen heftig nicken. Denn bei den stetig wachsenden Summen, die schnell in eine Region hinein- und auch wieder herausgepumpt werden, können gar nicht genug Beteiligte Feuerwehr spielen.
Auch der zweite wesentliche Punkt von Lafontaine und Strauss-Kahn dürfte ihren Gefallen finden: „Ein neuer transatlantischer Dialog“ sei erforderlich. Und hier liegt ein Problem, wo den vielen Finanzminstern selbst zweitägiges Grübeln mit bestem hessischem Äppelwoi nicht viel weiterhelfen dürfte. Zwar ist es aus mancherlei Sicht wünschenswert, daß die Wechselkurspolitik zwischen Euro und Dollar abgestimmt wird – was übrigens noch lange nicht völlig feste Wechselkurse bedeutet, wie Lafontaine gestern noch einmal betonte. Eine Übereinkunft in der EU ist nicht ausgeschlossen, schließlich kommen derzeit 13 von 15 Regierungen irgendwie aus dem „linken“ Lager. Vielleicht läßt sich sogar noch mit den asiatischen Kollegen ein „Konsens über die... Grundlage für eine größere Wechselkursstabilität zwischen Euro und Dollar“ finden.
Doch für irgendeine Übereinkunft reicht die halbe industrialisierte Welt nicht, es ist die ganze nötig. Und die andere Hälfte, im wesentlichen die USA, hat eigentlich gar kein Interesse an einem stabilen Euro-Dollar-Verhältnis: Ein schwankender Dollar bringt weltweite Unsicherheit über den Preis von Rohstoffen und Exporten – nicht jedoch in den USA. Dort wird schließlich in Dollar abgerechnet. Um die USA zum Nachdenken zu zwingen, müßte erst der Euro als weltweite Leitwährung annähernd gleichziehen mit dem noch übermächtigen Dollar. Und das dürfte noch dauern. Bis dahin bleibt den 25 Finanzministern nur der bange Blick zu den Wechselkursmeistern in Washington und New York. Reiner Metzger
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