Amtsübergabe an der SPD-Spitze: Mal wieder den Neustart verstolpert
Übergangsparteichef Olaf Scholz gibt sich im Bierzelt selbstbewusst. Seine Mission am Aschermittwoch: Die Chaostage der SPD beenden.
Ruhe reinbringen, Selbstbewusstsein ausstrahlen, Schluss mit den Chaostagen – das ist Scholz’Mission. Die SPD-Spitze, beteuert er in Interviews, hat sich sortiert und gut aufgestellt. Ab jetzt gehe es um die Sache, nämlich um die Inhalte des Koalitionsvertrags. Bitte keine quälenden Personaldebatten mehr, diese Hoffnung teilen sie alle in der SPD-Spitze.
Am Dienstagabend, nach stundenlangen Sitzungen von Präsidium und Vorstand, wurde im Willy-Brandt-Haus in Berlin der Neuanfang verkündet. Martin Schulz gab den Parteivorsitz ab, Scholz übernahm ihn vorläufig. Andrea Nahles wurde von den Gremien einstimmig als neue Vorsitzende nominiert. Falls ein Sonderparteitag am 22. April sie wählt, wird sie die erste Frau in diesem Amt in der 154-jährigen Geschichte der Partei sein. Seitdem gehen SPD-Spitzenleute wie die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer an keinem Mikrofon vorbei, ohne Nahles über den grünen Klee zu loben.
Scholz wird in der SPD als künftiger Finanzminister und Vizekanzler gehandelt. Natascha Kohnen, SPD-Bundesvize und Landeschefin in Bayern, spielt in ihrer Rede darauf an. „Ich hätte auch schon eine Idee, wer das machen könnte. Schau’n wir mal.“ Scholz nimmt solches Lob, sagen wir, wohlwollend zur Kenntnis. Der 59-Jährige ist davon überzeugt, dass kaum einer hohe Ämter besser ausfüllt als er selbst. In seine Rede streut er immer wieder eine ordentliche Prise Selbstlob ein, etwa indem er die Gratiskitas in der Hansestadt preist.
Den Widerstand unterschätzt
Nahles und Scholz bilden nun das neue Machtzentrum in der SPD. Doch der Jubel der SPD-Spitze kann nicht überdecken, dass der Neustart ein paar Dellen hat. Denn eigentlich war es ja anders geplant. Nahles hätte gerne den kommissarischen Vorsitz selbst übernommen – und sie wurde in diesem Anliegen von einigen in der Parteispitze unterstützt. Doch ihre Berater und sie hatten den Widerstand in den eigenen Reihen unterschätzt. Drei Landesverbände, Berlin, Schleswig-Holstein und Sachsen-Anhalt, protestierten. Ihr juristisch fundiertes Argument: Einer der Stellvertreter müsse die Amtsgeschäfte weiterführen. Nahles ist zwar Fraktionsvorsitzende, sitzt aber bisher nicht im Vorstand.
Auch der Chef der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Juristen, Harald Baumann-Hasske, erklärte, in der Satzung gebe es für Nahles’Inthronisierung keine Grundlage. Dabei spielte auch eine Rolle, dass Nahles’Wunsch wie eine von wenigen Führungsleuten ausgeklüngelte Vorentscheidung ausgesehen hätte. Denn inzwischen haben sich zwei Gegenkandidaten gemeldet. Neben Flensburgs Oberbürgermeisterin Simone Lange hob gestern der Basismann Dirk Diedrich den Finger, SPD-Vize-Kreischef in Dithmarschen, Schleswig-Holstein.
Die Gremien änderten deshalb am Dienstag den Plan – und beauftragten Scholz mit dem kommissarischen Vorsitz. Nahles und Scholz gaben sich danach demütig. Nahles nannte es „ein Statement für sich“, dass ihre Wahl nun durch den Parteitag erfolge. Scholz sagte: „Meine Aufgabe ist eine dienende.“ Die Botschaft: Wir haben verstanden. Dennoch ist unwahrscheinlich, dass sich die Lage in der SPD beruhigt.
SPD-Linke fordern Urwahl
Manche SPD-Linke fordern eine Urwahl des Parteivorsitzenden. Ein transparenter Prozess sei wichtig für die Erneuerung der Partei, argumentiert da beispielsweise die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis.
Dann wären da die Namen der künftigen SPD-MinisterInnen im Kabinett. Nahles und Scholz wollen diese Namen erst nach dem Mitgliedervotum nennen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat angekündigt, die CDU-MinisterInnen bis zum Parteitag am 26. Februar bekannt zu geben. Und die SPD-Basis soll keine Namen erfahren? Der nächste Streit ist programmiert.
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