Amtsenthebungsverfahren gegen Trump: Abgeordnete stimmen für Impeachment
Als dritter US-Präsident muss sich Donald Trump dem Verfahren stellen. Doch im Senat haben nun die Republikaner*innen das Sagen.
Der Redemarathon vor der Abstimmung war eigentlich keine Debatte – in schneller Folge gaben die Abgeordneten beider Fraktionen kurze Statements ab, die auf beiden Seiten die immer gleichen Satzbausteine wiederholten. Ohne Applaus, ohne Zwischenrufe, ohne dass irgendjemand zuzuhören schien.
Niemand sprach so, als ob auch nur eine Minimalchance bestünde, auch nur eine einzige Person auf der Gegenseite noch von der eigenen Position zu überzeugen. Knapp ein Jahr, bevor alle Abgeordneten sich im November 2020 parallel zur Präsidentschaftswahl erneut um ihre Sitze bewerben, ging es offensichtlich lediglich darum, ihre Stellungnahmen im Protokoll und auf Video zu dokumentieren.
Die Demokrat*innen betonten, die Ermittlungen und Anhörungen im Kongress hätten eindeutig erwiesen, dass Trump 391 Millionen US-Dollar Militärhilfe zurückhielt, um den ukrainischen Präsidenten Wolodomir Selenski dazu zu bewegen, öffentlich Ermittlungen gegen den früheren demokratischen Vizepräsidenten Joe Biden anzukündigen. Damit habe er sein Amt missbraucht, indem er vom Kongress bewilligte Gelder als Druckmittel einsetzte, um daraus einen persönlichen politischen Vorteil bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl zu ziehen.
Republikaner nahmen Kritik von Trumps Wutbrief auf
Und indem Trump zahlreichen leitenden Persönlichkeiten seiner Regierung untersagte, vor dem Kongress auszusagen, habe er das Parlament in seiner verfassungsgemäßen Kontrollfunktion behindert. Genau um so ein Verhalten zu verhindern, hätten die Gründungsväter der USA die Möglichkeit des Impeachment in die Verfassung geschrieben.
Die Republikaner*innen ihrerseits nahmen alle jene Kritikpunkte auf, die Trump selbst am Vorabend der Abstimmung in einem sechsseitigen Wutbrief an die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses zusammengestellt hatte. Die Vorwürfe seien vollkommen substanzlos, das Verfahren unfair, die Anklage ausschließlich parteipolitisch motiviert, angetrieben vom Versuch, die Niederlage bei der Präsidentschaftswahl 2016 rückgängig zu machen, die die Demokrat*innen noch immer nicht verwunden hätten.
Angesichts dieser vollkommen unterschiedlichen Realitätswahrnehmungen wirkten die vielen Stunden im Kapitol wie das choreografierte Reden in die eigene Echokammer, nicht wie eine Parlamentsdebatte vor einer bedeutsamen Entscheidung.
Mit dem Abstimmungsergebnis ist Trump nun nach Andrew Johnson (1865-1869) und Bill Clinton (1993-2001) der dritte „impeached president“ der US-Geschichte. Mit seiner Amtsenthebung hat das jedoch noch nichts zu tun: Das „impeachment“ ist eine Anklageerhebung, über die nun der Senat ein einem Gerichtsprozess nachempfundenes Verfahren abhalten und schließlich per Abstimmung ein Urteil finden muss.
Zwei-Drittel-Mehrheit im Senat benötigt
Für einen Schuldspruch, der dann die sofortige Amtsenthebung zur Folge hätte, bräuchte es eine Zwei-Drittel-Mehrheit. 67 der 100 Senator*innen müssten dafür stimmen. Aber die Republikaner*innen halten 53 Sitze, Demokrat*innen und unabhängige nur 47. Es müssten also 20 Republikaner*innen mit den Demokrat*innen stimmen – vermutlich wird das allerdings nicht ein einziger tun.
Sobald Repräsentantenhaus-Chefin Nancy Pelosi die Anklage offiziell an den Senat übergibt, hat sie das Zepter über das weitere Verfahren nicht mehr in der Hand. Die Regie geht dann an Mitch McConnell über, den republikanischen Mehrheitsführer im Senat. Der hat bereits angekündigt, den Prozess keineswegs unparteiisch zu leiten, sondern sich im Gegenteil eng mit dem Weißen Haus abzustimmen. Zeugen, die die Demokrat*innen gerne vorladen wollten, wie Trumps früheren Sicherheitsberater John Bolton oder den amtierenden Stabschef Mick Mulvaney, wird er nicht einladen.
„Wir haben noch nichts gesehen, was uns fair erscheint,“ sagte Pelosi am Mittwoch zu den bisherigen Verfahrensvorschlägen im Senat. Sie und die demokratische Führungsriege überlegen nun, das Verfahren womöglich erst mit großer Verzögerung an den Senat zu geben – das würde zumindest den Moment hinauszögern, in dem Trump triumphierend seinen „Freispruch“ verkünden kann. Wie und in welchem Tempo es nun weitergeht, wird insofern daran entschieden, welche Strategie beide Seiten für sich selbst am politisch nützlichsten halten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Ungerechtigkeit in Deutschland
Her mit dem schönen Leben!
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Die HTS in Syrien
Vom Islamismus zur führenden Rebellengruppe