Ampel redet Schulden schön: Mit Triple-Wumms ins Sondervermögen
Schulden heißen jetzt Sondervermögen und Richard David Precht liegt nicht falsch, sondern wird marginalisiert. So schön kann Manipulation klingen.
D ie Minderjährige, die zu meiner Infektionsgemeinschaft gehört, hält mich für manipulierbar. Ich stelle hierzu fest: Es stimmt. Immer wieder treffe ich Entscheidungen, die ich nicht durchzuhalten in der Lage bin. Ich habe beispielsweise kategorisch ausgeschlossen, dass die Hündin, die bei uns wohnt, jemals Welpen bekommen würde.
Jüngst fand ich mich sehr zu meinem Erstaunen im Garten einer Frau mittleren Alters wieder, die ihren Rüden wortreich ermutigte, seinen Job als Deckrüde doch bitte etwas zielsicherer zu erledigen. „Ist er drin?“, fragte sie alle paar Minuten hoffnungsvoll. „Er ist drin. Nee, doch nicht.“ Was soll man darauf sagen? Es sah meistens nach einer reinen Luftnummer aus. Bis nach über einer Stunde neben mir quietschende Freude ausbrach. „Jetzt! Er ist drin! Sie hängen!“ Und das war noch nicht alles. Am nächsten Tag sollte das Ganze wiederholt werden. Diese Erfahrung kommt auf die Short List der Situationen, in die ich mich nie wieder hineinmanipulieren lasse.
Allerdings lauern Manipulationsversuche nicht nur im häuslichen Raum, sondern auch in der breiten Fläche. Finanzminister Christian Lindner etwa wurde so lange von Wirtschaftsminister Robert Habecks Gasumlage gepeinigt, bis er sich in die Neuaufnahme von Krediten für die kriegsbedingten Hilfspakete hineinmanipulieren ließ. Doch wer will denn gleich von Schulden sprechen? Auf Ampel-Deutsch sind Sondervermögen die neuen Kredite. Die Frage lautet nun also: Schuldest du noch oder hast du schon Sondervermögen?
Und ist es nicht schön, dass politische Entscheidungen anders als bei Angela Merkel nun nicht mehr alternativlos sind, sondern mit Fantasie und Innovationskraft vorangetrieben werden? Twix ist das neue Raider und Sondervermögen sind die neuen Schulden. So kreativ kann eben nur eine Fortschrittskoalition sein, als die die Ampel sich ausdrücklich definiert. So professionell wird man gerne manipuliert.
Die Minderjährige findet das neue Wording in Deutschland äußerst hilfreich. Große Bestellungen bei Zalando im Wert von 346,80 Euro können beispielsweise nun mit einem Sondervermögen aus der mütterlichen Kreditanstalt bezahlt werden. Neben dem Sondervermögen „Überlebenswichtige Kleidung“ bräuchte es selbstredend auch ein Sondervermögen „Eis und McDonald’s“ sowie ein Sondervermögen „Kosmetik“. Das Ganze wäre dann – um es scholzig zu formulieren – ein Triple-Wumms.
Der Einzige auf Gottes schöner Erde, der Manipulationen aller Art sofort durchschaut, heißt übrigens Precht, Richard David Precht. Zusammen mit seinem Sidekick Harald Welzer hat er gerade ein Buch über die Medien veröffentlicht. Zusammenfassung: Unsere Meinung wird richtig fies unterdrückt. Beide gehören zu der großen Mehrheit in Deutschland, die von Beginn an gewusst haben, dass die Ukraine gegen Russland nicht gewinnen kann. Dass sie nun gerade doch zu gewinnen scheint ist, nun ja, es muss manipuliert sein, sonst wären sie ja im Unrecht. Ein irrwitziger Gedanke!
Jedenfalls können der Populärphilosoph und der Soziologe nur selten ihre Meinung kundtun, höchstens mal in so unbedeutenden Sendungen wie „Lanz“ oder kaum gelesenen Wochenzeitungen wie der Zeit. Ihr Buch „Die vierte Gewalt. Wie Mehrheitsmeinung gemacht wird, auch wenn die keine ist“ ist im wenig bekannten S. Fischer Verlag erschienen. Das ist nur unwesentlich besser als ein Selbstverlag. Unterdrückung ist das neue Falschliegen.
Leider, leider bleibt in unserer Infektionsgemeinschaft nur wenig Zeit, um sich mit den Büchern marginalisierter Autoren zu beschäftigen. Es müssen Tierarzttermine wahrgenommen und Ernährungspläne studiert werden. Es gilt, aus welpenfreundlichem Material eine Wurfkiste und einen Welpenauslauf zu bauen. Die Minderjährige recherchiert entsprechende Bauanleitungen auf Tiktok. Außerdem brauchen wir eine Welpen-Waage, Welpenhalsbänder, Welpenfutter, Welpenfressnäpfe und Welpenspielzeug.
Es wird wohl Zeit für ein Welpen-Sondervermögen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Christian Lindner
Die libertären Posterboys
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Olaf Scholz’ erfolglose Ukrainepolitik
Friedenskanzler? Wäre schön gewesen!
Rücktrittsforderungen gegen Lindner
Der FDP-Chef wünscht sich Disruption
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht