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Amazons erster Supermarkt ohne KasseEinfacher. Schneller. Einsamer

In Seattle hat das US-Unternehmen den ersten Laden ohne Kasse eröffnet. Man zahlt über das Smartphone. Und gewinnt Zeit – verliert aber anderes.

Klauen geht gar nicht: Dutzende Kameras und Sensoren tracken jedes einzelne Produkt Foto: dpa

Ich erinnere mich an diese TV-Werbung aus den Neunzigern. Eine blonde Schönheit steigt aus den Fluten. Sie will eine Sonnenbrille kaufen, hat aber kein Bargeld dabei. Also greift sie sich unter den Badeanzug und zückt ihre Visakarte. Krass, dachte ich damals.

Einkaufen wurde immer einfacher. Online-Shopping. Supermärkte ohne Kassen, wo man selbst seine Ware scannt. Was bei mir meist damit endet, dass ich entweder selbst den Hilfe-Knopf betätige oder eine Verkäuferin zu mir kommt, nachdem sie mich lange beobachtet hat.

Amazon toppt nun die Kasse ohne Mensch – mit dem Supermarkt ohne Kasse. Die erste Filiale von Amazon Go hat soeben in Seattle geöffnet. Das geht so: Eintreten durch das Drehkreuz, kurz über eine App anmelden – ohne Smartphone kein Einlass –, Ware in die Tasche und wieder raus. Klingt wie Klauen. Ist es aber nicht: man bezahlt mit seinen Daten. Abgerechnet wird über das Amazon-Konto, über das man sonst Bücher bestellt. Oder Batterien für die Zahnbürste.

Das System funktioniere ohne Gesichtserkennung, vermeldet Amazon stolz. Stattdessen sind zahlreiche Kameras im Shop installiert. Und Sensoren.

Nicht schneller, aber gemütlicher: Einkaufen in Italien

Na ja, denkt man als Europäer, die Amis halt… Fehlanzeige: Ein neuer Store soll bald in London öffnen. Womöglich auch in Deutschland, stellt Amazon in den Raum.

Mal abgesehen vom Datenklau ist das Schlimmste der Abbau Tausender von Stellen. Amazon drückt es so aus: Man wolle keine Jobs streichen – nur umwandeln. Statt Kassierer würden eben Köche gebraucht. Und Logistiker. Vor dem Alkoholregal steht allerdings noch: ein Mensch. Damit Jugendliche keinen Schnaps kaufen.

Der Vorteil scheint offensichtlich: mehr Zeit. Aber sind deutsche Kassen nicht eh schon durchoptimiert? Wehe, man packt nicht noch vor dem Bezahlen blitzschnell ein. Wer mal in Frankreich oder Italien war, weiß, dass es da auch beim Einkaufen deutlich entspannter zugeht. Wenn auch weniger effizient.

Aber ist es denn erstrebenswert, immer mehr Zeit zu sparen? Wofür? Es ist ja nicht so, dass man mit den dazugewonnenen Minuten mal eben die Relativitätstheorie durchrechnet.

Wo soll noch die große Liebe treffen?

Wahrscheinlich ist doch, dass wir noch mehr Zeit in sozialen Medien zubringen. Müssen wir ja auch, wenn auch noch der Schwatz mit der Kassiererin wegfällt. Oft ist sie der erste, manchmal auch der einzige Mensch, mit dem ich an einsamen Schreibtischtagen spreche. Auch Smalltalk kann gut tun.

Wenn wir nicht mehr Schlange stehen, minimieren wir dann nicht auch die Wahrscheinlichkeit, unsere große Liebe zu treffen? Oder zumindest den nächsten One night-Stand? Okay, wenigstens einen kleinen Flirt? Jemand, dem wir einen pikierten Blick zuwerfen können, wenn die Kassiererin durch den Laden brüllt: „Tina, wat kosten die Kondome?!“ Zusammen Fremdschämen: das ist doch ein schöner Anfang.

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5 Kommentare

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  • Wir können ja alle Arbeitsplätze wegrationalisieren. Dann braucht keiner mehr arbeiten. Dazu dann noch das bedingungslose Grundeinkommen oder wie das heißt und schon haben wir das Paradies auf Erden. Wir sitzen alle morgens gemütlich in Kaffeehäusern, quatschen, lesen Zeitung, trinken Kaffee und keiner braucht mehr arbeiten. Ist doch prima.

  • Eigentlich sind auch Bankangestellte überflüssig: macht der Algorithmus. Verwaltung der Stadt? Algorithmus. Eigentlich braucht man nur noch Programmierer und Elektriker für die Energie. Andererseits, wer weiß wo das alles hinführt. So toll sind Supermärkte auch nicht. Kein Tageslicht für die Leute, die dort arbeiten, riesige Parkplätze davor. Wißt ihr noch, wie die Leute bei Lidl schikaniert wurden, als sie eine Gewerkschaft gründen wollten? Vielleicht gibt es irgendwann auch wieder richtige Händler, weil die großen Automatischen ständig gehackt werden.

  • Ich komme ja mit den schon existierenden, halbautomatischen Kassen, z.B. bei IKEA, sehr gut zurecht. Die Dinger sind echt angenehm, und normalerweise deutlich schneller als normale Kassen. Wenn ich Neuigkeiten wie diese lese, was andernorts - nicht selten in den USA - schon alles möglich ist, ärgere ich mich jedesmal darüber, dass wir in Deutschland uns noch mit so vielen altmodischen Umständlichkeiten abplagen müssen.

     

    Es ist natürlich bedauerlich, dass durch den technischen Fortschritt Jobs wegfallen. Man kann nur hoffen, dass an anderer Stelle neue entstehen. Dafür gibt es zwar keine Garantie. Aber ich wollte heutzutage auch nicht mit dem Dampfzug fahren, nur weil sonst der Beruf der Heizer nicht mehr gebraucht würde.

     

    Mit Kassierern im Supermarkt spreche ich selten. Klar, Smalltalk kann angenehm sein. Aber zum einen verbringe ich ohnehin den größten Teil meines Arbeitstages mit "Meetings" und Reden. Da bin ich froh, wenn mich nicht auch noch der Kassierer über das Wetter oder seine Familie aufklären will.

     

    Da ich die langen Schlagen in unseren Supermärkten hasse, gehe ich bevorzugt zu Zeiten einkaufen, in denen möglichst wenig los ist. Über die dadurch gewonnene Zeit freue ich mich jedes Mal. Zwar nutze ich diese selten, um über die Relativitätstheorie nachzudenken. Aber ich lese stattdessen z.B. einen schönen Artikel in der taz oder anderswo im Internet. Das ist erfüllender und auch entspannender, als seine Zeit an der Kasse totzuschlagen.

     

    Meine Frau habe ich übrigens im Internet kennengelernt - auch dafür brauchte ich den Supermarkt also nicht.

     

    Jetzt kann man natürlich bedauern, dass ausgerechnet Amazon den Fortschritt vorantreibt. Dies ist aber den lahmarschigen deutschen Unternehmen anzukreiden, nicht Amazon.

  • Volle Zustimmung, prima Artikel. Genau: Machen wir abertausende von Kassierinnen arbeitslos. Die können dann zuhause beleiben, bei abertausenden arbeitslosen Fernfahrern, weil die Laster ja bald autonom durch die Gegend fahren. Was könnten wir denn sonst noch alles wegautomatisieren ? Bei Tankstellen ist das ja bereits voll im Gange. Wir wär´s mit autonomen Fernsehen ? Alle Filme und Berichte werden vollautomatisch abgespielt; wozu brauchen wir eine Marietta Slomka und eine Anne, die meisten will, aber nicht kann. Alles abschaffen. Man darf nicht zu lange darüber nachdenken. Es ist geradezu irre.

  • Amazon und Buchladen? Das ist wohl mittlerweile ein Missverständnis. Das meiste Geld werden die über andere Waren und Gebühren machen.

    Apropo Missverständnis. Amazon macht das bestimmt nicht damit der Kunde mehr Zeit bekommt. Sondern es möchte mehr Geld, Macht und Daten bekommen. Quasi die kompletten Daten. Und die Steuern werden mit 15%, wenn überhaupt, in den USA gezahlt.