Amazon-Chef Jeff Bezos: Ein Kapitalist, der auf Gewinne pfeift
Expansion statt Profit: Der Käufer der „Washington Post“ ist bekannt für ungewöhnliche Praktiken. Gewerkschafter können ihn gar nicht leiden.
BERLIN taz | Jeff Bezos sei der „perfekte Eigentümer einer Zeitung“, twitterte der US-amerikanische Journalist Ben Popper, als bekannt wurde, dass der Amazon-Chef die Washington Post kauft. „Er hat den Ruf, großartige Firmen aufzubauen, die keinen Profit abwerfen.“
Gewinne sind Jeff Bezos tatsächlich schnuppe. Anders als etwa Apple setzt der 49-Jährige auf Expansion. Seine Firmen sollen auf immer neuen Geschäftsfeldern wachsen. Dafür drückt der Erfinder des weltgrößten Online-Händlers Gehälter und Preise. Kunden macht er zu seinen besten Mitarbeitern, indem er sie als Rezensenten für sich arbeiten lässt.
Klar, für Gewerkschafter ist Bezos eine Hassfigur: Seit Monaten streiken deutsche Mitarbeiter für einen besseren Tarifvertrag. Allein in Deutschland hat Amazon acht Versandlager mit rund 9.000 Beschäftigten, Tendenz steigend.
Geringe Profite, gierige Expansion: Bezos sucht ständig neue Geschäftsfelder – und investiert dort ohne große Fuchsereien. Amazon wächst deshalb derzeit so aggressiv wie kein vergleichbares Unternehmen. Nach den Büchern und dem Handel mit Musik und Musikvideos produziert der US-Konzern jetzt Serien für das Online-Fernsehen.
Amazon ist heute viel mehr als nur ein Online-Kaufhaus. Bereits 2006 gründete Bezos die Sparte „Web Services“, die Unternehmen ihre gigantischen Rechenzentren zur Auslagerung in eine Cloud anbietet. Außerdem drückte er das elektronische Schmökergerät „Kindle“ mit Kampfpreisen am Markt durch. Der US-Konzern beschäftigt gut 91.000 Mitarbeiter, vor einem Jahr waren es noch 66.000.
Er steht den Demokraten nahe
Politisch steht Jeff Bezos den Demokraten nahe. Barack Obama pries Amazon erst vor Kurzem als Jobmaschine. Der Besitzer – geschätztes Vermögen: 25 Milliarden Euro – und seine Frau haben im vergangenen Jahr einer Bürgerinitiative für die Schwulenehe im US-Bundesstaat Washington 2,5 Millionen Dollar gespendet.
Angefangen hat Bezos’ Karriere wie im Bilderbuch für Internet-Start-ups: Der Sohn deutschstämmiger Siedler gründete Amazon 1994 in einer Garage. Der Ingenieurwissenschaftler schmiss seinen Job bei einem Hedgefonds in New York, als er gelesen hatte, dass der Onlinehandel um über 2.000 Prozent wachsen sollte. Schon im ersten Monat seines Bestehens verkaufte Amazon laut Legende Bücher in 50 US-Bundesstaaten und 45 Ländern weltweit.
Viel Zeit wird Bezos für sein neues Medienbaby nicht haben. Der Weltraumfanatiker hat eine weitere Firma gegründet, die versucht, wohlhabende Reisende ins Weltall zu schießen – eigenes Raumschiff inklusive.
Leser*innenkommentare
Gastuv
Gast
Bitte Taz, für so eine Werbung für Amazon und neo-liberalistisches Geschwätz habe ich kein Abo bestellt... bin langsam echt am überlegen ob ich nicht kündigen soll!
CholericMan76
Gast
Äh? Keine Gewinne machen und dann 25Mrd Privatvermögen des Besitzers? Wo hat der denn dann sein Geld her?
Gastman
Gast
Wenn Amazon so ein sympathischer Laden ist, dann wartet mal ab, was passiert, wenn es neben Amazon nichts mehr gibt.
salvo
Ich schließe mir der Kritik an der doch sehr naiven Haltung, die sich im Artikel äußert. Ich habe heute morgen im Newyorker eine eher der Interessenlage entsprechende Sicht gelesen:
"As the Fortune article makes clear, Bezos and his lobbyists in Washington have fought a long battle to protect the company’s cost advantage. Bezos now says that he supports the sales-tax legislation, and my guess is that he recognizes that he’s going to lose this one. In California and other states, Amazon has already reached a deal with local authorities to start collecting sales taxes. In anticipation of the new tax regime, it is building dozens of new distribution centers throughout the country, evidently in preparation for a push into selling and delivering produce and other food.
This “local” strategy will bring Amazon into competition with many more retailers. It’s sure to cause controversy and spur demands to restrain the firm’s imperialistic tendencies. And when that happens, Bezos will be the proud owner of the newspaper that, even now, helps to set the agenda in the nation’s capital."
Bezos and the Washington Post: A Skeptical View
http://www.newyorker.com/online/blogs/johncassidy/2013/08/bezos-and-the-washington-post-a-skeptical-view.html
kannsnichtglauben
Gast
Ich bin erschreckt, wie naiv ausnahmslos alle Journalisten über dieses Thema schreiben. Ein Internetmogul, einer der größten Monopolisten der Welt (besonders auf dem amerikanischem Buchmarkt) kauft eine Traditionszeitung und alles, was die deutsche Medienlandschaft dazu äußert sind Erwartung an die vielfältigen und modernen Investitionen aus dem Sillicon Valley, wie ein Printmedium in die digitale Welt transferiert werden könnte. Meiner Meinung nach sind die deutschen Zeitungen in diesem Moment blind und naiv aufgrund eigener Probleme in genau diesem Bereich! Die Angst vor der Ohnmacht der Printmedien lässt Jeff Bezos wie eine Koryphäe erscheinen, die das Printmedium aus dem Dreck zieht, dabei wird einfach übersehen, dass die Kontrolle über Journalismus, Distribution von Büchern und dem Lesemedium (Kindle) eine tödliche Kombination sind für die Vielfalt und Freiheit der Kultur. Wer glaubt der Geschäftsführer einer Zeitung würde nichts am Journalismus selber ändern, sondern nur am Vertrieb, um schwarze Zahlen zu schreiben, ist sich dem Einfluss des Monopolisten leider nicht bewusst. Es braucht keinen (sehr wohl gewinnorientierten!) Kapitalisten, um die Zeitungslandschaft vor dem Untergang zu bewahren. Immerhin grenzt es doch an Selbstbetrug den Geschäftsführer eines der größten Unternehmen der Welt keine Gewinnabsichten zu unterstellen liebe TAZ. Mit dem Kauf einer Zeitung hat dieser die Macht über den Gegenpart zu den Amazoneigenen Rezensionen und somit hat Amazon über kurz oder lang auch sehr viel Macht über das Meinungsbild der Amerikaner (zunächst). Was unterm Weihnachtsbaum liegt wird demnächst nicht nur bei Amazon bestellt, sondern so auch auf geschickte Art und Weise von Amazon bestimmt.
Peter Müller
Gast
Jeff Bezos ist also ein guter Mensch, denn er steht den Demokraten nahe und hat schon mal 2,5 Millionen Dollar (1 Promille seines unermeßlichen Reichtums) für eine gute Sache gespendet. Nur die Gewerkschaften jammern wieder rum - alte Betonköpfe, Miesepeter und Spaßverderber. "Klar, für Gewerkschafter ist Bezos eine Hassfigur" - obwohl Amazon doch eine "Jobmaschine" sondergleichen darstellt (wenn man mal ausklammert, daß Amazon z. B. im lokalen Buchhandel an Stellen ein Mehrfaches als die unterbezahlten Drecksjobs in den Logistik-Centern [http://www.daserste.de/information/reportage-dokumentation/dokus/sendung/hr/13022013-ausgeliefert-leiharbeiter-bei-amazon-100.html] vernichtet hat).
Hallo taz - wollt Ihr auch gekauft werden und hübscht Euch gerade ideologisch etwas auf?
Gastname
Gast
*auch eigenes Raumschiff will*