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AltersvorsorgeÖkonomen warnen vor Rentenpaket der Bundesregierung

RegierungsberaterInnen positionieren sich für und gegen das Rentenpaket. Die Grünen wollen mit einem Rentenniveau von 48 Prozent Altersarmut begrenzen.

Große Rentenpläne werfen ihre Schatten voraus Foto: Patrick Sinkel/dapd
Hannes Koch

Aus Berlin

Hannes Koch

Die Renten-Debatte zieht weitere Kreise. Auch unter ÖkonomInnen, die die Bundesregierung beraten, geht es hin und her. Während 22 ForscherInnen den Stopp des Rentenpakets der Regierungskoalition fordern, sagt Professor Jens Südekum von der Uni Düsseldorf: „Man darf es jetzt nicht kassieren, nur weil die Junge Union nicht mitmachen will.“

Südekum, Berater von Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD), plädiert dafür, zuerst das aktuelle Paket zu beschließen und dann die kommende „Kommission eine grundlegende Reform ausarbeiten“ zu lassen. Dabei baut er beiden Seiten jedoch eine Brücke: „In diesem Zuge ließe sich auch das aktuelle Paket noch mal verändern.“

In ihrem Rentenpaket haben die Spitzen von Union und SPD sowie das Bundeskabinett folgendes beschlossen: Bis 2031 bleibt das Rentenniveau bei 48 Prozent des Arbeitseinkommens. Bis dahin wirkt der einst eingeführte Nachhaltigkeitsfaktor nicht, der das Niveau eigentlich absenkt, um die Kosten zu drücken. Nach 2031 soll das Niveau dann aber allmählich zurückgehen. Gleichzeitig wird jetzt die Mütterrente ausgeweitet, was 5 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich kostet. Die Aktivrente soll außerdem dafür sorgen, dass mehr Ältere arbeiten, die Frühstartrente dafür, dass schon junge Leute privat vorsorgen.

„Sonst wird das System zu teuer“

Nach dem Beschluss dieses Pakets soll eine Kommission aus Fachleuten eine große Reform entwerfen. Südekum teilt den Ansatz mehr oder weniger: „Nach 2031 geht kein Weg daran vorbei, das Rentenniveau von 48 Prozent abzusenken.“ Dann müsse auch der ausgesetzte Nachhaltigkeitsfaktor wieder gelten. „Sonst wird das System zu teuer.“

Die Junge Union will die Kosten dagegen schneller und deutlicher absenken. Sie fordert, das Rentenniveau 2031 auf 47 Prozent zu drücken und danach per Nachhaltigkeitsfaktor weiter zu reduzieren. Das soll den jüngeren Generationen Kosten sparen. Die Gruppe der Jungen Union verfügt über 18 Sitze im Bundestag und droht, das Paket der Bundesregierung abzulehnen.

Diese inhaltliche Position unterstützen nun 22 ÖkonomInnen, darunter Monika Schnitzer, die Chefin der Wirtschaftsweisen, Clemens Fuest vom ifo-Institut in München und Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. Sie schreiben: „Das Rentenpaket sollte deshalb in Gänze zurückgezogen werden.“ Für „Stabilität, Verlässlichkeit und Vertrauen braucht es eine Rentenpolitik mit langem Atem, die berechenbar und fiskalisch nachhaltig ist.“

Die Jüngeren stehen unter Druck

Außerdem heißt es, das Paket der Regierung verschärfe „die demografisch bedingten strukturellen Probleme des Rentensystems, und es käme zu einer zusätzlichen Lastenverschiebung zwischen den Generationen – zulasten der Jüngeren, die schon heute unter steigendem finanziellen Druck stehen.“

Währenddessen hat die grüne Fraktionsspitze im Bundestag einen Vorschlag für die Rentenreform vorgelegt. Sie wollten „dauerhaft ein stabiles Rentenniveau von 48 Prozent sichern und gleichzeitig die jungen Generationen entlasten“, schreiben Katharina Dröge, Britta Haßelmann und Andreas Audretsch. Sie wenden sich dagegen, das Rentenniveau zu drücken: „Schon heute gelten Millionen Rent­ne­r:in­nen als armutsgefährdet, Frauen erhalten im Schnitt deutlich geringere Renten.“

Als „zentrale Stellschraube“ nennen sie „ein höheres faktisches Renteneintrittsalter – ohne das gesetzliche Rentenalter weiter anzuheben“. Dazu wollen sie „Fehlanreize wie Frühverrentungsprogramme abbauen“ und die Rente mit 63 „gezielt zu einer Absicherung für Menschen umzugestalten, die aus gesundheitlichen Gründen früher aus dem Erwerbsleben ausscheiden müssen“.

Mehr Erwerbsarbeit von Frauen ermöglichen

Um mehr Einnahmen zur Verfügung zu haben, wollen sie „mehr Erwerbsarbeit von Frauen ermöglichen, Zuwanderung erleichtern und zusätzliche Gruppen“ wie Selbstständige, neue Beamte und Abgeordnete in die gesetzliche Rentenversicherung einbeziehen. Außerdem schlagen sie einen „Neustart der privaten Altersvorsorge mit einem kostengünstigen, öffentlich verwalteten Bürger:innen-Fonds“ vor, der besser funktioniert als die Riester-Rente.

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5 Kommentare

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  • Ein Ökonom interessiert sich weder für die Gesellschaft, die Umwelt, unsere Zukunft, Demokratie, Artenvielfalt, Gleichheit usw.... Sondern einzig und allein um seine Brieftasche, Bankkonto, und Reichtumsvermehrung.



    Daher würde ich deren Meinung sehr kritisch hinterfragen, und als Orientierung für eine Regierung vollkommen ungeeignet.

  • Es ist so wie bei so vielen Problemen: Die Debatte kommt eigentlich schon zu spät. Schließlich leben wir schon sehr lange hierzulande über unsere Verhältnisse und merken erst jetzt, dass bei einem 'weiter so' harte Einschnitte zu erwarten sind, wenn der Anspruchshaltung, die aus einem viel zu umfangreichen Konsum entstanden ist, bei der einfachen Bevölkerung und jetzt auch in der Mittelschicht keine ausgleichenden Einnahmen gegenüber stehen. Ohne die auf Wachstum ausgerichtete Wertschöpfung der Aufstiegsjahre, entstanden aus der Kreativität eines Wirtschaftssystem, die die Produktivität und damit die Profitabilität erhöhen konnte, gibt es einfach weniger zu verteilen, das zur Altersabsicherung beitragen könnte. Insbesondere, wenn die in diesem System fast alles entscheidenden Investoren sich aus den nationalen Märkten Mitteleuropas zurückziehen, um zu versuchen, anderswo ihre Geschäfte machen zu können, aber -siehe Trump- eigentlich kaum gelingen kann, wenn z.B. China einfach zu mehr produziert, als überhaupt im Weltmassstab verbraucht werden kann.



    Solange sich das Wirtschaften nicht nach den Bedürfnissen von unten richtet, sondern nur nach dem Profit, gerät das Ganze in Gefahr.

  • "Auch unter Ökonomen geht es hin und her..."

    Na ja... Also Herr Südekum ist in erster Linie Berater der SPD, zudem kenne ich keinen ernstzunehmenden Ökonomen, der der Auffassung der hier erwähnten 22 Experten öffentlich widerspricht. Kein Land der Welt gibt so viel Geld für seine Sozialsysteme aus, dass dies nicht nachhaltig sein kann, dafür braucht es kein Abitur. Der Vorschlag der Grünen ist zumindest ein Anfang: Höheres Renteneintrittsalter kann ein erster Schritt sein, bzw. der Zweite, nachdem die bisherigen Vorschläge (Mütterrente, Aussetzen der Haltelinie) kassiert werden. Die Parteien müssen vielleicht mal lernen, dass man nicht jedes mal irgendwelche Wahlversprechen machen kann, die niemals durchfinanziert sind, nur um die Stimmen einzelner Bevölkerungsgruppen zu bekommen. Also, ein Dank an die JU (hätte mir jemand erzählt, dass ich diese Truppe mal loben würde, ich hätte ihn für verrückt erklärt), die anderen Jugendorganisationen der übrigen Parteien haben offensichtlich keine Meinung, jedenfalls höre ich nichts davon...

    • @MarsiFuckinMoto:

      Diese Darstellung greift zu kurz. Die fachliche Position von Ökonomen allein über Parteinähe in Frage zu stellen, ist wenig überzeugend – wissenschaftliche Beratung für Parteien ist üblich und kein Beleg mangelnder Seriosität. Zudem existieren durchaus fundierte Gegenpositionen zu rein einseitigen Rentenlösungen.

      Auch die Behauptung, ein hoher Sozialstaat sei grundsätzlich nicht nachhaltig, ist zu pauschal. Länder wie Schweden oder Dänemark zeigen, dass umfangreiche Sozialsysteme langfristig tragfähig sein können, wenn sie sinnvoll organisiert und fair finanziert sind. Nachhaltigkeit hängt weniger von der reinen Ausgabenhöhe als von Struktur, Effizienz und gerechter Lastenverteilung ab.

      Ein höheres Renteneintrittsalter ist kein einfacher Ausweg. Besonders Menschen in körperlich oder psychisch belastenden Berufen können realistisch oft nicht bis ins hohe Alter arbeiten. Für sie bedeutet eine Anhebung häufig längere Phasen von Arbeitslosigkeit, Krankheit oder Frührente mit Abschlägen. Das Risiko von Altersarmut steigt, weil fehlende Beiträge und Rentenkürzungen besonders einkommensschwache Gruppen treffen. So droht eine weitere soziale Spaltung zwischen Menschen mit akademischen Be

      • @Chris Sonc:

        "Länder wie Dänemark und Schweden..."

        .

        Also erstens geben beide Länder (auch prozentual) deutlich weniger für ihre Sozialsysteme aus, als Deutschland dies tut. Unser Land ist Weltmeister im Verteilen von Wahlgeschenken, und ganz vorne (wen wunderts) stehen die Rentner.

        Zweitens sind insbesondere Dänemark und Schweden ein äußerst schlechtes Beispiel, weil genau DIESE Regierungen gerade dabei sind, ihre Sozialsysteme radikal umzustellen (u.a. deutlich weniger Sozialleistungen für Asylbewerber). Immerhin haben beide Länder (wie auch viele andere) erkannt, dass bei der demographischen Entwicklung eigentlich schon vor 20 Jahren das Renteneintrittsalter hätte erhöht werden müssen. Oder die Abschläge werden eben geringer. Aber immer nur zu sagen "die Alten haben sich das verdient", ohne dabei zu fragen wer den ganzen Bums bezahlen soll, ist halt auch keine Lösung...