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Alternativen zum Plastik-StrohhalmKleines Röhrchen, großes Problem

Milliarden Trinkhalme aus Plastik landen jährlich im Müll oder im Meer. Das Bewusstsein dafür wächst – und auch die Zahl der Alternativen. Ein Test.

Ganz schön bunt. Und ganz schön doof für die Umwelt Foto: photocase.de / kink

Durch Rohre getrunken wird schon seit Jahrtausenden. Ja, tatsächlich, seit Jahrtausenden. Der früheste Nachweis stammt aus einem sumerischen Grab, 3.000 vor Christus. Ein Goldrohr mit blauem Lapislazuli. Die Sumerer tranken gerne Bier, nach dessen Herstellung allerdings Reste von Getreidehülsen auf der Oberfläche schwammen. Das Trinkrohr ermöglichte ungestörten Genuss.

Mit einem ähnlichen Problem sah sich Marvin C. Stone konfrontiert, als er im Jahr 1888 nach der Arbeit mit einem Mint Julep entspannen wollte. Dieses Mal kamen die Unreinheiten im Getränk aber vom Halm selbst: Teile des Roggenhalms lösten sich ab und landeten in Stones feinem Whiskey-Minze-Cocktail. Also entwickelte der US-Amerikaner einen Strohhalm aus Papier, mit Paraffin überzogen, damit sich nichts löst, und ließ ihn patentieren.

Das Trinken mit einem solchen Halm sei eine „ungeschickte Prozedur“, schrieb wiederum Joseph B. Friedman in seinem Patentantrag im Jahr 1937. Er versprach ein besseres Trinkerlebnis mit einem knickbaren Trinkhalm. Die weitere Halm-Evolution hat weniger mit Funktionalität als mit Spaß zu tun: Es gibt Trinkhalme mit Knoten oder Spiralen, verziert mit Dinosauriern oder Ananas, im Dunkeln leuchtend oder als Strohhalmbrillen, in denen die Flüssigkeit erst Achterbahn um die Augen fährt, bevor sie im Mund landet.

Nur bestehen seit den 1960ern die meisten Strohhalme, die wir in unserem Getränk serviert bekommen, aus Plastik. Genauer: aus dünnwandigen Kunststoffen wie etwa Polyethylen oder Polypropylen. Nach ihrer Entsorgung zerfallen diese Kunststoffe in sogenanntes Mikroplastik. Das bedeutet, dass die Plastikteile zwar immer kleiner werden, aber erst nach Generationen wirklich abgebaut sind. Für Plastikhalme wird diese Zeit auf etwa 300 bis 500 Jahre geschätzt. Das steht in keiner Relation zu ihrer Nutzungsdauer – von eher 300 bis 500 Sekunden.

500 Millionen Halme am Tag

Und dann verwenden wir auch noch so viele! Schätzungen zufolge werden in Deutschland jährlich etwa 40 Milliarden Strohhalme verbraucht, in den USA 500 Millionen am Tag. Umweltschützer weisen immer wieder auf die Unmengen an Trinkhalmen hin, die sie bei Reinigungsaktionen an Küsten überall auf der Welt finden, oder gar deren Reste in den Körperöffnungen von Fischen, Meeresschildkröten oder Vögeln steckend.

Der Großteil an Plastik, welches in die Meere gelangt, stammt dabei aus nur fünf Ländern: China, Indonesien, den Philippinen, Thailand und Vietnam. Und wer dort schon mal war, weiß: Man kriegt nicht nur einen Plastiktrinkhalm ins Getränk, sondern selbiges in einem Plastikbecher und das Ganze dann noch zweimal in eine Plastiktüte gewickelt.

taz am wochenende

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Mit der steigenden Wirtschaftskraft in diesen Ländern gehe die explosionsartige Steigerung der Nachfrage nach Konsumgütern einher, heißt es in einer Studie der NGO Ocean Conservancy aus dem Jahr 2015. Dabei gebe es noch kein entsprechendes Abfallmanagement – das Plastik lande in der Umwelt.

Halmlos in Seattle

Die US-amerikanische Umweltorganisation Lonely Whale Foundation hat mit ihrer Social-Media-Kampagne #stopsucking auf das Trinkhalmproblem aufmerksam gemacht. Stop sucking bedeutet: nicht mehr nuckeln. Auf Englisch ist das raffinierter, weil „sucker“ gleichzeitig eine Beleidigung ist. In sozialen Netzwerken bekennen sich viele Menschen dazu, auf den Strohhalm im Getränk zu verzichten.

Das zeigt Wirkung. In Seattle wird es ab Juli dieses Jahres ein Plastikhalmverbot in Bars und Restaurants geben, mehrere US-Städte wollen nachziehen. Schottland plant ein Verbot bis 2019. Taiwan bis 2030. Queen Elizabeth II. hat die Plastikstängel aus dem Buckingham Palace verbannt, angeblich inspiriert durch die BBC-Dokumentation „Blue Planet“ und bis Ende des Jahres soll ganz Großbritannien folgen.

Wo einer geht, bleibt eine Lücke, und die versuchen immer mehr Start-ups und Kleinunternehmer zu füllen. Sie bieten für das Jahrtausende alte Bedürfnis nach schlürfender Getränkeaufnahme Halme aus nachhaltigeren Materialien an: Zurück zum Stroh, oder hin zu Bambus, Edelstahl oder Glas – alles wiederverwendbar, da reinigungsfähig. Die verrückteste unter den Plastikalternativen ist die essbare Variante aus Fruchtresten. Leider nicht dabei: ein Goldrohr mit blauem Lapislazuli.

Dass aber tatsächlich viele Menschen ihren wiederverwendbaren Trinkhalm, allzeit einsatzbereit, überall hin mitnehmen, bleibt fraglich. Den Unterschied werden wohl eher Großverbraucher wie Restaurants und Bars machen. Und ein genereller Wandel in den Köpfen. Auf Plastiktrinkhalme zu verzichten, ist ein einfacher erster Schritt. Für jeden von uns.

*** Die Halm-Alternativen im taz-Test ***

Der aus Glas

Material: Das Glas ist spülmaschinenfest und widerstandsfähig, aber nicht unkaputtbar. Trinkgefühl: Gut! Man fühlt sich auch zu Hause direkt ganz fancy. Manchen ist der Halm aber etwas zu viel im Mund. Aha: Gibt es auch in gebogener Form – ist aber natürlich nicht flexibel. Hersteller: HALM.

Der aus Metall

Material: Edelstahl, fair produziert in Indien und China. Trinkgefühl: Das Saugen ist ein Leichtes, selbst beim Smoothie. Im ersten Moment ist der Halm überraschend kalt an der Lippe, auch bei ungekühlten Drinks. Aha: Für Chemiker: Die verwendete Edelstahlvariante heißt AISI204cu, hat 16,5 % Chrom- und 2 % Nickelanteil. Hersteller: ECO Brotbox.

Der Essbare

Material: Hergestellt aus Apfelfasern, den Überresten der Apfelsaftproduktion. Trinkgefühl: Der Halm hinterlässt eine Färbung im Getränk und löst sich schneller auf als die angegebenen 45 Minuten. Essen will man ihn dann auch nicht mehr. Aha: Gibt es auch mit Erdbeergeschmack. Hersteller: Eatapple.

Der aus Bambus

Material: Biologisch abbaubar und viele Male wiederverwendbar – aber nicht unendlich oft. Trinkgefühl: Etwas schwieriger zu saugen als die Konkurrenz, aber nicht unangenehm. Liegt zudem leichter in der Hand als die Glas- und Edelstahlhalme. Die dickere der beiden Bambushalm-Varianten ist perfekt für Smoothies. Aha: Farbe und Größe jedes Bambushalms sind einzigartig – er ist eben ein Naturprodukt. Hersteller: Bamboo.

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6 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • 40 Milliarden pro Jahr in Deutschland? Kann das wirklich sein? Das wären pro Bundesbürger_in 500 im Jahr, fast 1,5 am Tag. Ich kann mir das kaum vorstellen...

    Dennoch: Sicher sind es viel zu viele und sie sind fast immer total unnötig...

  • Ein Leben ohne Strohhalm ist möglich! Auch ohne McDonalds und Wegwerf-kaffeebecher sollen schon Menschen großgeworden sein.

  • Wofür hat der Mensch einen Mund?

    Das ist eine gute Frage…

  • Alles schön und gut, aber Plastik als Gebrauchsmaterial hat sich nun mal in unserer Kultur fest eingebürgert. Seinen Erfolg verdankt es der Tatsache, dass es anderen Materialien in Haltbarkeit, Handhabbarkeit, Hygiene und Produktionskosten überlegen ist.

    Auch wenn es um eigentlich überflüssige kleine Dinge wie Trinkhalme geht, dürfte es doch äußerst schwierig werden, eine breite Akzeptanz fürs Wieder-Weglassen zu erreichen. Lippenbekenntnisse sind schnell gemacht, aber im täglichen Leben greift man eben doch schnell zur Plastiktüte oder zum Plastik-Trinkhalm. Und wenn das dann öko-korrekt verboten wird, sucht man Mittel und Wege, sich Vorräte anzulegen oder die Gegenstände anderweitig zu beschaffen.

    Ich glaube nicht, dass viele es einsehen, dass sie jetzt wie im 19. Jahrhundert leben sollen, während in anderen Ländern äußerst großzügig Plastik verwendet, im Meer entsorgt oder in die Landschaft geworfen wird.

    Besser wäre es, sich eine adäquate Entsorgungs- oder Verwertungstechnologie einfallen zu lassen. Und diese weltweit einzuführen.

    Technik statt erhobenem Zeigefinger oder Verbieteritis, Fortschritt statt Rückschritt. Das wäre ein gangbarer Weg für alle.

    • @Läufer:

      Die Kosten sind nur deshalb niedrig, weil die unweigerlichen Folgekosten (der daraus folgenden Umweltzerstörung) sozialisiert werden. Das ist also praktisch Diebstahl an der Gesellschaft. Eine marktgerechte Lösung wäre also, diese Kosten über eine Plastikverpackungssteuer oder besser noch ein Pfandsystem auf das Produkt aufzuschlagen. Wenn ein Strohhalm dann erstmal 25 Cent Pfand kostet, wirft den auch keiner mehr weg bzw. andere heben ihn schnell wieder auf.

       

      Ich fand die unglaubliche Wirksamkeit der Plastiktütenpreise in Supermärkten und Kaufhäusern extrem beeindruckend. Plötzlich braucht kaum noch jemand eine Tüte. Daraus könnte man etwas lernen.

       

      Ohne solche Massnahmen geht es aber scheinbar nicht, denn wenn Appelle an Eigenverantwortung nicht helfen, helfen sie halt nicht. Und sich eine "adäquate Entsorgungs- oder Verwertungstechnologie einfallen zu lassen" klingt ja toll, aber wer bezahlt das und wie entsorgt und verwertet man den Müll, der sofort in der Gegend herumfliegt? Das kling eher wie "ich schwafel mal ein wenig rum und solange mache ich weiter wie vorher, lasst mich also einfach in Ruhe".

    • @Läufer:

      Wie wär's mal mit Eigenverantwortung, Konsequenzen ziehen und mitdenken? Scheint ja ganz schön schwierig zu sein…