Alternative zur WM: Was mit Füßen
Warum nicht mal Klettern, hat sich unsere Autorin gefragt und sich in eine Wand mit vielen bunten Klötzchen begeben.
Kreuzberg, 1. Dezember, 7 Uhr morgens, es ist stockduster. Auf dem Weg zur Boulderhalle fahre ich mit dem Fahrrad durch den Görlitzer Park, in dem die Dealer noch nichts zu tun haben und deswegen gerade Fußball spielen. In der Halle sind immerhin ein paar Leute, und es sieht dort aus wie ein Dschungel, in dem sich die Tiere extra bunte Felle übergezogen haben, damit man vor lauter bunten Dingern den Dschungel nicht sieht. An den Dutzenden steil nach oben oder schräg in den Raum ragenden Wänden sind Plastikgriffe in allen Farben montiert.
Meine Trainerin schickt mich zunächst mal „auf eine einfache Route“. Ich gucke die Klumpen an und sage: „Hä? Wie soll ich denn da meine großen Füße draufstellen?“ Meine Trainerin führt mir vor, wie ihre kleinen zarten Füße im 90-Grad-Winkel zur Wand drauf passen und sagt: „So!“ Ich mache es nach und bin baff, dass meine Riesenlatschen da auf einmal auch draufpassen. Ich komme relativ problemlos die Route hoch und auch wieder runter.
Vor der nächsten Wand stehend, soll ich den nächsten Schwierigkeitsgrad testen: Route finden. Sie besteht aus blauen Plastikklumpen und führt schräg an der Wand entlang. Meine Füße verirren sich auf dem Weg ins Nirgendwo, wo meine Beine sich gerade genau befinden, vermag ich nicht zu sagen, geschweige denn meine Füße und wie ich eine meiner Hände loslassen soll, um mich irgendwo hinzubewegen, ist mir komplett schleierhaft. Ich würde gerne sofort kapitulieren, aber meine Trainerin gibt mir mit Engelszungen Tipps, wie ich meinen Körper wieder in Bewegung bringen kann.
Ich fühle mich wie ein sechs Tonnen schweres Walross, das einem Schimpansenbaby auf einen Baobabbaum hinterhergekrochen ist und jetzt nicht wieder runterkommt. Mit J.s Hilfe wieder auf den Matten stehend, bitte ich sie, mir mal eine schwerere Route zu zeigen. Sie fliegt dann schräg an einer der Wände entlang, elegant wie eine Gams, schwingt ihre Beine auf Schulterhöhe, als wären es Lianen, die jemand mit einem Steuergerät zu genau dem Plastikklumpen lenkt, wo sie hinsollen.
Ich selbst versuche mich danach an dieser Route und J.s Tipp „Druck auf die Beine geben“ zu halten. Es funktioniert. Ich hänge. Allerdings nicht wie eine Gams, sondern wie ein trockener Sack Zement. Den Plastikklumpen, den ich mit meinem Fuß treffen soll, treffe ich immerhin nach dem 10. Versuch. Jetzt soll ich meinen schief hängenden Körper um eine Kante herum nach oben ziehen. Wenn J. das macht, sieht es aus, als könnte sie gleichzeitig noch ein Interview führen, einen Text schreiben und eine Ode an die Liane verfassen. Ich lass dann einfach mal los. Platsch.
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