Alternative zu Spotify: Fairer streamen
Es muss nicht immer Spotify sein. Andere Unternehmen zahlen höhere Tantiemen an Künstler*innen. Vielleicht überraschend: Apple gehört zu diesem Kreis.
Gute Nachrichten zu Spotify sind aktuell ohnehin selten. Die Firma steht in der Kritik, aus verschiedenen Gründen: Musiker*innen beklagen die geringen Tantiemen, Labels zeigen sich irritiert, dass Aufmerksamkeit für neue Musik abseits des Algorithmus mit Kampagnen erkauft werden kann, wieder andere sind nicht damit einverstanden, dass der CEO Daniel Ek seine Börsengewinne investiert.
Und ist das Bezahlabo nicht gerade zwei Euro teurer geworden? Spotify ist ein bisschen wie Whatsapp: Hat man eben, es geht ja irgendwie nicht ohne.
Dabei gäbe es beim Streamen von Musik genauso vielfältige Auswahl wie beim Messaging. Signal, Threema, Telegram? Deezer, Tidal, Qobuz. Der Markt ist riesig: Von den 2,38 Milliarden Euro, die 2024 in Deutschland im Musikgeschäft umgesetzt wurden, entfallen 78,1 Prozent auf Streaming.
Die Kund*innen können dabei entscheiden, was ihnen am wichtigsten ist: die Vergütung von Musiker*innen, der Umgang mit den persönlichen Daten, die Klangqualität, der Preis des monatlichen Abos oder zusätzliche Angebote rund um die Musik. Eine in vielen Punkten bessere Alternative zu Spotify ist hier ausgerechnet Apple Music.
Zu lang auf dem Erfolg von iTunes ausgeruht
Erst seit 2015 ist das US-Unternehmen mit Musikstreaming am Markt, erstaunlich spät für den einstigen Pionier: Seit 2003 verkaufte Apple über seinen iTunes-Store MP3s und veränderte damit nachhaltig die Musikindustrie: Das Angebot – ein Song für 0,99 Euro – war unschlagbar. Das Kaufen, Speichern, auf den iPod und später das iPhone übertragen war selbst für nicht technikaffine Menschen leicht. Doch man hatte sich zu lang auf dem Erfolg ausgeruht.
Erst 2014, mit der Übernahme von Beats, der Kopfhörermarke des US-HipHoppers Dr. Dre, sicherte man sich die Technologie, Infrastruktur und Lizenzen für Apple Music. Heute liegt Apple Music global mit zwölf Prozent Marktanteil auf dem zweiten Platz hinter Spotify. In den USA mit rund 30 Prozent ebenfalls.
Von Beginn an machte Apple beim Musikstreaming einiges anders. Ein eigener Radiosender begleitete das Angebot. Rund um die Uhr, produziert in Studios in Los Angeles, New York und London, präsentiert von Moderator*innen aus der internationalen Radiowelt und ergänzt mit Shows von Künstler*innen wie Elton John, Brian Eno oder Lady Gaga.
Weltweit Studios für Onlineradios
Ein werbefinanziertes Modell à la Spotify bietet Apple nicht an, im Gegenteil kann das auf mittlerweile sechs Sender angewachsene Radioprogramm live sogar kostenlos gehört werden, also ohne Apple-Music-Abo, das aktuell elf Euro pro Monat kostet.
Apple wirft auf die Idee mit dem Onlineradio viel Geld. Weltweit entstanden in den letzten Jahren Studios, in denen Sendungen für die lokalen Märkte produziert werden. Eines davon steht in Berlin. Hier dreht sich das Programm vornehmlich um deutschsprachigen HipHop.
Die Idee ist gut: lange Interviews, zweitverwertet als Video auf Youtube, Hintergrundgespräche, Gesprächsrunden, die über das Thema Musik hinausgehen. Zumindest die Abrufzahlen auf Googles Videoplattform belegen, dass das ankommt. Die erste Ausgabe von „Hyped Zeitgeist“, dem Talkformat von Aria Nejati, „Head of HipHop“ bei Apple Music Deutschland, hat knapp 200.000 Views.
Mit kleinen Funktionen hat der Service viel Mehrwert geliefert, den andere Anbieter mittlerweile auch im Programm haben. Integration von Musikvideos ist ein Beispiel, Songtexte ein anderes. Letztere lassen sich im Netz einfach finden, sind aber auch vergütungspflichtig. Apple Music hat sie als erster Anbieter – ganz regulär von den Musikverlagen lizenziert – eingebunden in die App, synchron zum Mitsingen der Songs oder mit Karaoke-Funktion.
Apple Music wird querfinanziert
„Wir bezahlen jeden Stream“, betont Oliver Schusser, Musikchef bei Apple. Ein Seitenhieb gegen Spotify, wo überhaupt erst Umsatz erzielt werden kann, nachdem ein Song mindestens 1.000 Mal gehört wurde. Apple kann sich die Lizenzen leisten: Das iPhone bleibt eine Gelddruckmaschine, über die andere Angebote querfinanziert werden können, auch Apple Music. Spotify hat diesen Luxus nicht.
Bei der Streamingvergütung liegt Apple Music im oberen Mittelfeld. Wird ein Song einmal gehört, wird 0,01 US-Dollar ausgeschüttet. Das klingt wenig, ist im Vergleich aber gar nicht so schlecht. Tidal liegt knapp darüber, Spotify mit 0,006 US-Dollar deutlich darunter. Noch weniger zahlen Amazon und Youtube.
Spotify schüttet knapp 70 Prozent des Umsatzes an Rechteinhaber*innen als Tantieme aus, Apple zahlt einen festen Satz von 52 Prozent. Die Querfinanzierung ist vielleicht das Zukunftsmodell. Und dürfte langfristig die Spreu vom Weizen trennen. Spotify wird dabei nicht vom Markt verschwinden, allein weil die drei verbliebenen Majorlabel Sony, Universal und Warner Mehrheitseigner sind.
Separate App für klassische Musik
Um auf diesem Markt bestehen zu können, braucht es aber weitere Einnahmequellen und immer neue Funktionen. Mit „Apple Classical“ gibt es seit zwei Jahren eine separate App, die klassische Musik anders aufbereitet. Verschiedene Einspielungen sind besser zu finden, es gibt Zusatzinformationen, die von Kenner*innen gerne genommen werden, wenn sie ihre Lieblingssinfonien auf dem Smartphone hören und teilen.
Dieser Service war teuer, dient aber der Markenpflege. Die kalifornische Firmenzentrale in Cupertino bezahlt das aus der Portokasse. Das gilt auch für Moderator*innen von Radiosendungen, die Redaktion, die Playlists zusammenstellt und die Gig-Economy-Arbeiter*innen, die etwa Songtexte überprüfen oder neu abtippen und digitalisieren.
Ob Apple mit dem Musikstreaming Gewinn erwirtschaftet, ist nicht bekannt. Das Unternehmen veröffentlicht generell keine Zahlen, die spezifische abofinanzierte Dienste betreffen. Messbare Steuereinnahmen für den heimischen Fiskus sind von den Beats und Sounds aber nicht zu erwarten – dazu ist das System aus Firmenniederlassungen zu verzweigt, wie bei praktisch allen Tech-Konzernen.
Es ist nicht gesagt, dass Apple Spotify vom Thron stoßen kann; eine Alternative zum Platzhirschen aus Schweden ist es aber bereits geworden.
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