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Alternative für Zivildienst gesuchtCaritas fordert lange Übergangsfristen

Familienministerium und Sozialverbände stellen sich auf ein Ende der Wehrpflicht ein und suchen nach Alternativen. Eine Variante könnte der freiwillige Zivildienst sein.

Wirtschaftswissenschaftler meinen, der Zivildienst vernichte Arbeitsplätze. Bild: dpa

BERLIN taz/epd | Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) stellt sich bereits auf ein Ende der Wehrpflicht ein, das auch einen Wegfall des Zivildienstes bedeuten würde. Für diesen Fall schlage sie einen freiwilligen Zivildienst für Männer und Frauen vor, in den die bisherigen Bundesmittel für den Zivildienst fließen könnten, sagte Schröder in Berlin.

Parallel dazu sollten aber auch die Freiwilligendienste wie das Freiwillige Soziale Jahr und das Freiwillige Ökologische Jahr weiter bestehen, für die die Bundesländer zuständig sind. Der erwogene freiwillige Zivildienst soll nach dem Willen der Ministerin allen Altersgruppen offenstehen, also etwa auch Rentnern. Schröder sagte, sie strebe an, eine Zahl von 35.000 Zivildienstleistenden pro Jahr zu erreichen.

Nach Angaben des Bundesamts für den Zivildienst gibt es zurzeit jährlich etwa 90.000 Zivildienstleistende. Im Jahr 2002 waren es noch etwa 135.000, seither ging die Zahl kontinuierlich zurück. Auch die Dauer des Zivildienstes nahm seither immer weiter ab.

Die Caritas hält es daher durchaus für möglich, dass der Zivildienst wegfallen könnte. Sprecherin Claudia Beck sagte, wichtig sei vor allem, dass die Einrichtungen eine lange Übergangsphase erhielten. "Die Einrichtungen könnten sich auch darauf einstellen, wenn es irgendwann keine Zivildienstleistenden mehr gäbe", sagte Beck der taz.

Den Zivildienst völlig abzuschaffen, fordern mehrere Wirtschaftswissenschaftler. "Er vernichtet Arbeitsplätze und führt zu Wettbewerbsverzerrungen", sagte der Direktor am Max-Planck-Institut für Geistiges Eigentum, Wettbewerbs- und Steuerrecht, Kai Konrad, der Welt am Sonntag. Krankenhäuser und Seniorenheime sollten für alle Arbeitskräfte, die sie benötigten, den "echten Preis" bezahlen. Der Ökonom Harald Trabold von der Fachhochschule Osnabrück sagte, langfristig würden diese zusätzlichen Kosten durch Effizienzsteigerungen wieder aufgefangen.

Falls das Familienministerium einen freiwilligen Zivildienst einführt, könnte der bisherige Freiwilligendienst darunter leiden. Der Geschäftsführer des Sozialen Friedensdienstes (SFD), Andreas Rheinländer, weist darauf hin, dass es für die Träger schon jetzt doppelt so teuer sei, Freiwillige zu finanzieren wie Zivildienstleistende.

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6 Kommentare

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  • B
    Brennessel

    @ SusiSorglos

    Wenn man sich die demografische Entwicklung in unserer Gesellschaft ansieht, ist die Frage doch eigentlich schon beantwortet.

    Zur Zeit betreut ein Altenpfleger( ich bin keiner )

    pro Schicht ca. 20 bis 30 teils schwerstpflegebedürftige Menschen(und es werden mehr!!!).

    Wie viel Zeit bleibt da für jeden? Bei acht Stunden, wovon min. ein Drittel für Schreibkram draufgeht?

    Wenn es schon 20 Minuten dauert bis "Oma Schmidt" ihre Suppe gegessen hat? Und dann noch 10 weitere hungrige Omas und Opas warten?

    Und wenn die Suppe dann irgendwann am anderen Ende des Tunnels wieder rauskommt, brauchts auch wieder Zeit(x10). Wiviel Zeit bleibt dann noch für die Wahrung der Würde dieser Menschen?!

    Jeder kann da Gutes tun und eigentlich ist es auch jedermanns(-fraus) Pflicht.

    Und wer keine Motivation hat sich mit Menschen zu befassen, der kann meinetwegen Papieschnippsel im Park einasammeln, Hauptsache er tut was Nützliches.

    Man kann sagen es wäre vielleicht sozialromantisch so zu denken, aber es ist immernoch besser als sich den ganzen Tag Loserfamilien auf den Privaten reinzuziehen, oder wie Paris Hilton heute wieder ihren Tag verschwendet hat.

    Vielleicht merken dann auch mal die Kiddis von heute, daß Arbeit getan werden muss weil man halt nich überall nen Roboter hinstellen kann und halt nich jeder Superstar oder Model sein kann.

    Und wieso Zwangsarbeit?

    Man braucht keine dreijährige Ausbildung um jemandem nen Löffel Suppe zu reichen. Und wenn man 5 Zivis hat

    ist das genauso Teuer wie Einer mit Examen.

    Es können also Alle nur gewinnen.

    Oma Schmidt, die Kranken und Rentenversicherten und der Zivi. Der kann immer an Erfahrung gewinnen.

    Und wenns eh jeder machen muss, ärgert man sich auch nicht so, wie ich damals als zwei Drittel meines männlichen Abijahrganges gar nicht erst zur Musterung musten, geschweigedenn irgend einen Dienst ableisten.

    Und ich find Arbeit cool, wär halt nur schön nich immer für 4 arbeiten zu müssen.( als Krankenpfleger)

  • SS
    Susi Sorglos

    @Brennessel:

    ZivildienstPFLICHT? Und wie bitteschön soll die begründet werden? Es gibt keinen Arbeitskräftemangel, man ist nur zahlungsunwillig. Außerdem würde Zivildienstpflicht dazu führen, daß alle möglichen Firmen ihren Bedarf an den neuen Zwangsarbeitern anmelden, um ihren Profit zu steigern, denn Zwangsarbeit ja nun die höchste Form des Lohndumpings! Hinzu kommt, daß bei allgemeiner Zwangsarbeit die Anzahl der Leistungsverweigerer und Sabotagewilligen so hoch wird, daß der Schaden womöglich den Nutzen übersteigt. Normale Zivis waren schließlich dankbar, sich nicht im Trachtenverein ihrer Menschenwürde berauben lassen zu müssen. Welche Motivation sollten nun aber ZivildienstPFLICHTIGE haben?

     

    Wenn Arbeit etwas geiles wär‘, dann würden die Bonzen sie für sich behalten! Auch für die Wirtschaftsherrscher gehen die Goldenen Zeiten der Abiturienten zum Nulltarif langsam zu Ende. An alle Politiker, Subchefs und andere »Leistungsträger«: Löhne zahlen oder selber arbeiten!

  • B
    Brennessel

    Das hier mal wieder Wirtschaftsexperten ihren Senf dazugeben, ist das Problem was der Gesundheits- und Pflegebereich schon seit langem hat.

    Es fehlen jetzt schon ZEHNTAUSENDE Arbeitskräfte in der Pflege und es wird bestimmt nicht besser.

    Eine Lösung wäre eine ZivildienstPFLICHT für Männer und Frauen, damit würde jeder seine soziale Kompetenz steigern können.

    Und ausserdem Wer soll die neuen Profi-Pfleger bezahlen?Es streubt sich doch jetzt schon jede Regierung den tatsächlichen Bedarf an Geld vom Steuerzahler zu fordern.Stattdessen Arbeitsverdichtung und Lohndumping; kein Wunder,dass

    die meisten Pflegekräfte sich nach ein paar Jahren einen anderen Beruf suchen.

  • O
    Olaf

    Mein Zivi Dienst ist schon fast 25 Jahre her und hatte noch 16 Monate gedauert, aber ich möchte die Zeit nicht missen. Und ich würde mir eigentlich wünschen, dass alle in Deutschland lebenden Männer (egal welcher Nationalität)ein Jahr sozialen Dienst tun müssten. Unsere Gesellschaft würde sich, wenn auch vielleicht langsam, verändern. Es gäbe allen die Möglichkeiten eine Zeit lang in ihrem Leben etwas für andere zu tun, sich anders wahrzunehmen und Dinge zu sehen, die sie sonst vielleicht nie zu sehen bekämen.

  • P
    pablo

    Es ist an der Zeit das die Zwangsdienste beendet werden und statt dessen Arbeitsplätze mit vernünftiger Bezahlung entstehen. Zwangsdienst kann nur Arbeitsplätze vernichten. Wenn man die Zahlen der "Zivis" liest weis man das es bis zu 100000 neue Arbeitsplätze in den Bereichen geben kann. Und bei vernünftiger Bezahlung stärkt es Kaufkraft im Binnenland. Und Steuern würden ja auch ein paar abfallen sowie für die Soz.Vers.

    Und von der "Wehrgerechtigkeit" wollen wir lieber nicht anfangen.

  • J
    JottHa

    Sieht man sich mal die demographische Entwicklung in Deutschland an, ist es illusorisch auf ausreichende kostengünstige Pfleger(innen) zu spekulieren.

    Zivildienst ist ein Wehrersatzdienst und somit in Zukunft uninteressant.

    Die Pflegeberufe müssen denen der Krankenschwester gleichgestellt werden, dann klappts auch mit dem beruflichen Nachwuchs.