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Alternative Finanzierung für WatchblogDie Oma-Offensive

Das Medien-Watchblog „Topf voll Gold“ ist gemeinnützig. Künftig wollen die Macher etwa Senioren über „Quatsch“ in der Regenbogenpresse aufklären.

Angehörige der neuen Zielgruppe des Watchblogs. Foto: dpa

BERLIN taz | Schlechte Nachrichten für die Freizeit Woche, die Neue Post und all die anderen Klatschmagazine der Republik: Die Medienkritiker vom “Topf voll Gold“ wollen die Stammleser der Regenbogenpresse künftig ganz analog aufklären und dafür das Internet verlassen.

Medienkritiker Moritz Tschermak spricht jedenfalls von einer „durchaus erst gemeinten Überlegung“, die da heißt: „In Altenheime oder in Tanzcafés gehen, also zu den Leuten, die diese Hefte lesen“, um mit ihnen „drüber zu reden, dass da eigentlich ziemlich viel Quatsch drin steht“. Die Klatschmagazin-Kritiker werden also gefährlich.

Tschermaks Oma-Offensive ist dabei nur Teil eines viel größeren Plans. Nach zwei Jahren der reinen Bloggerei, zu der auch Notizen in Tagesspiegel und Spiegel gehören, ist „Topf voll Gold“ seit vergangener Woche gemeinnützig. Gründer Tschermak und Bildblog-Chef Mats Schönauer haben die Gemeinnützigkeit offiziell vom Berliner Finanzamt für Körperschaft eintragen lassen. Wer der Gesellschaft m&m Medienkritik, also Mats und Moritz, etwas spendet, kann damit nun seine Steuerlast drücken.

Nein, man wolle jetzt nicht „zum großen Steuerparadies im Internet“ werden, sagt Tschermak. Er lässt allerdings durchblicken: Das ein oder andere Opfer der Regenbogenpresse sei bereits interessiert. Das wiederum leuchtet ein: Der „Topf voll Gold“ ist prall gefüllt mit Notizen über fantasierte statt recherchierte Geschichten und zählt Gegendarstellungen auf, die Prominente gegen die Blättchen erwirken. Was Tschermak und Schönauer verbreiten, dürfte in der einen oder anderen Promivilla Genugtuung auslösen.

Gemeinnützigkeit durch Bildungsangebote

„Nur weil sie in der Öffentlichkeit stehen haben sie ja nicht ihre Persönlichkeitsrechte verloren“, sagt Tschermak. So seien die Medienkritiker „eben auf deren Seite“. Die Blogger hoffen, dass Prominente das goutieren und „von ihrem vielleicht ganz gut verdienten Geld“ etwas abgeben und den „Topf voll Gold“ unterstützen.

Im Gegenzug wollen und müssen die Medienkritiker nun allerdings mehr tun als bisher, denn das Finanzamt hat nicht den eigentlichen Journalismus für gemeinnützig erklärt, sondern Bildungsangebote, die ihm die „Topf voll Gold“-Macher in ihrem Antrag versprochen haben. Neben Besuchen bei Senioren planen die Medienkritiker etwa auch Kneipenabende, in denen sie ebenfalls über die Regenbogenpresse aufklären wollen.

Hierzulande dürfen die Finanzämter Journalismus an sich bislang nicht als gemeinnützige Veranstaltung anerkennen. Journalistenverbände, allen voran das Netzwerk Recherche, machen sich zwar seit ein paar Jahren für eine entsprechende Gesetzesänderung stark, doch die Resonanz darauf blieb bislang weitgehend aus – von ein paar Zuckungen vor allem in der nordrhein-westfälischen Politik einmal abgesehen.

Erst das Geld, dann das Wachstum

Journalistische Projekte wie das Recherchebüro Correctiv, die Wochenzeitung Kontext und das Medienmagazin Message, die bereits gemeinnützig sind, mussten deshalb ebenso zusätzlich zur eigentlichen Arbeit Bildungsangebote mache.

Die „Topf voll Gold“-Macher sprechen nun von einer „schönen Erweiterung“ ihrer Arbeit. Wenn jetzt tatsächlich das große Geld kommt, wollen sie wachsen.

Die Rede ist von „ungefähr zehn Leuten, die bereits in den Startlöchern stehen“, darunter vor allem Journalistikstudenten aus Dortmund und Eichstätt. Der „Topf voll Gold“ will seine Beobachtungen in der Regenbogenpresse dann nicht zuletzt systematisch in Beschwerden beim Deutschen Presserat umsetzen. Auch das könnte für die Klatschmagazine unbequem, mindestens aber nervig werden.

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1 Kommentar

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  • Was, zum Henker, soll "gemeinnützig" sein an einem "Journalismus", der sich ausschließlich um betuchte Promis kümmern will – und natürlich um seine Macher?

     

    Nach geltendem Recht ist eine Tätigkeit nur dann gemeinnützig, wenn sie "darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern." Nun sind erstens, Promis keine Allgemeinheit sondern höchstens eine Gemeinheit allgemeiner Art, zweitens galten Klatsch und Tratsch bisher noch nicht als (förderfähige) sittliche, geistige oder materielle Güter, und drittens ist es gerade NICHT selbstlos, einen Topf aufzustellen, aus dem sich ausschließlich der Besitzer selbst bedienen kann und in den nur solche Leute einzahlen, die dafür was kriegen. Das ist Geschäft und bleibt Geschäft - und also hoffentlich auch morgen noch steuerpflichtig. Die Allgemeinheit muss ja schließlich auch ohne die privaten Steuersparmodelle von Mats und Moritz schon genügend knausern. An Dingen wie Kitas, Schwimmbädern oder Sportplätzen beispielsweise, die tatsächlich jeder nutzen kann, so lange er (noch) kein eigenes Stadion, kein eigenes Spaßbad und noch kein Heer privater Kindermädchen besitzt.