piwik no script img

Alter, Zeitalter und ModeAchtung bei der Schluppenbluse

Im Alter wird die Klamottenfrage individueller beantwortet. Das liegt an unserem Mode-Gedächtnis. Wie gut, wenn man alten Style eingelagert hat.

Davon rät die Frauenzeitschrift ab: „Was Sie älter macht: Schluppenblusen“ Foto: Joseffson/Westend61/imago

A nti-Aging-Ratschläge können der Horror sein, da robbt sich die Todesangst schon heran. Lange Strickjacken, Tweed, Neonfarben, Perlohrringe seien unbedingt zu vermeiden, um nicht alt auszusehen, verkündete eine Website. „Was Sie älter macht: Schluppenblusen“, warnte die Frauenzeitschrift Freundin. Brigitte-Wir, das Magazin für Frauen um die 70, empfahl wiederum in der neuen Modestrecke: Schluppenblusen. Mit großen Schleifen am Hals in Blau, Weiß und Grün, als wäre man ein verpacktes Geschenk. Ich fand die Fotos trotzdem cool.

Die Altersforschung sagt, 70-Jährige seien heterogener als 30-Jährige, das habe was mit Genetik plus Persönlichkeit plus Lebenserfahrung zu tun. Auch die Klamottenfrage wird individueller beantwortet. Wobei einem die aktuellen Trends entgegenkommen. Erinnert sich noch jemand an die 60er, 70er Jahre, als Hosen aus Elastikstoff und mit Gummiband in der Taille und „Bequemschuhe“ mit dicken Kreppsohlen klare Zeichen waren, dass man irgendwie alt und ausgemustert war? Vorbei. „Relaxing Fit“ ist cool. „Work-Life-Balance“: Man kann in Dehnhosen mit Kordel in der Taille ins Büro gehen und wirkt super hip. Wer in Skechers-Schlupfschuhen mit Softfußbett und nur angedeutetem Schnürband herumschleicht, ist ganz up to date. Ich trage wie alle Teenies coole wirbelsäulenfreundliche Rucksäcke.

Das modische Spektrum erweitert sich mit den Jahren, auch weil man ein Stilgedächtnis hat. Ich zum Beispiel habe Nostalgietage: Da trage ich meine 35 Jahre alte schwarze Strickjacke von Rocky mit dem feinen grauen Rand am Kragen. Dazu benutze ich ein Männerparfüm, „Blanc“ von Lacoste, nur an diesem Tag, und fühle mich frei und neu erfunden. Meine Freundin Hille hat gerade ihre Outdoor-Phase beendet: Drei Jahre lang lief sie im Jack-Wolfskin-, Patagonia- und Fjällräven-Look herum. Es gebe ihr ein Gefühl, das Leben sei wild, hatte sie gestanden. Doch jetzt hat Hille den urbanen „Lagenlook“ entdeckt und trägt eine kurze Strickjacke über einem langen roten T-Shirt, dazu einen gelben Loop-Schal. „Color-blocking“ meint sie, „Ton in Ton ist gerade nicht angesagt.“

Zum Lebenslauf passt die eigene historische Kleidersammlung. Bei mir ruht so einiges in den Ikea-Aufbewahrungstaschen „Skub“ unterm Bett: ein Dufflecoat mit Knebelknöpfen (irgendwann bestimmt mal wieder angesagt), das rote Sweat-Kleid in O-Form (kommt mir derzeit etwas zu trutschig vor), ein uralter Popeline-Anorak mit Strickkragen von meiner Tante (ein Lieblingsstück, aber schonungsbedürftig). Ärgerlicherweise habe ich eine teure Designerjeans mit Schlag, neun Jahre alt, voreilig in die Altkleidertonne geworfen. Dabei ist Schlag jetzt wieder sehr „in“. Lagern Sie ein, es kommt alles wieder!

„Kleidung hilft, sich selbst zusammenzuhalten“, sagt der Tiroler Stardesigner Andreas Kronthaler (56), verheiratet mit Punkmo­de­ikone Vivienne Westwood (81). Er läuft gerne in Tiroler Lederhosen rum. Das kann natürlich auch passen, manchmal.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Erheiternd ist ja auch mal schön...



    Glücklicherweise kann ich die Berufsbekleidung noch 20 Jahre auftragen, bis ich mich zwischen "Schuppenbluse" und Perlohringen entscheiden muss.



    Dank der kurzweiligen Informationen, bin ich nun gut gerüstet für die kommende Probemstellung und kann mir den nächsten Friseurbesuch samt Lektüre sparen.



    Meine Partnerin meinte allerdings jüngst, manchmal sei Mehr einfach Mehr, daher sind Selbstexperimente mit Rasierer am Hinterkopf weniger empfehlenswert.



    Früher hieß es punk, heute wächst es nach ( zum Glück!)...

  • Nicht nur das Wetter, auch das Klima wird wärmer. Wer mit dem Trend geht trägt rustikalen Lendenschurz aus Naturfell. Dieser legere Look umgibt sie nicht nur mit einer Aura von Conan, sondern sorgt zugleich auch für belüftetes Achselhaar.



    Wer sich in der Masse der Jack-Wolfskin-Träger wohltuend hervorheben möchte greift diese Saison zum ABC-Vollschutz. Angesagte Trendfarben wie knallgelb und matsch-olive setzen selbst im tiefesten nuklearen Winter aparte Akzente.



    „Kleidung hilft, sich selbst zusammenzuhalten“ und wer öfter mal seine Arme verliert, dem kann mit einer Zwangsjacke geholfen werden. Rückwärtig verknotete Ärmeln bringen sie auf jeder Party spielend ins Gespräch, absehen sollten sie mit diesem Look hingegen von der Teilnahme an Schwimmwettbewerben.

    • @Ingo Bernable:

      ;-) Tja, irgendwie versteht mann das mit die Mode so nich so so ganz, oda ? Besserisses.