Alltagsrassismus bei Schalke 04: Tönnies muss weg
Menschen lügen, manchmal aus Selbstschutz. Andere wie Schalke-Chef Tönnies tun es wissentlich und offenbaren dabei ein menschenfeindliches Weltbild.
M enschen machen Fehler, na klar. Man sagt ab und zu Dinge, die man nicht so meint. Eine kurze Entschuldigung, mein Fehler. Zumindest wenn man ein wenig Respekt für den Gegenüber mitbringt. Schwamm drüber.
Auch Menschen in Führungspositionen machen Fehler. Da sei ihnen was rausgerutscht, heißt es oft. Meist lügen sie jedoch einfach frech. „Ich habe noch keinen einzigen Sklaven in Katar gesehen“, erklärte Franz Beckenbauer 2013, als es um die Stadionbauten in Katar ging. Solch vermeintliche Unwissenheit ist keine Seltenheit.
VW-Chef Herbert Diess etwa erklärte jüngst gegenüber der BBC, dass ihm die Arbeits- und Umerziehungslager für circa 1,5 Millionen muslimische Uiguren in der chinesischen Provinz Xinjiang nicht bekannt seien. Genau in dieser Provinz betreibt VW jedoch ein Werk. Diese Art von Lügen dient dem Selbstschutz. Das ist ja wenigstens menschlich, möchte man sagen, wenn auch falsch.
Anders sieht es aus, wenn jemand nicht nur wissentlich lügt, sondern ein menschenfeindliches Weltbild offenbart. Nicht als Ausrutscher, sondern in einer vorbereiteten Rede. So wie jetzt im Fall von Schalkes Aufsichtsratsvorsitzendem Clemens Tönnies.
Der Sportfunktionär hatte bei einer Veranstaltung als Reaktion auf den Klimawandel gefordert, man müsse zwanzig Kraftwerke in Afrika finanzieren, anstatt höhere Steuern einzuführen. „Dann würden die Afrikaner aufhören, Bäume zu fällen, und sie hören auf, wenn es dunkel ist, Kinder zu produzieren.“ Laut dem anwesenden Reporter erntete Tönnies dafür Applaus.
Tönnies ruderte anschließend zurück. So hieß es in einem Statement: „Vor diesem Hintergrund möchte ich mich explizit bei euch, den Fans, Mitgliedern und Freunden des FC Schalke 04 für meine Aussage beim Tag des Handwerks entschuldigen.“ Die Einzigen, bei denen er sich bis heute nicht entschuldigt hat, sind die, die er rassistisch beleidigt hat.
Eine kurze Recherche zeigt, wie der Mensch Tönnies tickt. So ist er nicht nur Schalke-Boss, sondern auch noch Miteigentümer des zweitgrößten europäischen Schweine-Schlacht-Unternehmens. Jemand, der sich mit den wahren Problemen des Klimawandels auskennen könnte. Auch mit Afrika kennt sich der Großwildjäger laut eigener Aussage bestens aus.
So erklärte er in der Deutschen Jagd Zeitung: „Ich jage auch im Ausland. Meist innerhalb Europas. […] Aber auch in Afrika hab ich so ziemlich die gesamte Palette bejagt.“ Müsste er dann nicht wissen, dass zum Beispiel der Kongo mit seinen durchschnittlich 1,5 Millionen Hektar abgeholztem Wald pro Jahr einer der wichtigsten Rohstofflieferanten Deutschlands ist?
Am Dienstag soll Tönnies ins „Rassismus-Verhör“ (Bild) vor den Ehrenrat des Clubs. Es sickerte durch, dass Tönnies eine begrenzte Auszeit nehmen und dann wiederkehren darf. Jede der millionenschweren Kampagnen gegen Rassismus im Fußball wäre hinausgeworfenes Geld, wenn so jemand im Amt bleibt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren