Alltag im Lockdown: Leistung ohne Ende

Im Lockdown besteht das Leben vor allem aus Arbeit, die schönen Dinge fallen weg, schreibt unsere Autorin. Deshalb hat sie Urlaub gemacht.

Eine Katze liegt mit geschlossenen Augen auf dem Sofa

Im Lockdown muss man sein Selbst nicht optimieren, man kann auch chillen wie diese Katze Foto: imago

Während des Lockdowns habe ich Urlaub gemacht. Mein Freund arbeitete im Homeoffice. Ich lag daneben auf dem Sofa, in den Ferien, und fragte mich: Wie geht das?

Normalerweise fahre ich weg, um mich zu erholen. Oder hätte mir jetzt mal die Museen angeschaut, in die ich im Alltag nie komme. Unter diesen Umständen musste ich mir etwas Neues überlegen und habe mir nur Eines vorgenommen: Ich bin absolut unproduktiv, ich mache nichts, was ich mal tun sollte, ich mache nur, worauf ich Lust habe. Produktiv sein, das war ich schon seit März, weil Routine is what keeps you going in Zeiten like this, weil mit neuen Routinen, mit neuen Fähigkeiten ist dieses Pandemiejahr nicht ganz verloren.

Ich war gut im Corona-Produktivitätsgame. Ich habe meinen Kleiderschrank und die Abstellkammer neu sortiert. Ich habe Planks und Crunches gemacht und sehe jetzt meinen Trizeps. Ich habe sogar weiter Arabisch gelernt. Bis mir meine gute Laune und meine Kraft verloren gingen.

Was ist das für ein Leben, in dem man nur noch lohnarbeitet und lohnarbeitet und an sich arbeitet und schläft. Leistung, das war schon vorher die Währung unserer Welt. Seit Corona gibt es nur noch Leistung, weil es das meiste Spaßige nicht mehr gibt, Partys zum Beispiel, Kino, Theater, Kneipen.

Bei Selbstoptimierung gibt es kein Ende

Ich schaue ein Interview mit Pamela Reif, Fitness-Influencerin, fast sieben Millionen Follower:innen auf Instagram. Sie arbeite jede Woche sieben Tage, Wochenende mache sie nicht, sagt sie. Und das letzte Mal Urlaub? „Kann ich mich nicht erinnern.“ Wie man das schafft, was sie schafft? Disziplin, harte Arbeit, für die Sache, an sich selbst.

Arbeite hart, so funktioniert das hier, damit was aus dir wird. Arbeite härter, damit du auch als Frau weit kommst. Arbeite noch härter, weil von Rassismus betroffene Menschen das müssen. Hat sich der Kapitalismus so in unsere Gehirne gefressen? Immer zu arbeiten, für die Sache, an uns selbst, damit wir – ja was eigentlich? Nicht verhungern? Uns keine Sorgen machen müssen? Überhaupt erst jemand sind?

In einem sehr langen Podcast, den ich mit der Autorin Juli Zeh höre, sagt sie: Diese Idee von der totalen Selbstoptimierung hat sich erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten entwickelt. Das Problem dabei: Es gibt kein Ende. „Es gibt nicht den Punkt, wo man zufrieden ist. Jetzt bin ich sportlich genug oder leistungsfähig genug. Sondern es geht immer weiter. Der Zielpunkt ist in Wahrheit nicht die Seligkeit, sondern das Verderben“, sagt Zeh.

Was ich dann in meinen Ferien gemacht habe? Vor allem viel geschlafen. Am letzten Urlaubstag bin ich um 7.30 Uhr aufgewacht und hatte richtig Lust, diese Kolumne zu schreiben. Das ist wohl die Ironie daran: Wenn man nur Dinge tut, die Spaß machen und wenig Kraft kosten, kriegt man irgendwann auch wieder Lust auf die Dinge, die viel Kraft kosten. Immer zu leisten, macht noch nicht mal im Kapitalismus Sinn.

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Susan Djahangard arbeitet von Hamburg aus als freie Journalistin. Für die taz schreibt sie vor allem die Kolumne "Sie zahlt" über Feminismus, Geld und Wirtschaft.

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