Allianzen auf der Klimakonferenz: Wer mit wem?
In der zweiten Woche der Pariser Klimakonferenz entstehen neue Bündnisse. Sie entscheiden über den Ausgang der Verhandlungen.
In der zweiten Woche der Pariser Klimakonferenz werden die Verhandler neue Allianzen schmieden, die über diese traditionellen Gruppen hinausgehen. Diese Bündnisse sind entscheidend für den Ausgang der Klimakonferenz: Sie entfalten eine neue Dynamik und verschieben Verhandlungs- und Konfliktlinien. Ob die Allianzen an Maximal- oder Minimalzielen ausgerichtet sind, ist entscheidend für den Ausgang der Konferenz von Paris.
In Durban beispielsweise kooperierte die Europäische Union mit der Gruppe der kleinen Inselstaaten und am wenigsten entwickelten Länder. Die USA kollaborierte mit der Gruppe der größten Schwellenländer, den BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika).
Beim Treffen der Staatschefs zu Beginn der Pariser Klimakonferenz traf sich Präsident Obama mit Vertretern der kleinen Inselstaaten; ein Bündnis der USA und diesen kleinen Staaten scheint zumindest beim Thema Klimafinanzierung denkbar. Es ist aber kein Bündnis, das die Verhandlungen bestimmen wird.
USA gemeinsam mit China
Bereits ein Jahr vor der Klimakonferenz verkündeten China und die USA bei einem bilateralen Treffen gemeinsame Emissionsziele und das Vorhaben, die Erderwärmung auf 2 Grad zu beschränken. Innerhalb der Klimaverhandlungen wird die Verbindung beider Staaten daher auch G2-Bündnis genannt. Beobachter trauen China und den USA zu, gemeinsam das Ruder in Paris zu übernehmen.
Der Erde droht der Hitzekollaps. Deshalb wollen die Staatschefs der Welt Anfang Dezember in Paris einen globalen Klimaschutz-Vertrag vereinbaren. Die taz berichtete vom 28. November bis zum 14. Dezember 2015 täglich auf vier Seiten in der Zeitung und hier auf taz.de.
Sie sind die beiden Staaten mit dem größten Schadstoffausstoß und gleichzeitig die finanzstärksten Länder. Das bilaterale Statement von China und USA skizziert bereits sehr deutlich, wie ein Abkommen unter der Regie beider Mächte aussehen könnte: Es würde kaum auf ein Null-Emissionen-Ziel bis zum Ende des Jahrhunderts abzielen und noch weniger auf hundert Prozent erneuerbare Energien bis 2050.
Das Bündnis der EU
Bereits in der ersten Woche sprachen sich einige EU-Staaten dafür aus, die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad zu begrenzen. Das war so etwas wie ein erster öffentlicher Flirt mit den Inselstaaten.
Die Europäische Union und ein Bündnis von 79 afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten haben am Dienstag ein neues Bündnis verkündet. Insgesamt über 107 Staaten sind bisher teil davon.
Das Bündnis hat vier Kernforderungen: Ein Klimavertrag muss verbindlich sein und soll sich zum Ziel setzen die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Die bisherigen Klimaschutz-Ziele sollen alle fünf Jahre überprüft werden. Viertens soll regelmäßig überprüft werden, ob die nationalen Klimaschutzzusagen auch eingehalten werden.
Laut Medienberichten könnte dieses Bündnis jedoch noch weit größer werden: Seit Sommer diesen Jahres gab es offenbar geheime Treffen auf Ministerebene. Nach dem Schulterschluss mit den afrikanischen, karibischen und pazifischen Staaten will die EU nun auch die USA mit ins Boot holen sowie eine Reihe lateinamerikanischer Staaten. Gespräche dazu waren am Mittwoch nach Angaben aus EU-Kreisen im Gange. Gleichzeitig wurde mit Spannung ein neuer Textentwurf für einen Weltklimavertrag erwartet. Ein solch großes Verhandlungsbündnis wäre eine Neuheit und hätte enormen Einfluss.
Der amerikanische Außenminister John Kerry sagte, sein Land verkünde an diesem Tag formell die Teilnahme an einer Koalition der Ehrgeizigen. Was er damit meinte, machte Kerry nicht deutlich. Bei früheren Auftritten hatte US-Verhandler Todd Stern mit dieser Formulierung eine Allianz mit den am wenigsten entwickelten Staaten, bestimmten Entwicklungsländern, der EU und einer Gruppe von Industrieländern bezeichnet.
Was liegt bisher auf dem Tisch?
Besonders stark betroffene Staaten fordern, dass eine maximale Erderwärmung um 1,5 Grad bis zum Ende des Jahrhunderts festgeschrieben wird. Diese Option ist weiterhin im Rahmenentwurf zum Klimaabkommen enthalten. Zum ersten Mal sprachen sich in Paris auch Industriestaaten dafür aus, einschließlich Deutschland, Frankreich und Kanada.
Bereits heute richtet der Klimawandel unwiederbringlichen Schaden an – sei es weil Ackerland zu Wüste wird oder der steigende Meeresspiegel Inseln überspült. Die betroffenen Länder fordern deshalb finanzielle Entschädigungen. Die gute Nachricht ist: Das Streichen von „Loss & Damage“, wie es im Verhandlungssprech heißt, ist keine Option mehr. Unsicher ist weiterhin, ob Entschädigung für Klimaschäden ein eigenständiger Teil des Klimavertrags sein wird.
Was fehlt bisher?
Schon im Vorfeld der Pariser Klimakonferenz reichte ein Großteil aller Staaten nationale Klimaschutzpläne ein. Das Abkommen von Paris baut wesentlich auf diesen Klimaschutzplänen (INDCs) auf. Sie sind aber weit davon entfernt, die Erwärmung auf 2 oder gar 1,5 Grad zu beschränken und laufen aktuell auf etwa 3 Grad Erwärmung hinaus.
Die meisten Beobachter und viele Staaten fordern deshalb einen sogenannten Ambitionsmechanismus: Alle fünf Jahre sollen bisherige Klimaschutzziele überprüft und ehrgeiziger formuliert werden. Der aktuelle Entwurf sieht aber keine Nachbesserung an den Klimaschutzzielen bis 2024 vor. So würden unzureichende Klimaschutzpläne für die nächsten neun Jahre festgelegt.
Seit dem ersten Klimagipfel wird bei den Klimaverhandlungen zwischen Entwicklungs- und Industrieländern unterschieden. Diese Differenzierung beruht noch heute auf den Wirtschaftsdaten von damals. Katar und Singapur gelten immer noch als Entwicklungsländer, obwohl sie eines der höchsten Pro-Kopf Einkommen überhaupt haben. Besonders die USA werden einem Klimadeal nicht zustimmen, wenn diese Länder als Entwicklungsländer geführt werden und somit weniger Verantwortung übernehmen müssen.
Andreas Sieber ist 24 Jahre alt und wird während der Klimakonferenz in Paris mit dem journalistischen „Climate Tracker Stipendium“ gefördert.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!