Alleen werden abgeholzt: Dein Feind, der Baum
Weil sie eine tödliche Gefahr für Autofahrer sind, müssen Bäume immer öfter weichen. Eine neue Abstandsregel erschwert Neupflanzungen.
Die Straßenbäume an den Alleen in Deutschland sind zunehmend gefährdet. Davon jedenfalls sind die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW) und der Deutsche Naturschutzring (DNR) überzeugt. Seit Einführung einer neuen Straßenbau-Richtlinie im Jahr 2009 seien mittlerweile die Beschwerden über Baumfällungen sprunghaft gestiegen, sagte DNR-Generalsekretär Helmut Röscheisen am Montag in Berlin. Genaue Zahlen über Baumfällungen gebe es bundesweit keine, da sie nicht erhoben würden. Aber: „Der Alleen-Schatz ist gefährdet.“
Hintergrund seien die bundesweiten „Richtlinien für passiven Schutz an Straßen durch Fahrzeug-Rückhaltesysteme“ von 2009, die eigentlich nur für Neu- oder Ausbauvorhaben gelten sollten, aber in den Bundesländern und Landkreisen aus Unsicherheit zunehmend auch für bestehende Straßen angewendet würden, so Röscheisen.
Der Unterschied zur vorherigen Regelung ist beträchtlich: Statt 4,50 Meter soll nun bei Neupflanzungen ein Abstand von 7,50 Metern vom Fahrbahnrand gelten, damit Autos bei einem Unfall nicht sofort gegen Bäume prallen. Damit werden Neupflanzungen häufig erschwert, da die Grundstückseigner gar nicht die nötigen Flächen hergeben. Zudem scheuen die Straßenbauämter solche großzügig angelegten Straßen: Die größere Fläche, die sie künftig regelmäßig mähen lassen müssen, verursacht zusätzliche Kosten.
„Haupttreiber für die völlig überzogene Abholzung von Straßenbäumen ist der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft“, so Röscheisen. Er versuche immer wieder, die Gefährlichkeit von Straßenbäumen zu belegen. Die Hauptursache für tödliche Baumunfälle sei aber überhöhte Geschwindigkeit. „Eine Straße, die jeden Fehler verzeiht, kann es nicht geben.“ Eine gewisse Eigenverantwortung müssten die Verkehrsteilnehmer schon übernehmen.
SDW-Geschäftsführer Christoph Rullmann warnte vor „einem schleichenden Tod der Alleen“. Allein im alleereichen Brandenburg seien von 2010 bis 2012 insgesamt 11.025 Bäume gefällt, aber nur 9.765 neu gepflanzt worden. Straßenbäume seien aber ein prägendes Element des Landschaftsbildes und wegen der intensiven Landwirtschaft ein immer wichtiger werdender Lebensraum für Tiere. Zudem seien sie für Touristen attraktiv.
Das Bundesverkehrsministerium weist die Kritik der Naturschützer zurück. Der Erhalt der Straßenbäume sei nach wie vor ein wichtiges Ziel, so ein Behördensprecher. Um Bäume zu schützen, stünden an den Bestandsstrecken von Bundesfernstraßen bauliche, verkehrstechnische oder straßenverkehrsrechtliche Maßnahmen im Vordergrund. „Das Entfernen von Bäumen ist dabei nur als Ultima Ratio zu sehen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Selbstzerstörung der FDP
Die Luft wird jetzt auch für Lindner dünn
Stellenabbau bei Thyssenkrupp
Kommen jetzt die stahlharten Zeiten?
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Iran als Bedrohung Israels
„Iran könnte ein Arsenal an Atomwaffen bauen“