Algerische WM-Prämie für Gaza: Propagandistische Spende
Gerüchten zufolge soll die algerische Nationalmannschaft ihr WM-Preisgeld der Bevölkerung von Gaza zukommen lassen. Alles nur ein Twitter-Gag?
BERLIN taz | Islam Slimani sorgte nicht nur am Montagabend im Strafraum der deutschen Nationalmannschaft für Furore. Auch im Anschluss an das nur knapp verlorene Viertelfinale überschlugen sich die Nachrichten zu seiner Person. Angeblich soll er verkündet haben, dass die algerische Nationalmannschaft ihre Prämie in Höhe von 9 Millionen US-Dollar an die Bevölkerung von Gaza spenden wolle.
Vor dem Hintergrund einer sich zuspitzenden Lage im Nahen Osten, machte die Nachricht schnell die Runde. The Independent, Newsweek und auch die Daily Mail berichteten. Die Geschichte schien ins Bild zu passen. Schließlich wurde beim heimischen Empfang das algerischen Teams in Algier eine Palästina-Flagge am Mannschaftsbus entdeckt. Das Land gilt ohnehin als starker Unterstützer des palästinensischen Unabhängigkeitskampfes. Und algerische Fans stimmen gelegentlich den Gesang „Palästina, die Märtyrer“ im Stadion an.
Von Seiten des algerischen Fußballverbandes, der Fédération Algérienne de Football, gab es bisher jedoch keine Bestätigung des Spenden-Gerüchtes. Auch Slimani selbst hat sich noch nicht öffentlich dazu geäußert. Der Versuch, die Entstehung der Geschichte zu rekonstruieren, endet bei einem Tweet.
Am 30. Juni war es wohl Mohammed El Hadi, der Slimani als erster mit Gaza in Verbindung brachte. Bei Twitter hinterließ er in gebrochenem Englisch eine Nachricht, die man so verstehen könnte: „Die Grünen [die algerische Nationalelf] brauchen das Geld nicht, während es unsere Brüder in Gaza dringend benötigen.“
„Sie brauchen es mehr als wir“
Einen Tag darauf twitterte der jordanische Fußballautor Waleed Abu Nadaschi schließlich über die angebliche Spende. Dazu legte er Slimani folgende Worte in den Mund: „Sie brauchen es mehr als wir.“ Wieder einen Tag später griff das niederländische Algemeen Dagblad die Meldung auf.
Nach Informationen von France Football soll es sich im ein großes Missverständis handeln. So soll die Sängerin Ahlem aus den Vereinigten Arabischen Emiraten den algerischen Spielern 10.000 Dollar im Falle eines Sieges gegen Deutschland angeboten haben. Einige von denen hätten daraufhin verlauten lassen, dass sie dafür keine Verwendung hätten und dass die Kinder in Gaza diese mehr benötigen würden. Aus diesem Verzicht wurde schließlich die vermeintliche Millionenspende. Der Journalist Maher Mezahi fand die richtigen Worte: „Twitter rumour gone mad.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren