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Algerien vor der WahlGegen die „Macht“

Eine weitere Amtszeit des 81-jährigen Bouteflika? In Algerien formiert sich vor der Präsidentschaftswahl eine landesweite Protestbewegung.

In der Hauptstadt Algiers griff die Polizei hart durch und versuchte, Ansammlungen aufzulösen Foto: dpa

Madrid taz | Eine durchgestrichene Fünf: Mit diesem Symbol auf ihren Transparenten gehen seit Freitagvormittag Hunderte Menschen in Algerien auf die Straße. Die Protestierenden wollen eine fünfte Amtszeit von Präsident Abdelaziz Bouteflika verhindern. Für Sonntag sind weitere Proteste geplant.

In der Hauptstadt Algier war der Platz im Zentrum der Stadt bereits am Freitagmorgen von Sicherheitskräften umstellt, die Zufahrtswege wurden abgeriegelt. Dennoch gelang es zahlreichen Demonstranten die Straßensperren zu durchbrechen und durch die Stadt zu ziehen. Auch in zahlreichen Provinzstädten formierte sich Protest.

Der 81-jährige Bouteflika ist schwerkrank und lässt sich kaum noch in der Öffentlichkeit blicken. Dennoch bewirbt er sich bei der für Mitte April geplanten Präsidentschaftswahl einmal mehr um das höchste Amt im Staate.

Die Demonstrationen sind der vorläufige Höhepunkt einer Reihe spontaner Proteste, die nicht abreißen, seit Bouteflika vor knapp zwei Wochen seine erneute Kandidatur verkünden ließ. „Ein Wind des Zorns bläst durch das Land“, titelte die Tageszeitung El Watan am Donnerstag.

Seit einem Schlaganfall 2013 sitzt Bouteflika im Rollstuhl. Internationale Gäste empfängt er nur noch selten und reist schon lange nicht mehr – wenn doch, dann in der Präsidentenmaschine nach Frankreich oder die Schweiz, um sich untersuchen oder behandeln zu lassen.

Auch am kommenden Sonntag fliegt er in eine Klinik nach Genf, just wenn zu Hause seine Gegner erneut auf die Straße gehen werden. Um den Protesten etwas entgegenzusetzen, zeigte das algerische Staatsfernsehen am Donnerstag Aufnahmen von Bouteflika bei der Vereidigung des neuen Präsidenten des Verfassungsrates. Eine Ansprache hielt der Staatspräsident nicht, denn das Sprechen fällt Bouteflika schwer.

Plakate zeigen den Bouteflika von damals

Auf den Wahlplakaten freilich ist ein ganz anderer Mann abgebildet: Fester Blick, entschlossener Gesichtsausdruck – es ist das Bild des Bouteflikas, der 1999 erstmals gewählt wurde und damals den blutigen Konflikt zwischen Islamisten und der algerischen Armee beendete, indem er eine Amnestie erließ und die Kämpfer aus den Bergen wieder ins zivile Leben zurückholte.

„Natürlich habe ich nicht die gleiche körperliche Kraft wie früher“, heißt es in einer mehrere Seiten langen Erklärung, die Bouteflika verbreiten ließ, als er seine erneute Kandidatur öffentlich machte. „Aber der unerschütterliche Wunsch, dem Vaterland zu dienen, hat mich nie verlassen und erlaubt es mir, die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den gesundheitlichen Problem zu überwinden.“

„Staatsstreich“ nennen Bouteflikas Gegner die Bewerbung um eine fünfte Amtszeit in ihren Protestaufrufen. Bereits bei der letzten Präsidentschaftswahl vor fünf Jahren war Bouteflika schwerkrank, ließ sich aber dennoch erneut wählen. Die mächtige ehemalige Einheitspartei FLN, wichtige Teile der Armee und einflussreiche wirtschaftliche Eliten unterstützten Bouteflika damals wie heute.

Es sind diese Eliten, die keine Alternative zu Bouteflika sehen, der sich bereits in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit 1962 als Außenminister einen Namen machte. Bouteflika hält die unterschiedlichen Familien dessen zusammen, was die Algerier schlicht „die Macht“ nennen. In seinem Schatten lenken sie das Land und teilen sich die Einflusssphären untereinander auf. Der Mann im Rollstuhl ist ein Garant für ein sensibles Kräfteverhältnis im Land.

Bouteflikas Bruder krebskrank?

Die Seilschaften in Algerien haben bisher stets dafür gesorgt, dass der Kandidat der „Macht“ – in den letzten zwanzig Jahren Bouteflika – gegen eine schwache und zersplitterte Opposition gewinnt. Auch dieses Mal wird sich daran wohl nichts ändern, auch wenn insgesamt 94 Kandidaten ihre Bewerbungsbögen abgeholt haben und jetzt Unterschriften sammeln, um am 18. April antreten zu können.

Bis vor wenigen Wochen waren sich die meisten Algerier einig, dass der eigentliche starke Mann im Staat Bouteflikas jüngerer Bruder sei. Doch auch Said Bouteflika hat sich in den letzten Monaten kaum noch sehen lassen. Die Presse will von einer schweren Krebserkrankung erfahren haben. Said Bouteflika sei in Frankreich in Behandlung. Die tatsächlichen Machtstrukturen in Algerien werden dadurch nicht einfacher zu durchschauen.

Dieser Text wurde zuletzt aktualisiert um 15.56 Uhr.

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