Alexandra Mostyn über die tschechischen Regionalwahlen: Tschechien wird zur Holding
Nach dem Erfolg seiner Bewegung ANO in den Regionalwahlen am Wochenende darf sich Andrej Babiš zu Recht als heißer Favorit für die tschechischen Abgeordnetenhaus-wahlen im kommenden Jahr fühlen. Die noch regierenden Sozialdemokraten werden sich bis zum Wahltermin im Oktober 2017 kaum von der Ohrfeige erholt haben, die ihnen der Wähler jetzt erteilt hat.
Zudem ist Ministerpräsident Bohuslav Sobotka ziemlich farblos. Und die einzige wirklich glaubwürdige Persönlichkeit im Dunstkreis der tschechischen Sozialdemokratie, Gewerkschaftsboss Josef Středula ziert sich derzeit noch vor dem Sprung ins Haifischbecken der Parteipolitik.
Freie Fahrt für Finanzminister und Oligarch Babiš also, der zudem auch noch auf die Unterstützung von Staatspräsident Miloš Zeman zählen darf. Auf dem internationalen Parkett würde Babiš als Regierungschef ziemlich schlittern. Nicht nur weil er sich seit seinem Einstieg in die hohe Politik 2013 zu sehr um den Ausbau seiner Machtbasis im Inland gekümmert hat, um sich um internationale Angelegenheiten zu sorgen. Sondern auch weil er, der den Staat wie eine Firma lenken will, Probleme mit seinen verschiedenen Interessengruppen bekommen könnte.
Zum einen sind da die Wähler. Die rekrutieren Babiš und seine ANO, die auch gerne als politischer Flügel der Agrofert Holding bezeichnet wird, eher in den Wählerkreisen, die einen autoritäreren Regierungsstil bevorzugen und ein starkes Russland als hervorragende Alternative zur EU betrachten. Andererseits ist sowohl Tschechien als auch die Agrofert auf eine funktionierende EU angewiesen: Das Land profitiert von dem gemeinsamen Markt, die Holding von ihren Subventionen.
Mit denen geht Babiš übrigens auch nicht immer staatsmännisch um: Er steht im Verdacht, beim Bau seines Prestigeprojekts, des Hotelkomplexes „Storchennest“, EU-Gelder missbraucht zu haben.
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