Alexandra Mostýn über den slowakischen Ministerpräsidenten: Rücktritt nach vorn
Wie symbolträchtig, dass ausgerechnet die Iden des März den Fall des slowakischen Ministerpräsidenten Róbert Fico brachten. Wie endgültig der ist, bleibt abzusehen. Fico ist nicht zurückgetreten, um Geschichte zu sein. Er hat die Entscheidung gefasst, um auf der slowakischen Politbühne eine Zukunft zu haben.
Zwei Wochen lang hat Fico versucht, sich im Regierungsamt in Bratislava an der Macht zu halten. Stur hat er jegliche Verantwortung für den kaltblütigen Doppelmord an dem Journalisten Ján Kuciak und seiner Freundin Martina von sich gewiesen. Was stimmt: Fico trägt natürlich keine direkte Schuld an der Tat, die wahrscheinlich nie aufgeklärt werden wird. Der Mord hat aber in der Slowakei die Büchse der Pandora geöffnet: Das Musterländle Ostmitteleuropas ist ein Sumpf, in dem Politik, Wirtschaft, Justiz und organisiertes Verbrechen in trauter Symbiose vor sich hin gären.
Noch vor einem Monat wurde die Slowakei in Brüssel als der brave Bruder der rebellischen Visegrád-Gruppe verhätschelt: ein Land, das innerhalb weniger Jahre eine unheimlich dynamische wirtschaftliche Entwicklung durchgemacht hat und als enorm investorenfreundlich gilt. Ein Land, das ohne viel Aufhebens schon 2009 und bislang als Einziges in der Region den Euro eingeführt hat und sich keinesfalls so rasant gegen die EU-Flüchtlingsquote stellte wie seine Nachbarn Tschechien, Polen und Ungarn. Und jetzt? Die Situation in der Slowakei sei „beunruhigend“, erklärte das Europarlament.
Die beiden Schüsse, mit denen Ján und Martina professionell hingerichtet wurden, haben eine massive Protestlawine ins Rollen gebracht. Die mag Róbert Fico jetzt aus der Bahn geworfen haben. Aber der Strafrechtsexperte, seit 1992 im Nationalrat, ist ein gewiefter Stratege. Er geht, um die Macht der Partei Smer, der er weiterhin vorsteht, zu erhalten. Auch, um sie in irgendwann mal wieder an sich zu reißen. Diese Iden des März haben Fico ein paar Wunden gebracht. Für politische Nachrufe ist es jedoch noch zu früh.
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