Aktuelle Nachrichten in der Coronakrise: Kiel lockert Maskenregeln
In Schleswig-Holstein gilt künftig keine Maskenpflicht mehr, wo 3G-Regeln greifen. 1.500 NGOs fordern, die UN-Klimakonferenz wegen Corona zu verschieben.
Johnson plant Sozialversicherungsgebühr
Der britische Premierminister Boris Johnson reagiert mit einer Gebühr auf die im Zuge der Corona-Krise gestiegenen Kosten im Gesundheitsweisen. Ein 1,25 Prozent umfassender Aufschlag auf die Sozialversicherungsbeiträge soll ab April 2022 dabei helfen, die Reform zu finanzieren. Johnson betont im Parlament, es gehe dabei um wichtige und zugleich verantwortungsbewusste Entscheidungen: „Es wäre unverantwortlich, die Kosten über höhere Kredite und höhere Schulden zu tragen.“ (rtr)
Schleswig-Holstein lockert Maskenpflicht
Schleswig-Holstein will die Maskenpflicht bei Veranstaltungen, beim Sport und in der Gastronomie abschaffen. Dort greift das sogenannte 3G-Prinzip, wonach nur Geimpfte, Genesene oder Getestete Zugang erhalten. „Überall da, wo 3G in Schleswig-Holstein eingehalten werden kann, gelten in Zukunft keinerlei Beschränkungen mehr“, sagte Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) am Dienstag nach einer Kabinettssitzung in Kiel.
Die Landesregierung aus CDU, Grünen und FDP will damit zum 20. September einen klaren Kurswechsel vollziehen. Sie setzt künftig auf die sogenannte 3G-Regel. Den Plänen zufolge gibt es dann bei Veranstaltungen, im Kino, beim Sport oder in der Gastronomie keine Kapazitätsbeschränkungen mehr. Überall dort, wo die 3G-Regel nicht praktikabel sei wie im Einzelhandel oder im öffentlichen Nahverkehr bleibe es bei den bestehenden Regeln, sagte Günther.
Neben der Sieben-Tage-Inzidenz soll künftig die Belegung der Intensivstationen mit Covid-19-Patienten stärker in den Blick rücken. Derzeit seien nur 2,2 Prozent der möglichen Intensivbetten belegt, sagte Günther. Am Montag hatte die Zahl der Coronaneuinfektionen in Schleswig-Holstein binnen sieben Tagen nach Angaben der Landesregierung bei 50,8 pro 100 000 Einwohnern gelegen. In den Krankenhäusern wurden 67 Covid-19-Patienten behandelt. 19 von ihnen liegen auf der Intensivstation, 16 werden dort beatmet. (dpa)
1.500 NGOs fordern Verschiebung der Klimakonferenz
Wegen der unzureichenden Versorgung von ärmeren Ländern mit Corona-Impfstoff fordert ein Netzwerk aus rund 1.500 Organisationen eine Verschiebung der UN-Klimakonferenz in Glasgow.
Knapp zwei Monate vor der geplanten Konferenz sei „offenkundig, dass eine sichere, inklusive und gerechte Klimakonferenz unmöglich ist“, erklärte am Dienstag das Climate Action Network (CAN), dem rund 1.500 Organisationen, darunter Greenpeace, WWF und Oxfam, angehören. Dies liege am „Scheitern, Tausenden Menschen in armen Ländern Zugang zu Impfstoffen zu verschaffen“.
Ursprünglich sollte die UN-Klimakonferenz bereits im November 2020 stattfinden. Wegen der Coronapandemie wurde die sogenannte COP26 aber um ein Jahr verschoben. Sie ist nun vom 31. Oktober bis zum 12. November in der schottischen Stadt geplant.
Der jüngste Bericht des Weltklimarats IPCC macht deutlich, dass schnelle und umfassende Maßnahmen im Kampf gegen die Erderwärmung nötig sind. Am Montag hatten mehr als 200 weltweit führende Wissenschaftspublikationen davor gewarnt, wegen der Coronapandemie den Kampf gegen den Klimawandel zu vernachlässigen. (dpa)
Merkel kritisiert Scholz und wirbt fürs Impfen
Bundeskanzlerin Angela Merkel wirbt in der letzten Debatte im Bundestag vor der Wahl erneut für das Impfen und kritisiert dabei SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz. „Natürlich war und ist niemand von uns in irgendeiner Form ein Versuchskaninchen“, sagt Merkel mit Blick auf entsprechende Äußerungen von Scholz im Wahlkampf.
Jeder Geimpfte habe ein ausreichend getestetes Vakzin erhalten. Die Politik müsse die Menschen vom Impfen überzeugen „und nicht mit schiefen Bildern von Versuchskaninchen“ argumentieren. Impfen wirke, bringe Freiheit zurück und mindere die Gefahr neuer Mutationen, sagt Merkel und appelliert: „Lassen Sie sich impfen.“ (rtr)
Quarantäneregeln an Schulen gelockert
Die Coronaquarantäne in Schulen soll künftig nur noch für fünf Tage gelten – und auch nicht mehr für ganze Klassen. Dies hat die Gesundheitsministerkonferenz am Montag beschlossen, wie deren Vorsitzender Klaus Holetschek (CSU) mitteilte. Bislang wird die Schulquarantäne bei auftretenden Coronafällen unterschiedlich gehandhabt – mit teilweise strengeren Regeln. Die Reaktionen von Lehrer:innen und Ärzt:innen auf den Beschluss fielen gemischt aus.
Bei Schüler:innen ohne Symptome, die als enge Kontaktpersonen eingestuft werden, kann die Quarantäne bereits frühestens nach fünf Tagen mit einem negativen PCR-Test oder Antigenschnelltest aufgehoben werden, erläuterte Bayerns Gesundheitsminister Holetschek.
Geimpfte und genesene Schüler:innen würden von Test- und Quarantänepflichten komplett ausgenommen, sagte Holetschek. Quarantäne werde in der Schule „mit höchstem Augenmaß“ angeordnet. „Bei einer Corona-Infektion muss also nicht mehr die ganze Schulklasse in Quarantäne.“
„Unser gemeinsames Ziel ist, im neuen Schuljahr so viel Präsenzunterricht wie möglich zu garantieren – bei bestmöglichem Infektionsschutz für alle“, sagte Holetschek. „Wir alle wollen so wenig Quarantäne wie möglich.“
Grundsätzlich bedürfe es neben einem Testkonzept auch Regelungen zum Lüften und zum Tragen von medizinischen Masken. Die jetzt vereinbarte Regelung mit der Möglichkeit einer Freitestung nach frühestens fünf Tagen gelte auch für Kinderbetreuungseinrichtungen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte zuvor beklagt, dass es bislang zum Teil sogar innerhalb der Länder Unterschiede bei der Quarantäne in den Schulen gebe – und zwar wegen der Vorgehensweise der Gesundheitsämter. Manchmal müsse die gesamte Klasse in Quarantäne, manchmal seien es nur die umsitzenden Schüler:innen. Die oft verhängten 14 Tage seien zudem „eine lange Zeit, wenn es um Kitas und Schulen geht“.
Auch Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) plädierte für die Fünf-Tage-Regelung. „Eine große gemeinsame Linie der Länder würde für sehr viel Akzeptanz gerade auch der Eltern sorgen“, sagte sie in Berlin. (afp)
Nicht alle glücklich mit neuen Regeln
Die neuen Beschlüsse der Gesundheitsminister stoßen auf ein geteiltes Echo. Die Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Maike Finnern, hatte schon am Montag der „Welt“ gesagt: „Die Sitznachbarn sollten nur dann für fünf Tage in Quarantäne geschickt werden, wenn im Unterricht Maskenpflicht herrscht und die Freitestung über einen PCR-Test erfolgt.“ Wenn diese beiden Schutzmaßnahmen nicht gegeben seien, „sollte die gesamte Klasse in Quarantäne“, forderte Finnern und warnte: „Wir haben erst September, die heiße Phase der hohen Infektionszahlen wird noch ab Oktober oder November kommen“.
Die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, Ute Teichert, begrüßte die einheitliche Regelung gegenüber der „Welt“ dagegen. „Die Gesundheitsämter haben nun einen einheitlichen Rahmen, an dem sie sich orientieren können“, sagte Teichert.
Empfohlener externer Inhalt
Kritik kam hingegen vom Sprecher des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske. „Wir finden es deutlich sinnvoller, nur das infizierte Kind in Quarantäne zu schicken“, sagte Maske der „Welt“. „Kinder leiden auch bei fünf Tagen unter der Quarantäne, sitzen etwa eine zweistellige Stundenanzahl vor dem Bildschirm“. Die Folgen seien in den vergangenen Lockdowns sichtbar geworden: „Angst-, Zwangsstörungen oder Depressionen“.
Besser wäre es Maske zufolge, die Sitznachbar:in der infizierten Schüler:in täglich vor dem Unterricht per PCR-Test zu testen. „So würden potenzielle Infektionen sofort erkannt werden, statt massenhaft gesunde Kinder nach Hause zu schicken.“
Der „Rheinischen Post“ (Dienstagausgabe) sagte der Kinderarzt: „Daten aus der Vergangenheit zeigen, dass rund 98 Prozent der Quarantänen nicht notwendig gewesen“ wären. Er kritisierte zudem, dass die neuen Quarantäneregeln verspätet beschlossen worden seien: „Die Regelungen kommen für manche Bundesländer sicher zu spät“, sagte er. (afp)
Sieben-Tage-Inzidenz sinkt leicht
Das Robert-Koch-Institut meldet 6.726 neue Positiv-Tests. Das sind 976 mehr als am Dienstag vor einer Woche, als 5.750 Neuinfektionen gemeldet wurden. Die Sieben-Tage-Inzidenz sinkt auf 83,8 von 84,3 am Vortag.
Empfohlener externer Inhalt
59 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit dem Virus. Damit erhöht sich die Zahl der gemeldeten Todesfälle binnen 24 Stunden auf 92.413. Insgesamt fielen in Deutschland bislang mehr als vier Millionen Coronatests positiv aus. (rtr)
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