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Aktivist über Proteste gegen die WM„Der Fußball ist ein Opfer der Fifa“

Caio Lima vom WM-kritischen Comitê Popular da Copa e Olimpíadas do Rio de Janeiro über die eher kleinen Proteste in der ersten Woche des Turniers.

„Pro Fußball und contra WM existieren friedlich nebeneinanderher“, sagt Aktivist Caio Lima Bild: dpa

taz: Herr Lima, im Vergleich zum Juni 2013 sind die Proteste gegen die Weltmeisterschaft sehr klein geblieben. Sind Sie enttäuscht?

Caio Lima: Es gibt sehr viel Protest, in vielen Städten kommt es täglich zu Aktionen. Auf unserer Demonstration zum Eröffnungstag in Rio waren vielleicht 5.000 Menschen, das ist viel für ein fußballbegeistertes Land. Im Übrigen haben sich die Ausgangsbedingungen seit vergangenem Juni stark verändert. Der Staat hat einen riesigen Repressionsapparat aufgefahren, das schreckt viele Leute ab. Allerdings: Diejenigen, die von dieser WM profitieren, sie sind die verschwindende Minderheit. Fifa-Bonzen, korrupte Bürgermeister, Unternehmensmanager – die sind in jedem Fall weniger als wir.

Gehen die Leute nur aus Angst vor Gewalt nicht auf die Straße?

Bestimmt gibt es auch viele, die lieber die Spiele anschauen. Aber sogar dort, wo die Straßen gelb-grün für die WM geschmückt wurden, sind oft Sprüche gegen die WM gesprüht, und sie werden nicht übermalt. Pro Fußball und contra WM existieren friedlich nebeneinander her.

Caio Lima

26, ist Wirtschaftswissenschaftler und Mitglied des WM-kritischen Komitees in Rio, das auch von der taz per Aboprämie unterstützt wird. Mehr möchte er über sich nicht sagen – wie viele in den Komitees mag er sich als Person nicht exponieren.

Gibt es Meinungsverschiedenheiten in der Bewegung darüber, wie der Protest angesichts des WM-Jubels ausgerichtet werden soll?

Im Komitee ist Konsens, dass wir die Missstände sichtbar machen wollen und den Widerstand gegen die dafür verantwortliche Politik stärken wollen. Unser Motto ist nicht mehr die Frage „WM für wen?“. Wir mobilisieren jetzt für „Unsere WM ist die Straße“. Die WM findet ja nun statt, und wir setzen dem eine Alternative entgegen. Andere sagen: „Es wird keine WM geben.“ Das ist nicht unsere Position, aber die inhaltliche Kritik an der Fifa und der Art, wie diese WM organisiert wurde, ist ähnlich.

Wie wichtig nehmen Sie das Argument, die Proteste würden der PT-Regierung in den Rücken fallen und der Rechten in die Hände spielen?

Unsere Kritik bezieht sich auf die Nachteile, die die WM für die Bevölkerung bedeutet. Das ist keine Unterstützung der Rechten oder deren Kandidaten bei der kommenden Präsidentschaftswahl.

Das Komitee hatte geplant, alternatives Public Viewing zu veranstalten. Warum klappt das nicht?

Das ist in meinen Augen eine der besten und radikalsten Aktionsformen, um die Fifa und deren Sponsoren zu entlarven. Wir nehmen uns das Schöne, das Populäre am Fußball und lassen das kommerzielle, elitäre Fußballverständnis der Fifa ins Leere laufen. Der erste Test hat viel Anklang gefunden, aber intern gab es auch Kritik. Einige sagten, wir würden der Fifa auf dem Leim gehen, wenn wir die von ihr organisierten Spiele auf unseren Veranstaltungen übertragen. Für mich reproduziert diese Kritik genau die Zweiteilung, die Regierung und Presse propagieren: Entweder du guckst Fußball oder du protestierst gegen die WM.

Ist es aber nicht wirklich so?

Nein! Der Fußball ist ein weiteres Opfer der Fifa, die ihn wieder zu einer Angelegenheit der Oberschicht machen will. So wie es einst war, als er aus England nach Brasilien kam und nur Reiche und Weiße mitspielen durften. Diese Aktionsform ist der Versuch, diese Aufspaltung zu überwinden. Aber wir hatten leider auch organisatorische Probleme, es ist einfach viel zu viel zu tun in diesen Tagen. Es wird bestimmt noch mal ein alternatives Public Viewing geben.

Ist die Strategie der Regierung, den Protest mit Gewalt, Jubel und Patriotismus zu ersticken, aufgegangen?

Nicht wir sind in der Defensive, sondern die Regierung. Die ganzen sozialen Widersprüche, die sind auf dem Tisch und werden dort auch bleiben. Das hat die Regierung, die WM und Olympia als Jubelfeiern wollten, nicht vorhergesehen. Jetzt versuchen sie nur mit allen Mitteln zu retten, was zu retten ist.

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