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Aktionswoche Görlitzer ParkOffener Park statt Zaunbau

Beim Sozialgipfel im Görli diskutieren Anwohnende und Experten über Probleme und Lösungen. Eine Mauer will hier niemand.

Fahrrad-Demo gegen den Zaun-Bau Foto: Florian Boillot

BERLIN taz | Trotz brütender Hitze kamen rund 120 Interessierte in den Görlitzer Park, die sich am ehemaligen Pamukkale-Brunnen verteilten. Im Rahmen ihrer Aktionswoche gegen den geplanten Zaunbau hat das Bündnis Görli Zaunfrei am Dienstagnachmittag zum Sozialgipfel geladen. Unter den Gästen sind neben Anwohnenden auch zwei Vertreter der Linkspartei – und ein verwirrter Mann, der, mal zum Ärger, mal zur Belustigung der Anwesenden, laut herumschrie.

Im Gegensatz zum Sicherheitsgipfel des Senats vor fast genau einem Jahr fand die Diskussion mit Ex­per­t*in­nen aus der praktischen Arbeit in aller Öffentlichkeit statt. In mehreren Kleingruppen wurde zunächst über verschiedene Aspekte der Nutzung des Parks diskutiert. Etwa die Situation für FLINTA* oder Schwarze Menschen sowie die zunehmende Crack-Problematik. Mit Abstand am besten besucht war die Gruppe „Was tun, wenn Leute im Treppenhaus Drogen konsumieren?“, in der Anwohnende nach Lösungen suchten.

In der anschließenden Podiumsdiskussion räumte Dirk Schäffer von der Deutschen Aidshilfe ein, dass es für die Probleme im und um den Görli keine einfachen Lösungen gebe. Doch die Herausforderungen könne man nicht mit einem Zaun lösen, ist er überzeugt. Auch Astrid Leicht, Geschäftsführerin von Fixpunkt, meint, dass es sich der Senat zu leicht mache: „Komplexe Probleme kann man nicht mit einer Maßnahme und auch nicht schnell beheben“, urteilte Leicht, die schon vor Jahren ein Handlungskonzept für den Görlitzer Park mit erarbeitet hat.

Multiple Probleme

Der Görli sei ein sozialer und kultureller Ort für die westafrikanische Community, ergänzte Moro Yapha. Er ist interkultureller Mediator im Park. Doch viele von ihnen hätten mit Problemen wie Wohnungslosigkeit, fehlenden Papieren oder fehlender Arbeitserlaubnis zu kämpfen. Einige der Drogenhändler wären zudem selbst abhängig. Dagegen helfe keine Mauer.

Der Zaun wird vom Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) auch mit dem Schutz von Frauen begründet. „Die Gewalt findet im Privaten statt“, stellte Stadtforscherin Stephanie Bock klar. Der Angst von Frauen im öffentlichen Raum könne im Görli mit einer guten Parkgestaltung begegnet werden. Ihr Vorschlag, die Mauern einzureißen, statt zu schließen und Gebüsche stärker zu beschneiden, stieß jedoch nicht bei allen auf Gegenliebe.

Für den Kriminologen Tobias Singelnstein ist der Görlitzer Park ein „interessanter Ort“: „Es gibt Nutzungskonflikte, es gibt soziale Probleme – es ist aber auch einfach eine Grünanlage in Berlin, ein ganz normaler Ort.“ Schon seit Jahren werde der Görli vor allem als Sicherheitsproblem gesehen. Befeuert durch die Medien habe die Politik den Eindruck, sie müsse Sicherheitsbedürfnisse auch von Leuten befriedigen, die den Park nur aus der Zeitung kennen. „Dadurch findet eine politische Debatte statt, die eigentlich nicht an der Lösung der Sachfragen vor Ort interessiert ist, sondern vor allem symbolische Maßnahmen generiert, um die öffentliche Debatte zufriedenzustellen und zu zeigen, dass man etwas unternimmt.“

Die angeregte Diskussion setzte sich bis Sonnenuntergang fort. Zwischendurch radelt ein Mann vorbei, auf dessen Gepäckträger drei Kinder sitzen, die rufen: „Der Görli bleibt auf!“ Am Ende steht zwar nicht die eine Lösung, aber mehrere Vorschläge. Stadtpolitik von unten statt Law and Order von oben, bringt es die Moderatorin auf den Punkt. Das sehen freilich nicht alle An­woh­ne­r*in­nen so, von denen einige die Wirksamkeit von rein sozialen Maßnahmen bezweifeln. Ob es nicht auch mehr Polizei brauche? „Die Polizeipräsenz wird seit Jahren verstärkt und das macht es nur schlimmer“, wirft jemand anderes ein.

Die Aktionswoche geht noch bis Sonntag, wo sie „mit lustigen Spielen“ wie Zaunzerschneiden oder Farbbeutelwerfen endet.

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