Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit: Niemand soll mehr wohnungslos sein
Etwa 50.000 Menschen leben auf der Straße. Nun hat das Kabinett einen ersten Aktionsplan beschlossen – mit teils vagen Formulierungen.
Sie will den Nationalen Aktionsplan gegen Wohnungslosigkeit vorstellen, hat das Thema zur Chefinnensache erklärt: „Die Herausforderungen der Wohnungslosen sind so komplex, dass wir die Kommunen damit nicht mehr länger alleinlassen können“, sagt sie. Das Ziel: Bis 2030 soll keiner mehr ohne Wohnung sein. Vor dem Hintergrund der großen Wohnungsnot, insbesondere im sozialen Wohnungsbau, fühlt sie sich als Bauministerin verantwortlich.
Denn eigentlich sind Länder und Kommunen dafür zuständig, Obdachlosigkeit zu bekämpfen. Beteiligt am Plan waren nun Bund, Länder und nichtstaatliche Akteure, unter anderem die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W), die Freie Wohlfahrtspflege oder der Deutsche Mieterbund. Dieser Plan ist also der erste Versuch, gemeinsame Leitlinien für „diese große gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ zu formulieren.
Rund 180.000 der Wohnungslosen seien zum Beispiel in Notunterkünften untergebracht, darunter rund 47.200 Kinder und minderjährige Jugendliche, sagt Ministerin Geywitz. Zudem lebten schätzungsweise rund 86.700 Personen auf der Straße oder seien bei Freunden untergekommen. Wie viele es tatsächlich sind, weiß niemand so genau.
Krankenversicherung und Zugang zu Internet
Die Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe (BAG W) schätzt hingegen, dass aktuell über 600.000 Menschen hier wohnungslos sind, etwa 50.000 davon auf der Straße. Einer von ihnen war Dominik Bloh, heute ist er Aktivist und sitzt neben der Bauministerin. „Wohnungslosigkeit ist kein individuelles Problem, sondern ein gesellschaftliches“, sagt er. Der Aktionsplan sei ein richtiger erster Schritt. „Erstmals sind wir sichtbar.“
Herausgekommen sind neben einer ausführlichen Bestandsaufnahme der aktuellen Probleme neun unverbindliche Leitlinien mit teils vagen Sätzen. Zum Beispiel: Alle Beteiligten „arbeiten im Rahmen ihrer Verantwortung daran, dass jede wohnungslose und von Wohnungslosigkeit bedrohte Person (…) ein passendes Wohnungsangebot erhält.“
Oder: Mit Prävention soll „Wohnungslosigkeit wann immer möglich vermieden“ werden. Für unversicherte, obdachlose Menschen soll der Zugang zur Krankenversicherung und Gesundheitsversorgung überprüft werden sowie der Zugang zum Internet erleichtert werden. Und ein Punkt, der Klara Geywitz besonders wichtig ist: In Notunterkünften soll auf „menschenrechtskonforme Mindeststandards“ hingewirkt werden.
Neben den Leitlinien werden noch 31 Maßnahmen aufgezählt, etwa wie viel Geld vom Bund für den sozialen Wohnungsbau bereit gestellt wird. Das sind 18,15 Milliarden Euro von 2022 bis 2027. Trotzdem fallen bislang noch mehr Sozialwohnungen aus ihrer Preisbindung, als neue entstehen. Zudem sollen mietrechtliche Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag umgesetzt werden. Genannt wird aber nur die Verlängerung der Mietpreisbremse. In einer früheren Version stand auch eine Maßnahme, um den Mietpreisanstieg etwas abzufedern. Der fehlte in der Endversion und das ist wohl auf Streitigkeiten innerhalb der Koalition zurückzuführen.
Viele haben Angst, auf der Straße zu landen
Die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), die Wohnungslosenhilfe BAG W und der Deutsche Städtetag begrüßten in einer gemeinsamen Presseerklärung die Leitlinien auf Bundesebene. Das werde aber „nicht genügen, um das ambitionierte Ziel Realität werden zu lassen“, kritisierten sie. Es brauche „auch politische Handlungsspielräume und finanzielle Ressourcen sowie eine Ausweitung des Mieter:innenschutzes“, sagte Sabine Bösing, Geschäftsführerin der BAG Wohnungslosenhilfe. Es erreichten sie fast jeden Tag Hilfegesuche von Menschen, die Angst hätten, auf der Straße zu landen.
Bundestagsabgeordnete Caren Lay (Die Linke) bezeichnete den Aktionsplan als Augenwischerei. „Mieterhöhungen, das Fehlen bezahlbarer Wohnungen und Kündigungen sind die Auslöser von Wohnungslosigkeit“, sagte sie der taz. Viele kleine Ansätze des Aktionsplans könnten nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kernprobleme nicht gelöst werden. Zwangsräumungen gehörten verboten, um Wohnungslosigkeit zu verhindern.
Grünenpolitiker*in Hanna Steinmüller betonte, dass das Konzept Housing first zentral sei. Sie würde es begrüßen, wenn es im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus „eine spezielle Förderung für Housing-first-Projekte gäbe und Wohnungen geschaffen werden, die gezielt für diese Gruppe infrage kämen“.
Auf die Kritik der Verbände reagierte Klara Geywitz gelassen. Der Plan „sei nur ein Anfang“, sagte sie. Wichtig sei zum Beispiel auch, zu klären, was mit obdachlosen EU-Ausländern passiert. Diese haben nämlich oft keinen Zugang zur Sozialhilfe und können nur sehr wenige Hilfsangebote nutzen.
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