Aktion des Kreml: Mehr Druck auf russische NGOs
Mehrere Nichtregierungsorganisationen sind durchsucht worden. Wer vom Ausland finanziert wird, muss sich als „ausländischer Agent“ eintragen lassen.
BERLIN taz | In Russland gibt es eine neue Repressionswelle gegen Nichtregierungsorganisationen. Das berichtete am Mittwoch die russische Tageszeitung Kommersant. Mindestens sechs NGOs in St. Petersburg, Nishni Nowgorod und Kasan seien in den letzten Tagen Opfer unangekündigter Durchsuchungen geworden. Darunter die Nichtregierungsorganisationen Agora, Soldatskije materi (Soldatenmütter) und Komitet protiv pytok (Anti-Folter-Komitee).
Hintergrund der Durchsuchungen ist ein im Juli 2012 von Präsident Wladimir Putin unterschriebenes Gesetz, das NGOs, die vom Ausland unterstützt werden, als „ausländische Agenten“ einstuft und eine Eintragung ins Register fordert. Laut Kommersant habe sich seit 2012 nur eine einzige Organisation freiwillig als „ausländischer Agent“ registriert, nämlich eine NGO zur „Förderung von Wettbewerb in den GUS-Staaten“.
Die Nichtregierungsorganisation Agora aus Kasan in der Republik Tatarstan, setzt sich für die Menschenrechte in Russland ein und wird bereits seit einem Jahr immer wieder vom Staat kontrolliert. „Wir wurden Ende März von den Behörden aufgefordert, unsere Finanzierung und Tätigkeit offenzulegen“, sagt der Vorsitzende, Pavel Chikov, der taz. „Wir wissen nicht, wie es weitergehen wird. Eventuell werden Geldstrafen folgen.“
Die Wahlbeobachter der NGO Golos mussten schon 2013 eine Strafe von 10.000 US-Dollar wegen des Verstoßes gegen das Gesetz bezahlen.
Elena Polyakova, Vorsitzende der NGO Soldatskije Materi, die sich für die Rechte von Militärangehörigen einsetzt, erzählte Kommersant, dass die Staatsanwälte erst nach der Veröffentlichung eines Artikels gegen die Annexion der Krim auf die NGO aufmerksam geworden seien.
Finanzierung offenlegen
Im Kommersant-Artikel vom Mittwoch heißt es weiter, dass auch die Petersburger Organisation Nemezki-Russkij Obmen, die in engem Kontakt zur Berliner NGO Deutsch-Russischer Austausch (DRA) steht, von der Staatsanwaltschaft durchsucht worden sei. Aigulle Sembaeva, Direktorin der Petersburger Organisation, dementierte gegenüber der taz, dass es eine Durchsuchung gegeben habe. Sie bestätigte allerdings, dass sie Mitte April zu der Behörde des Innenministeriums, die für den Nordwesten des Landes zuständig ist, bestellt worden sei und die Finanzierung ihrer Organisation offenlegen musste.
„Der DRA und unsere Organisation haben das gleiche Logo, sind juristisch gesehen aber von einander unabhängig. Aus diesen Gründen vermutete das Innenministerium wohl, dass wir von unseren Partnern aus Deutschland finanziert werden“, sagt Sembaeva.
Auf die Frage, ob sie weitere Repressionen befürchte, sagt sie: „Die Abteilung des Innenministeriums bei der ich noch im April vorsprechen musste, wurde Anfang Mai auf Erlass Putins geschlossen. Bis unser Fall an eine neue Abteilung weitergeleitet wird, kann es noch etwas dauern. Momentan ist die Situation allerdings äußerst unklar.“
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