Aigner torpediert EU-Agrarpolitik: Subventionen ja, Bäume nein
Die EU-Kommission will mehr Hecken oder Tümpel auf den Bauernhöfen. Doch die deutsche Agrarministerin versucht, den Vorschlag abzuschießen.
BERLIN taz | Lasst Blumen sprießen, Hecken stehen und Bäume wachsen – wenigstens auf sieben Prozent Eurer Äcker! Das wünscht sich die EU-Kommission von den Bauern als neue Gegenleistung für die jährlich rund 58 Milliarden Euro Agrarsubventionen. Die „im Umweltinteresse genutzte“ Fläche soll ab 2014 unter anderem die Artenvielfalt erhöhen und das Land vor Erosion schützen.
Doch soweit wird es wohl nicht kommen. Gerade bereitet die einflussreiche Bundesregierung einen Angriff auf den Kommissionsvorschlag vor. „Deutschland will den Anteil der ökologischen Vorrangflächen auf 3,5 Prozent begrenzen“, hieß es am Freitag in EU-Kreisen. Einen entsprechenden Zusatz wollten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) in den Finanzrahmen der EU für die Jahre 2014 bis 2020 aufnehmen lassen, über den die Staaten am 7. und 8. Februar verhandeln.
3,5 Prozent wäre zumindest in Deutschland kein Fortschritt. Denn die hiesigen Landwirte haben schon jetzt im Schnitt auf 2,1 bis 3,5 Prozent ihrer Ackerfläche etwa Brachen oder Landschaftselemente wie Hecken, Baumreihen oder Tümpel, wie das bundeseigene Thünen-Institut schätzt. Doch das ist so wenig, dass immer noch Tier- und Pflanzenarten verdrängt werden, die zum Beispiel die hohen Mengen Dünger nicht vertragen. Die Landwirte nutzen in Deutschland mehr als die Hälfte des Bodens.
Erst am Mittwoch hatte der Agrarausschuss des EU-Parlaments die Kommissionsvorschläge verwässert: Er hat sich auf zunächst nur 3 Prozent und ab 2016 auf 5 Prozent Öko-Fläche festgelegt. Aigners Ministerium reagierte zunächst nicht auf eine Bitte um Stellungnahme. Der ihm stets eng verbundene konservative Bauernverband dagegen begründete, weshalb er den Kommissionsvorschlag ablehnt: „Die 7 Prozent würden herausgenommen aus einer landwirtschaftlichen Produktion“, sagte Sprecher Michael Lohse.
Schleswig-Holsteins Agrarminister Robert Habeck (Grüne) nannte den Vorstoß aus Berlin dagegen im Gespräch mit der taz einen „Skandal“, widerspreche er doch Beschlüssen der deutschen Agrarministerkonferenz. Und Greenpeace-Experte Martin Hofstetter fragte angesichts der geplanten sehr niedrigen Bedingungen für die Subventionen sogar schon: „Wofür sollen konventionelle Agrarbetriebe überhaupt noch finanziell unterstützt werden?“
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alleingang des Finanzministers
Lindner will Bürgergeld kürzen
Putins Brics-Gipfel in Kasan
Club der falschen Freunde
Deutsche Asylpolitik
Die Hölle der anderen
Kritik an Initiative Finanzielle Bildung
Ministeriumsattacke auf Attac
Linke in Berlin
Parteiaustritte nach Antisemitismus-Streit
Investitionsbonus für Unternehmen
Das habecksche Gießkannenprinzip