Aids in Südafrika: Quacksalber mit Aussicht
Knapp 16 Prozent der erwachsenen Bevölkerung von Durban sind HIV-positiv. Mit Blechkästen und Wundersäften versprechen Scharlatane Heilung.
DURBAN taz | Die Aussicht auf das Moses-Mabida-Fußballstadion vor dem Indischen Ozean ist perfekt. Die junge Schwarze an der Rezeption im 21. Stock des Bürogebäudes in der Innenstadt ist eingehüllt in eine dicke Plastikwinterjacke, und die Klimaanlage ist ausgeschaltet. Ihre Lippen sind blutleer, das Haar dünn.
Sie zeigt sofort ihren Personalausweis, um glaubwürdiger zu wirken. "Ich war davor, zu sterben", erzählt die schmale Frau und zeigt unaufgefordert den Laborbericht mit ihren schlechten Blutwerten. Dann spult sie ab, was sie unzähligen Kunden in der "Klinik" täglich unterbreitet: Das Glück, das sie hatte. Als sie kraftlos im Krankenhaus lag und auf Antiaidsmedikamente wartete. Da kam ein Arzt, der empfahl "Hivex". Das Wundergerät eines Kollegen, das das Virus vertreiben soll. Und verzweifelten Menschen Hoffnung gibt. Auch wenn sie falsch ist.
Leaflet, so ihr Name, fühlt sich viel besser. "Bald werde ich wieder schön sein", sagt sie Die Antiaidsmedikamente habe sie nicht mehr gebraucht. Sie redet viel, schiebt gute Laborresultate herüber. Zwischendurch kommt die Frage: Wer seid ihr? "Habt ihr einen Ausweis?" Sie wundert sich nicht, was wir wollen. Offenbar Heilung. Für eine Krankheit, die nicht heilbar ist.
Der Weltaidstag 2011 am 1. Dezember wird wie jedes Jahr von der Aidsbekämpfungsorganisation UN-Aids organisiert, um die globale Aufmerksamkeit zu erhöhen. In ihrem diesjährigen Bericht verweist UN-Aids darauf, dass dank des weltweit verbesserten Zugangs HIV-infizierter Menschen zu medizinischer Behandlung die Sterberaten sinken, mahnt aber verstärkte Anstrengungen zur Senkung der Infektionsraten an.
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Südafrika hat die meisten HIV-Positiven der Welt, und in der Provinz KwaZulu-Natal – wo auch Durban liegt, Austragungsort des laufenden Weltklimagipfels – ist die HIV-Infektionsrate am höchsten: laut UN-Aids knapp 16 Prozent der erwachsenen Bevölkerung – und sogar knapp 39 Prozent aller schwangeren Mütter.
Patrick Mdletshe zeigt sich überrascht, was Hivex kann. "Elektromagnetische Strahlen, das ist alles?", sagt der Vorsitzende der Aidslobbygruppe Treatment Action Campaign (TAC) in der Provinz KwaZulu-Natal. Er gibt vor, positiv zu sein und bald werde er Hilfe brauchen.
Täglich zwei Stunden heilende "Strahlen"
Eine Computeranimation soll deutlich machen, dass die Aggressivität des Virus in seinem Protein gestoppt wird. Durch die Strahlentherapie. Doch für Patrick ist klar, dass das Video Aufklärungsmaterial ist und zeigt, was Antiaidsmedikamente bewirken, die eine Verbreitung des Virus eindämmen. "Siehst du!", sagt Leaflet wiederholt und ihre dürren Finger deuten auf das Virus, das zerspalten wird. Wir freuen uns mit. Für sie sind wir ein Paar, das sich um Patricks niedrigen Stand der Immunzellen sorgt und wieder aus Johannesburg anreisen würde, um das Wunder zu erleben.
Endlich dürfen wir die "Maschine" sehen. Im leeren Nebenraum sitzen zwanzig Leute auf Bürostühlen. Vor ihnen ein großer Tisch, auf dem Blechkästen stehen, ein großer und mehrere kleine sind verkabelt. Es herrscht andächtige Stille. Ein Porträt des Expräsidenten Nelson Mandela hängt an der Wand, Mutter Teresa darunter. Christliche Kreuze daneben.
Und vor dem Tisch liegt ein Mädchen flach auf dem Boden. Nur ihre weiße Pudelmütze ist zu sehen. Sie liegt auf dem Bauch unter einer orangefarbenen Decke. "Es ist schon ihre dritte Woche", sagen ihre Schwestern. "Als sie mit der Therapie begann, konnte sie kaum laufen." Ein älterer Mann erzählt, dass er sich gut fühlt. Frauen nicken. Sie kommen zwei Wochen lang täglich zwei Stunden, um sich den "Strahlen" auszusetzen. Das Ganze kostet 1.000 Rand (100 Euro), ein stolzer Preis. "Die Leute kommen aus Uganda, Mosambik - von überall."
Clive Harvey Fox ist der Besitzer von Hivex. Er wird heute, am Weltaidstag, Zielscheibe für einen Protest der TAC-Aktivisten, die vor dem Bürogebäude demonstrieren, um Scharlatanen wie ihm das Handwerk zu legen. Patrick ist außer sich: "Leaflet stirbt - ich kenne die Symptome. Und tischt den Leuten noch diesen Unsinn auf." Das Büro oder "die Klinik" ist auf dem gleichen Flur wie das örtliche Regierungsbüro des Afrikanischen Nationalkongress (ANC). Doch die wollen offenbar nichts dagegen tun.
Wie ein Pastor
"Menschen wieder gehen zu sehen, das gibt mir eine neue Befriedigung im Leben", sagt Clive Harvey Fox am Telefon. Er predigt wie ein Pastor. Dass ihm viel Geld geboten wurde für seine Ausrüstung, doch er wolle Hivex nicht an schlechte Menschen geben. Wissenschaftliche Untersuchungen seiner Behandlungen seien von Geldgebern der Pharmaindustrie unterbunden worden.
"Hivex ist in Moskau in den 80er Jahren zur Aidsbehandlung entwickelt worden. Sechs Menschen, die 1993 damit behandelt wurden, sind immer noch am Leben", schwadroniert Fox. Er würde nie empfehlen, die Aidsmedikamente wegzulassen. Das sei unethisch. Nein, er gehöre nicht zu gewissenlosen Menschen, die mit dem Tod Geschäfte machen, lehnt er ab.
TAC-Sprecherin Mtombizonke Ndlovu hat "Quacksalber" wie Fox besucht. Er war angeblich selbst krank. Die nette Dicke im bunten T-Shirt isst einen Hamburger und googelt schnell die Webseiten heraus, auf denen Quacksalber Werbung betreiben. "Diese Typen sind gefährlich." Joachim Cools aus Belgien ist auch so einer. Er lebt auf dem Gelände des örtlichen Stammesoberhaupts in Inanda und verkauft Säfte, denen er Namen in Anlehnung an Zuluhäuptlinge gibt wie "Umlingo WamaMgcolosi" und so seine Produkte "erhöht".
Nicht Sex, sondern Stress verursache Aids
Im Internet propagiert er, nicht Sex verursache Aids, sondern Stress sei das Problem. Wer seine Säfte für 8 Euro pro Flasche trinkt, soll alle pharmazeutischen Pillen weglassen, daran würden sich nur die Unternehmen bereichern. Auch "Dr. Zondo" ist auf Sonkes schwarzer Liste. "Er verkauft eine Substanz, die wie Bleichmittel oder Swimmingpoolreiniger zusammengesetzt ist."
Ein angeblicher Mexikaner namens Jim Humble schreibt in seinem "Report from Africa 2009" auf seiner Website, das er in Afrika helfe und viele "Schüler" wie Dr. Zondo habe, die sein Rezept für die "Mineral Miracle Solution" anwenden.
TAC hat Durbans Aidsrat der Provinz und Bürgermeister James Nxumalo hinzugezogen. Der soll bis Anfang nächsten Jahres den skrupellosen Verkäufern das Geschäft entziehen. KwaZulu-Natal ist die Provinz in Südafrika, deren Einwohner am meisten von Virusinfektionen und Tod durch Aids betroffen sind. Der Medizinische Kontrollrat sei laut TAC schwach und prüfe nicht, was auf dem Markt ist, sondern nur, was vorgelegt werde. Es hapere an handfesten Regulierungen.
"Es ist Weltaidstag und sie machen wieder schlimme Berichte über uns", sagt Clive Fox mit sanfter Stimme. Er freut sich auf unseren nächsten Besuch.
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