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„After the Butcher“ in BerlinDas Verhältnis von Kopf und Hand

Lydia Hamann, Kaj Osteroth und Xiaopeng Zhou spielen mit Techniken der Aneignung. Sie reflektieren Fragen von Repräsentation und Vergänglichkeit.

Ausstellungsansicht „Good Copy/Bad Copy“ bei After The Butcher in Berlin Foto: Eva-Christina Meier

Über ein Jahr lang erteilte der Künstler Xiaopeng Zhou einer Alzheimer-Patientin wöchentlichen Zeichenunterricht. Gemeinsam besuchten sie für erste Pflanzenstudien den Botanischen Garten in Berlin. Mit Beginn des Lockdowns trafen sie sich zum Zeichnen in der Wohnung der über achtzigjährigen Dame. In der bildungsbürgerlichen Umgebung arrangierten sie Stilleben oder wählten Reproduktionen der europäischen Kunstgeschichte als Vorlage für die an Demenz erkrankte Schülerin aus.

In äußerst präzisen, aber luftigen Reportagezeichnungen dokumentiert der chinesische Künstler in Ausschnitten und mit hohem Weißanteil die regelmäßigen Zusammenkünfte. Seine Beobachtungen und die Gespräche mit der vielseitig interessierten Dame verwandelten die als Lohnarbeit begonnenen Treffen für ihn in ein inspirierendes Wechselspiel aus Lehren und Lernen. Entstanden ist eine vielschichtige künstlerische Auseinandersetzung mit Verlust, Sehnsucht und Vergänglichkeit.

Die Ausstellung

„Good Copy/ Bad Copy“. Die Schau läuft bei „After The Butcher“, Spittastr. 25, 10317 Berlin-Lichtenberg bis 3. Oktober 2021. Geöffnet nach Voranmeldung: www.after-the-butcher.de

Daraus entwickelte Xiaopeng Zhou für die Gruppenausstellung „BPA Exhibition 2021“ im KW Institute for Contemporary Art (die am 19. September zu Ende geht) eine Installation mit Videoprojektion. In der aktuellen Doppelausstellung „Good Copy/ Bad Copy“ im Ausstellungsraum „After the Butcher“ im Berliner Stadtteil Lichtenberg zeigt er nun eine größere Auswahl der Originalarbeiten – darunter Porträts der zeichnenden alten Dame, Bücher und Gegenstände in ihrer Wohnung, Blüten und Stillleben. Auch einige ihrer Zeichnungen finden sich unter den gleichmäßig als Block gehängten Blättern.

Xiaopeng Zhou hat die klassische Zeichenausbildung an der chinesischen Kunstakademie in Guangzhou durchlaufen

Doch es geht nicht um einen Vergleich von Können oder Kunstfertigkeit. Besonders deutlich wird dies in der ebenfalls gezeigten sehr persönlichen Videoarbeit des Künstlers. Darin reflektiert er das Verhältnis von Kopf, Hand und Linie beim Zeichnen, die Herausforderungen der Patientin wie auch seine eigene künstlerische Entwicklung. Vor seinem Abschluss an der Kunsthochschule Weissensee in Berlin 2014 hatte Xiaopeng Zhou die klassische Zeichenausbildung an der chinesischen Kunstakademie in Guangzhou durchlaufen.

Perfekter Kontrapunkt

Einen spannenden Kontrapunkt setzt die Doppelausstellung in dem ehemaligen Ladenlokal im Stadtteil Lichtenberg mit den Arbeiten des feministischen Künstlerinnenduos Lydia Hamann & Kaj Osteroth. Ihr Medium ist die Malerei, das sie als Künstlerinnen und Kunsthistorikerinnen seit 2007 gemeinsam erforschen. 2018 veröffentlichten sie „Radical Admiration“, ein Buch, das aus der 2014 begonnenen Bildserie über elf sie inspirierende Künstlerinnen hervorging. Im selben Jahr waren sie auch auf der 10. Berlin Biennale vertreten.

Nun zeigen die Malerinnen in „Good Copy/ Bad Copy“ unter dem Titel „Glamshots“ eine Serie handlicher, in Öl auf Leinwand gemalter Formate, die Bezug nehmen auf die kaum repräsentierten weiblichen Künstlerinnen im umfassenden Sammlungsbestand der Berliner Gemäldegalerie – 20 von insgesamt 3.500 Bildern.

Durch ihr beherztes Kopieren von Ausschnitten, Blicken und Gesten jener Gemälden treten Lydia Hamann & Kaj Osteroth in einen lebendigen Dialog mit den Werken von Anna Therbusch, Elisabeth Vigee-Lebrun, Angelika Kauffmann, Marie Latour, Anne Vallayer-Coster und Sofonisba Anguissola. Hände, Augen, Stoffe, Kleidung, Blumenbouquet und Stillleben. Unprätentiös in der Umsetzung und mit leuchtenden Farben richten Hamann und Osteroth malend den Blick auf die Leerstellen der Kunstgeschichte und eröffnen gleichzeitig Spielraum für Neuinterpretationen.

Auf der gegenüberliegenden Raumseite präsentiert das Duo eine frühere kleinformatige Gemäldegruppe mit der Anmutung von „Schnappschüssen“ aus den Florentiner Uffizien, die während des gemeinsamen Stipendienaufenthalts dort in der Villa Romana 2020 entstanden sind. Mutig und transparent geben Lydia Hamann & Kaj Osteroth mit ihrer eher flüchtigen, nicht um Perfektion bemühten Maltechnik wertvolle Einblicke in den dynamischen Entstehungsprozess ihrer Kunstproduktion. Die begreifen sie als kritischen Dialog und widerständige Praxis.

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