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Afrikanistin über Sudan in den Medien„Medien spielen eine große Rolle bei internationalem Druck“

Der Krieg im Sudan wird in den meisten Medien nur wenig behandelt. Freie Autorin Meret Weber zu Hierarchien medialer Aufmerksamkeit.

In deuschen Medien kaum präsent: Kriegszerstörungen hier in der sudanischen Stadt Omdurman in der Nähe der Hauptstadt Khartoum Foto: Mudathir Hameed
Leo Schurbohm

Interview von

Leo Schurbohm

taz: Frau Weber, was hat Sie dazu bewegt, sich intensiver mit Kriegsgebieten wie dem Sudan zu befassen?

Meret Weber: Kriege wie im Sudan sind schon länger über mein politisches und persönliches Umfeld total präsent. Ich habe als Jugendliche eine Weile in Äthiopien gewohnt und hier in Berlin schon länger viel Kontakt mit der Geflüchtetenbewegung. Darüber kriege ich oft in Gesprächen mit, was in den Ländern passiert, aus denen die Leute kommen. Dass politische Entwicklungen in Afrika für andere Menschen total abwesend sind, ist ein krasser Kontrast zu meiner Lebenswelt.

taz: Im Sudan liefern sich zwei rivalisierende Fraktionen des herrschenden Militärs erbitterte Kämpfe im ganzen Land. Ist dieser Krieg in der deutschen Medienlandschaft präsent?

Weber: Super selten. Begriffe wie Fußball kommen in den Medien sehr viel häufiger vor als Sudan – obwohl sich dort die aktuell größte humanitäre Krise der Welt ereignet. Und das auch nicht erst seit gestern, sondern seit zwei Jahren. Wenn es darüber Texte gibt, tragen sie Titel wie „Der vergessene Krieg“ oder „Die Welt schaut weg“. Mich frustriert das, denn genau die Medienhäuser sind es doch, die dafür sorgen könnten, dass die Menschen hinschauen.

Bild: Foto: Marzena Skubatz
Im Interview: Meret Weber

2001, freie Autorin zu antirassistischen und feministischen Themen, studierte Afrika- und Politikwissenschaften und schrieb ihre Masterarbeit über die Revolution im Sudan.

taz: Reicht es, einfach häufiger zu berichten?

Weber: Menschen kriegen auch jetzt schon davon mit, aber sie sehen Berichte in den Nachrichten und haben das Gefühl, damit nichts zu tun zu haben. Eine gute Berichtsterstattung würde Menschen eine Perspektive geben und helfen, dass sie sich mit dem Thema auseinandersetzen. Es muss erklärt werden, was die Beweggründe innerhalb des Landes sind, was internationale Akteure für eine Rolle spielen und wie auch Deutschland involviert ist. Und das fehlt.

taz: Hat die geringe mediale Aufmerksamkeit Auswirkungen auf die Menschen vor Ort?

Weber: Der Krieg im Sudan wird zwar nicht durch mehr Aufmerksamkeit aufhören, aber Medien spielen eine große Rolle beim Aufbau von internationalem Druck. Sie können sichtbar machen, dass es Widerspruch gibt. Gerade kriegt das niemand mit und die Staaten werden so nicht unter Druck gesetzt, zu handeln. Es gab schon mehrere internationale Commitments, also Versprechen, die dem Sudan Geld für humanitäre Hilfe zusagten. Das Geld kommt in den Höhen aber nicht an. Durch eine größere Aufmerksamkeit würde es Handlungsdruck geben.

Social Media können helfen, Sichtbarkeit zu schaffen und das auch unabhängig von den großen Medienhäusern

taz: Woran liegt es, dass manche Krisen die Nachrichten dominieren?

Weber: Von vielen Aspekten finde ich zwei besonders wichtig. Einer ist die Berichtsgewohnheit, gerade was Afrika angeht. Über Jahrzehnte sind gewisse Assoziationen aufgebaut worden, dadurch entsteht eine Selbstverständlichkeit in der Wahrnehmung und es wird nicht weiter hinterfragt, warum Dinge passieren. Der andere Punkt ist die Frage, wie entschieden wird, was berichtet wird. Das hat bei vielen Medienhäusern immer weniger damit zu tun, was politisch wichtig ist. Wirtschaftliche Faktoren wie Abos und Klicks werden ausschlaggebender.

taz: Welche Verantwortung sehen Sie bei den größeren Medienhäusern?

Weber: Sie sollten so eine Art Multiplikatorenfunktion einnehmen, anstatt von oben herab zu berichten. Es sollte mehr auf lokale Initiativen geachtet und mit Jour­na­lis­t:in­nen vor Ort zusammengearbeitet werden. Das wäre meine Vision für verantwortungsbewussten, selbstkritischen Journalismus.

Diskussion

„All Eyes Off? Sudan, Kongo und die Hierarchien medialer Aufmerksamkeit“ im Rahmen des Festivals Fluctoplasma, 25. 10., 16 Uhr, Museum am Rothenbaum Kulturen und Künste der Welt, Rothenbaumchaussee 64, Hamburg

taz: Besonders soziale Medien spielen eine immer größere Rolle in der Verbreitung von bislang übersehenen Themen. Sehen Sie das als eine Chance?

Weber: Das hat gute und schlechte Aspekte. Es birgt die Gefahr, ein sehr vereinfachtes Verständnis von diesen Orten zu reproduzieren und dann viral gehen zu lassen. Andererseits kann es auch eine Chance sein, weil es hilft, Sichtbarkeit zu schaffen, und das auch unabhängig von den großen Medienhäusern.

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