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Afrika-CupSudan erspielt sich seine Hoffnung zurück

Bei der Afrikameisterschaft haben die Kicker des vom Bürgerkrieg gezeichneten Landes beste Chancen, das Achtelfinale zu erreichen.

Schon bei der 0:3-Niederlage gegen Algerien deutete Sudan seine Fähigkeiten an. Beim 1:0-Sieg über Äquatorialguinea erst recht Foto: Imago/Abacapress

Aus Rabat

Olaf Jansen

Als im verregneten Casablanca am frühen Sonntagabend der Schlusspfiff der Partie zwischen Äquatorialguinea und Sudan ertönte, sanken die Spieler Sudans nur noch dankbar zu Boden. Zum Jubel blieb ihnen offenbar nicht mehr genügend Kraft. Mit einer enormen Willensleistung hatten sie am zweiten Spieltag des Afrika-Cups einen 1:0-Sieg über den über weite Strecken überlegenen Gegner über die Runden gebracht – dafür hatten sie alles gegeben.

Es war ein ebenso glücklicher wie als historisch zu bezeichnender Sieg. Der erste Sudans bei einem Afrika-Cup seit 2012 – und vor allem: der Erfolg eines Teams aus einem Land, das aktuell ganz andere Sorgen hat. Es tobt seit April 2023 ein furchtbarer Bürgerkrieg in Sudan, der das zivile Leben fast völlig zum Erliegen gebracht hat.

Die Fußballer des Nationalteams sorgen zumindest ein klein wenig für Aufmunterung in einer katastrophalen Situation. Mit dem Sieg über Äquatorialguinea hat das Team, das von dem ghanaischen Coach Kwesi Appiah betreut wird, beste Chancen, ins Achtelfinale einzuziehen. Am Mittwoch, beim letzten Gruppenspiel gegen Burkina Faso, reicht ein Punkt zum Weiterkommen.

Sorgt dafür, dass die Menschen in Sudan wenigstens einen Moment Freude spüren können!

Kwesi Appiah, Trainer des Sudan

Allein die Tatsache, dass sich die Nationalmannschaft des Sudan für die Endrunde der Afrikameisterschaft in Marokko qualifizieren konnte, kommt einer Sensation gleich. Fußball wird in Sudan schon lange nicht mehr gespielt. Seit 2023 pausiert die nationale Liga.

Sudans Fußball wird in Libyen organisiert

Und dennoch: Das Nationalteam spielt unverdrossen. Organisiert aus Libyen, wohin eine kleine Delegation des sudanesischen Fußballverbandes umgezogen ist, absolviert das Team von Trainer Appiah Länderspiele und nimmt an Turnieren teil. Und sorgt für eine fußballerische Sensation nach der anderen.

Der Sprung zum Afrika-Cup gelang zum Beispiel, indem das Team den großen Favoriten Ghana in der Qualifikation hinter sich ließ. „Man muss einfach an sich glauben“, erklärte Erfolgstrainer Appiah nach dem Triumph über sein Heimatland. „Ich sage den Spielern immer wieder: Tut es für euer Land, für eure Heimat. Sorgt dafür, dass die Menschen im gebeutelten Sudan wenigstens einen Moment der Freude spüren können.“

2014 war er als Nationaltrainer Ghanas noch umjubelter WM-Teilnehmer. Nun warf er das mit Topstars aus den europäischen Ligen besetzte Ghana mit No-Names aus dem Bürgerkriegsland aus dem Wettbewerb. Schaut man genauer hin, werden die Erfolge von Kwesi Appiah noch erstaunlicher: Appiah kann seine Nationalspieler nur aus einem Pool von rund 100 Aktiven aussuchen, die einigermaßen professionell Fußball spielen.

Die besten Clubs Sudan spielen in Ruandas Liga

Weil es keine einheimische Liga mehr gibt, haben die beiden großen Vereine des Landes, Al Hilal und El Merreikh, ihre Aktivitäten ins Ausland verlegt. In der Saison 2024/25 nahmen sie am Ligabetrieb von Mauretanien teil, seit dieser Saison sind sie in der Liga Ruandas mit dabei. Die Spieler sind heimatlos, fahren und fliegen von Hotel zu Hotel – es ist ein riesiger logistischer Aufwand. Beide Klubs haben dabei um die 40 Spieler unter Vertrag, weil sie nebenbei eben auch noch den Kader der Nationalmannschaft stellen müssen und die besten Spieler ständig unterwegs sind.

Denn die „stolzen Falken“, wie Appiahs Team genannt wird, sind quasi im Dauereinsatz. 2024 und 2025 spielte die Mannschaft neben der Qualifikation für den Afrika-Cup auch die WM-Qualifikationsspiele. Die WM 2026 wurde dabei nur hauchdünn verpasst. Gegen Riesen wie den Senegal, DR Kongo oder Togo führten Appiahs Jungs die Tabelle bis in den September hinein an – erst in den letzten beiden Spielen rutschten sie noch aus den ersten beiden Quali-Plätzen heraus. Und das, obwohl sie ja nur Auswärtsspiele bestreiten, denn die angesetzten Heimspiele können nicht in Sudan ausgetragen werden, sondern finden zumeist in Libyen statt.

Hinzu kamen für die sudanesischen Vielspieler noch die Wettbewerbe des „Chan“, das ist die Afrikameisterschaft nur für Akteure, die auch im Klubfußball auf dem afrikanischen Kontinent aktiv sind. Und kürzlich war das Nationalteam dann noch beim Fifa-Arab-Cup mit dabei, der im November und Dezember in Katar ausgespielt wurde. Appiah sieht’s pragmatisch: „Den Arab-Cup haben wir als Vorbereitungsturnier für den Afrika-Cup genutzt.“ Das Team schied dort nach der Gruppenphase aus, doch man nahm es nicht tragisch: „Ich habe einiges ausprobieren können und für den Afrika-Cup bekommen wir noch ein paar starke Spieler mit sudanesischen Wurzeln dazu, die wir zuletzt in Malaysia und Australien aufgetrieben haben“, erklärt Appiah.

Der Star des Teams ist wieder zurück

In Marokko wieder dabei ist Mohamed Abderahman, Kapitän, Rekordspieler und Rekordtorschütze seines Landes. Der 32-Jährige sorgt als Mittelstürmer seit fast zehn Jahren für die größte Torgefahr des Teams, war in den vergangenen Wochen allerdings verletzt. Abderahman ist schnell, wendig und hat gelernt, sich gegen scheinbar übermächtige gegnerische Abwehrreihen zu behaupten.

Denn das sudanesische Spiel ist einfach wie klar strukturiert: Man spielt aus einer massiven Deckung heraus, bei Ballgewinn wird steil auf Abderahman gespielt. Und dann rücken dessen Teamkollegen überfallartig nach. Zahlreiche Favoriten sind dieser entschlossenen und beinahe perfekt eingespielten Taktik Sudans schon zum Opfer gefallen. In Marokko werden sich in der Vorrunde die Gruppengegner Algerien, Burkina Faso und Äquatorialguinea damit auseinandersetzen müssen. Sie werden auf ein höchst motiviertes Gegnerteam treffen. Denn für Appiah ist klar: „Wenn ich den Jungs in der Ansprache sage: ‚Kämpft für eure Leute in der Heimat. Sorgt dafür, dass sie wenigstens einen kleinen Moment Grund zum Lächeln haben‘ – dann kann man sich keine größere Motivation mehr vorstellen.“

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