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Afghanistan, Geheimdienste und AufstiegKeiner im Kontrollgremium außer Konstantin

Singende KI, Helene Fischer, Karneval, nur Knallchargen reden mit Russland. Und die knarzigen Knatterdiesel von Volkswagen beschäftigen uns immer noch.

Clara Bünger, MdB, DIE LINKE, darf auch nicht kontrollieren Foto: Jens Schicke/imago

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht in dieser Woche?

Friedrich Küppersbusch: Ein „demokratischer Sozialist“ gewinnt New York.

Und was wird besser in dieser?

Küppersbusch: Die SPD lässt sich nicht beirren.

Die Regierung bietet Afghanen bis zu 10.000 Euro, wenn Sie nicht nach Deutschland kommen. Deutschland, einig Basarhandel?

So wird es nichts mit der Spendengala Kauf einen Afghanen raus!

Küppersbusch: Eben brüstete sich Innenminister Dobrindt mit dem verwegenen Mut, sogar mit den Taliban direkt zu verhandeln, um „Straftäter und Gefährder“ nach Afghanistan loszuwerden. Spielt er eh schon mit den Schmuddelkindern, läge es nahe, die neuen Kontakte auch zu nutzen, um Sicherheit und rechtsstaatliche Garantien für die „Hilfskräfte“ auszuhandeln. Stattdessen empört sich die Rechtsöffentlichkeit, dass da noch Geld bezahlt wird. So wird es natürlich nichts mit der großen weihnachtlichen Spendengala „Kauf einen Afghanen raus!“.

Das Parlamentarische Kontrollgremium überwacht die Geheimdienste weiter ohne Linkspartei. Nach Heidi Reichinnek scheiterte auch Clara Bünger. Eine peinliche Aufführung?

Küppersbusch: Als „befreundete Dienste“ im PKGr über den Verdacht informierten, Ukrainer hätten Nordstream 2 gebombt, stolperte sein Vize-Vorsitzender Kiesewetter aus der Sitzung vor die Kameras und gab kund, er dürfe ja nichts sagen, aber das mit Nordstream seien bestimmt die Russen gewesen. Ausplaudern darf man also nichts – lügen offenbar schon. Reichinnek wurde von den Kiesewetters wegen „extrovertierten Auftritts“ „mangelnder Verschwiegenheit“ verdächtigt, ein netter Dank dafür, dass Reichinnek der Union bei der Kanzlerwahl den Arsch gerettet hatte. Auch Ines Schwerdtner darf nicht das Finanzministerium, Dietmar Bartsch nicht die Bundeswehrfinanzierung beaufsichtigen.

Die Union hat nie begriffen, dass die Weimarer Demokratie auch an ihrem Vorläufer Zentrumspartei scheiterte, die das falsche Bündnis wählte, als es keine bequemen mehr gab. So besteht jetzt die Opposition eines 83,5-Millionen-Volkes aus einer Person, Konstantin von Notz. Das findet sogar die FAZ „nah am Skandal“. Vielleicht sollte er hinschmeißen.

Helene Fischer gibt ihre Auftakt-PK für die Tour 2026. Kann sie Deutschland retten?

Küppersbusch: Sie ist irgendetwas hochprofessionell Ungenaues, worauf sich die Menschen noch halbwegs einigen können. Die singende KI. Ihre „360-Grad-Stadion-Tour“ sieht den Act in der Mitte und die Fans drumherum. Dreht man Musik und Show weg, ist es eine grauenhafte Inszenierung. Im Guten: Schön, dass solche massenreligiösen Bedürfnisse mit Schlager erfüllt werden können.

AfD-Abgeordnete aus Europaparlament, Bundestag und dem Sächsischen Landtag fahren nächste Woche nach Sotschi. Ursprünglich wollten sie dort Medwedew treffen, das hat die Berliner Fraktionsspitze nun untersagt. Kommen deutsche Wäh­le­r*in­nen in gute Stimmung, wenn der Wladimir dem Friedrich von hinten an die Schulter fasst?

Küppersbusch: „Mit Russen reden“ kommt in der öffentlichen Moralskala derzeit knapp hinter Kindesmissbrauch. Und die AfD weiß, dass sie damit Presse bekommt, einen Hauch Ruchlosigkeit und ein dumpfes „warum denn nicht“ von ihren Sympathisanten. Alles ganz schlimm, ja, aber noch schlimmer: Sonst kann auch keiner mit Russen reden. Seit Präsident Trumps absurdem Input für Putin darf man allerdings dezent fragen, ob es Europäer überhaupt geschafft hätten, so naiv alles abzuschenken, wofür seit drei Jahren gestorben wird. Ob nun AfD oder Trump: Es verlängert die Abwesenheit von Diplomatie.

Der Prozess gegen VW wegen Betrugs über die Abgaswerte von Dieselfahrzeugen beginnt diese Woche. Dolchstoß für die Autowirtschaft?

Küppersbusch: Mit Autoabgasen soll man sich umbringen können. Viele Prozesse bisher – mit Aktionären, Versicherungen, gegen Manager und Ingenieure – endeten in Vergleichen, Verfahrenseinstellungen oder auch Haftstrafen. Doch statt die betrogenen Kunden zu entschädigen, bezahlen die mit dem nächsten Neuwagen den ganzen Aufwand nochmal.

Im Ergebnis hat VW der Welt und teils wohl auch sich selbst eingeredet, es gäbe preiswerte, umweltfreundliche Verbrenner – und in diesem Vollrausch den technologischen Anschluss verpasst. Mangelhafte Werkseinstellung. Wäre der Betrug früher aufgeflogen, wäre VW heute bei Elektromobilität weiter. So geht Betteln um mehr staatliche Kontrolle.

Am Dienstag um 11.11 Uhr beginnt der Karneval. Wel­che*r Po­li­ti­ke­r*in sollte als Sankt Martin gehen?

Küppersbusch: Der historische Martin: ein römischer Soldat, geboren im heutigen Ungarn. Also Meloni und Orbán. Als Sozialpolitiker verkleidet.

Und was macht der RWE?

Küppersbusch: Nach Sieg in Ingolstadt punktgleich mit dem Tabellenzweiten Energie Cottbus, gegen den es nächste Woche geht. Wer da „Aufstieg“ sagt, kriegt keine Karte. Haha, Spaß.

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Friedrich Küppersbusch
Jahrgang: gut. Deutscher Journalist, Autor und Fernsehproduzent. Seit 2003 schreibt Friedrich Küppersbusch die wöchentliche Interview-Kolumne der taz „Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?".
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