Afghanischer Flüchtling in Berlin: Ein Praktikum in Bürokratie
Seit einem Jahr versucht Ahmadullah Sediqi, in Berlin anzukommen. Er hat Freunde und eine Wohnung. Doch er überlegt, alles hinzuschmeißen.
Inzwischen ist er fast ein Jahr in Berlin und hat viel erreicht. Das meiste aus eigenem Antrieb. Er hat sich in Programmiersprachen und Netzwerkadministration weitergebildet, sich ehrenamtlich bei „Moabit hilft“ engagiert und Jugendliche unterrichtet. Seit ein paar Monaten hat er eine eigene Wohnung. Auch Freunde hat er gefunden, die Wochenenden liegen nicht als leere Zeit vor ihm.
Trotz allem fühlt er sich unter einem starken Druck. Ende September war er kurz davor, seinen Asylantrag zurückzuziehen und alles hinzuschmeißen. Da hatte die Ausländerbehörde seinen Antrag auf „Erlaubnis zur Ausübung einer Beschäftigung“ zum zweiten Mal abgelehnt. „Ich habe mich bei einer IT-Firma beworben und könnte dort ein Praktikum machen“, sagt Sediqi. „Da suchen sie jemanden, der verschiedene Sprachen spricht, Computerskills hat und selbst schon mal unterrichtet hat, und sie würden mich gern nehmen.“
Anfang: Am 7. Oktober 2001 begannen die USA, in Afghanistan Stellungen der Taliban und des Terrornetzwerks al-Qaida zu bombardieren. Damit reagierte die Regierung von Georg W. Bush auf die Terroranschläge vom 11. September, als dessen Urheber sie Osama bin Ladens Terrornetz ausgemacht hatten.
Name: Der US-Angriff hieß zunächst „Operation Infinite Justice“, wurde aber nach religiösen Protesten in „Operation Enduring Freedom“ (OEF, „Dauerhafte Freiheit“) umgetauft.
Ablauf: Im Dezember 2001 waren die Taliban militärisch besiegt, übergelaufen oder geflohen.
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Das Unternehmen wolle jemanden ausbilden, der dann andere Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund in das Unternehmen integrieren könne. Sediqi spricht Pashtu, Dari, Farsi und Englisch. Das Praktikum könnte ihn auf eine Festanstellung vorbereiten. Doch die Arbeitsagentur sieht darin keinen Sinn. Grundsätzlich muss sie Asylsuchenden eine Beschäftigung genehmigen. „Das erste Mal haben sie es nicht erlaubt, weil ich zu wenig verdienen würde für die Branche“, sagt er. „Dann haben wir geschrieben, dass es nur ein Praktikum ist, worauf sie meinten, dass ich keine ausreichenden Qualifizierungen nachgewiesen hätte“, sagt Sediqi.
„Sie wollen, dass du aufgibst“
„Ich habe mir selbst etwas aufgebaut. Und was ist die Antwort von der Verwaltung?“, fragt er. Er stoße immer wieder auf Probleme, Papiere gingen verloren oder seien fehlerhaft, Geldzahlungen kämen zu spät. Auf seinen Termin beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), die über seinen Asylantrag entscheiden, wartet er seit fast einem Jahr.
Eine Bekannte riet ihm davon ab, alles aufzugeben. Regierung und Verwaltung würden mit dem Druck, den sie ausübten, genau das bezwecken. „Sie wollen, dass du aufgibst. Also tue ihnen den Gefallen nicht“, habe sie gesagt, erzählt Sediqi. „Der Gedanke hat mir gefallen.“ Nun will er weiter kämpfen.
Afghanistan ist laut BAMF-Statistik eines der Hauptherkunftsländer von Flüchtlingen in Deutschland. In dieser Gruppe ist aber auch die Zahl der sogenannten „anhängigen Erstanträge“, also der Zahl der Asylanträge, die noch nicht bearbeitet werden, am größten.
Pro Asyl wirft der Bundesregierung vor, Flüchtlinge aus Afghanistan mit langen Verfahren zu zermürben. Nach ihrer Einschätzung verfügt „die weit überwiegende Mehrheit“ der afghanischen Staatsangehörigen in Deutschland nicht über einen gesicherten Aufenthalt. Viele haben bisher nur eine Aufenthaltsgestattung, und AfghanInnen müssen überdurchschnittlich lange auf ihr Verfahren beim BAMF warten.
Dem stand bisher eine noch relativ hohe Schutzquote für Flüchtlinge aus Afghanistan gegenüber, die allerdings nach Informationen von Pro Asyl im ersten Halbjahr 2016 stark gesunken ist: von rund 78 auf rund 48 Prozent. Allein im August wurden über 2.600 Asylanträge abgelehnt. Für Pro Asyl hat sich damit die Entscheidungspraxis des BAMF drastisch gewandelt. Die Anerkennungen gehen deutlich zurück, während die Sicherheitslage in Afghanistan sich nicht verändert, sondern teilweise verschlimmert hat. Gleichzeitig haben es AfghanInnen in Deutschland schwer, Integrationskurse zu bekommen.
Sediqi ist vor allem fassungslos, dass er nicht weiterkommt. „Was für eine Bürokratie ist das, dass sie mich das Praktikum nicht machen lassen?“, fragt er. Eine Klage ist die einzige Möglichkeit, gegen den Bescheid vorzugehen. Das will er nun machen. Er fürchtet, dass es teuer wird und am Ende doch nichts bringt. Er möchte es aber zumindest versuchen.
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