piwik no script img

Afghanische Helfer der BundeswehrNicht alle dürfen nach Deutschland

Hunderte afghanische Mitarbeiter der Bundeswehr haben Angst vor den Taliban und wollen nach Deutschland. Doch nur ein Drittel der Anträge ist bisher bewilligt worden.

Nicht immer nur unter sich: Bei Auslandseinsätzen ist die Bundeswehr auf die Mitarbeit von Einheimischen angewiesen. Bild: ap

BERLIN dpa | Das Verteidigungsministerium hat bisher in etwa einem Drittel der Fälle einer Aufnahme afghanischer Ortskräfte in Deutschland zugestimmt. Insgesamt hätten 937 Ortskräfte der Bundeswehr einen solchen Antrag gestellt, bestätigte ein Sprecher des Ministeriums am Samstag einen Bericht der Stuttgarter Nachrichten. Bisher seien 908 Anträge bearbeitet und 313 davon bewilligt worden. In den übrigen 595 Fällen seien etwa die Gefährdungskriterien von den Antragstellern nicht erfüllt worden.

Insgesamt seien inzwischen 168 Ortskräfte mit 377 Angehörigen nach Deutschland eingereist. Diese Zahlen beziehen sich nach Angaben des Sprechers jedoch nicht nur auf Menschen, die im Bundeswehrbereich gearbeitet hatten, sondern auch auf jene, die beispielsweise für das Entwicklungsministerium, das Auswärtige Amt oder andere deutsche Stellen gearbeitet haben.

In Afghanistan arbeiten zahlreiche Einheimische für deutsche Stellen – zum Beispiel als Dolmetscher. Viele von ihnen haben Angst, von den Taliban als Kollaborateure bestraft zu werden. Deshalb bemühen sie sich darum, das Land zu verlassen und in Deutschland Unterschlupf zu finden. Menschenrechtsorganisationen fordern eine großzügigere und unbürokratische Aufnahme dieser Ortskräfte in Deutschland.

Der Grünen-Abgeordnete Omid Nouripour kritisierte ein undurchsichtiges Verfahren und den Umgang mit den Aufgenommenen. Wenn die Ortskräfte erst einmal in Deutschland angekommen seien, lasse man sie völlig allein, sagte er den Stuttgarter Nachrichten. „Sie bekommen keine Hilfe, niemand kümmert sich um sie. Sie sitzen teilweise in Kellerlöchern und wissen überhaupt nicht mehr, warum sie eigentlich hergekommen sind, weil ihre Tristesse so immens ist.“

Ein Sprecher des Innenministeriums sagte auf Anfrage, innerhalb der Bundesregierung seien „klare und großzügige Kriterien für die Aufnahme der Betroffenen abgestimmt“. Diese seien den möglicherweise Betroffenen auch mitgeteilt worden. Für die Unterbringung seien grundsätzlich die Bundesländer zuständig. Der Bund tausche sich aber eng mit den Ländern aus. So sei jüngst ein Patenprogramm initiiert worden, bei dem Polizisten, die im Afghanistan-Einsatz waren, eine Patenschaft für Ortskräfte in Deutschland übernehmen könnten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Das ganze ist offenbar überall in den Nato-Truppen so. Vice dokumentiert es für die USA: https://www.youtube.com/watch?v=k7k1XJcDpV4

     

    Und es ist ein Skandal. Nicht nur, dass wir die Leute in Afghanistan im Stich lassen, es macht auch keinen Sinn. Alle reden von Einwanderung und wir importieren jede Menge Islamisten, wie man in den letzten Wochen sehen konnte. Und dann haben wir da diese Leute, die, obwohl sie und ihre Familien dafür mit dem Tod bedroht werden, mit uns arbeiteten, um gegen die Taliban zu kämpfen. Solche Leute brauchen wir!

    Natürlich braucht auch Afghanistan solche Leute, aber unter diesen Zuständen ist das sinnlos. Gleich mit in's Flugzeug mit den Soldaten, inklusive der Familie, und hier kein Asylverfahren, sondern direkte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis mit rascher Perspektive zur Einbürgerung.

    Dafür kann man gerne ein paar libanesische Großfamilien mit Krimineller Karriere im Libanon lassen. Aber nein, die werden eingeflogen, die mutigen Afghanen, die auf unserer Seite stehen, die unsere Gesellschaft der der Taliban vorziehen, die nicht.

    • D
      D.J.
      @Alion:

      Ich bin völlig Ihrer Meinung, außnahmsweise sogar mal der der Grünen in der Sache.

      Interessant übrigens, dass viele stramm rechte Islamkritiker bei dem Thema ihr wahres Gesicht zeigen. Sie geifern nämlich oft gegen die Aufnahme. Was zeigt, dass diese nichts, aber auch gar nichts mit humanistischer Islam-/Religionskritik am Hut haben, sondern vermeintliche Religionskritik lediglich Vorwand für allgemeine Fremdenfeindlichkeit ist.