Affäre um Vergabe der Fußball-WM 2006: Auch Beckenbauer soll zahlen
Der DFB hat Zahlungsaufforderungen in Millionenhöhe an die ehemaligen Mitglieder der WM-Organisationskomitees verschickt.
Zuvor hatte die „Bild“-Zeitung darüber berichtet, dass Radmann das Geld innerhalb von 20 Tagen an den Deutschen Fußball-Bund überweisen soll. Dabei geht es um jene Summe, die der DFB vor der WM auf ein Konto des Weltverbandes FIFA geleitet hatte. Angeblich sollte der Betrag zur Rückzahlung eines Darlehens des früheren Adidas-Chefs Robert Louis-Dreyfus verwendet werden. Wohin es tatsächlich floss, ist bislang nicht geklärt.
Radmann erklärte, er habe die Zahlungsaufforderung am 8. Januar in seinem Schweizer Wohnort bekommen. Er habe widersprochen, jetzt sei der Verband am Zug. „Damit ist der DFB gefordert, nachzuweisen, dass es überhaupt eine Forderung gibt. Denn bis zum 8. Januar hat niemand mit mir je darüber gesprochen, noch gibt es irgendeinen Schriftverkehr. Die werden nie in der Lage sein, nur den Hauch einer Forderung nachzuweisen“, sagte Radmann. Das sei alles „ein bisschen sehr merkwürdig – das ist aber noch diplomatisch formuliert“.
Die 6,7 Millionen Euro an die FIFA waren ursprünglich als Beitrag für die später abgesagte WM-Eröffnungsgala verschleiert worden. Der ursprüngliche Kredit von Dreyfus war nach Angaben von Beckenbauer als Gegenleistung für einen hohen FIFA-Zuschuss zur WM in Deutschland verwendet worden.
Der DFB hat Güteanträge bei der Öffentlichen Rechtsauskunft- und Vergleichsstelle in Hamburg eingereicht, um den Anspruch auf möglichen Schadensersatz in Millionenhöhe zu wahren. Die Ansprüche richten sich neben Beckenbauer und Radmann auch gegen die ehemaligen DFB-Präsidenten Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach, Ex-DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt, den Testamentsvollstrecker von Robert Louis-Dreyfus sowie die FIFA.
Radmann ist seit vielen Jahren ein enger Vertrauter und Wegbegleiter Beckenbauers – quasi der Schattenmann der Lichtgestalt. Der heute 71-Jährige saß einst im WM-Organisationskomitee und begleitete Beckenbauer auf seiner Welcome-Tour über 132 276 Flugkilometer durch 31 Länder. Wegen Interessenskonflikten gab Radmann 2003 sein Amt als Vize-Chef des WM-OK an Theo Zwanziger ab. Er war wegen Beraterverträgen mit Adidas und der Kirch-Gruppe, die er dann teilweise ruhen ließ, in Erklärungsnot gekommen.
Beckenbauers Unterschrift
Der gebürtige Berchtesgadener muss sich ebenso wie Beckenbauer des Vorwurfs erwehren, einen Bestechungsversuch zumindest geplant zu haben. Es geht um den brisanten Vertrag mit Jack Warner: Dem einstigen FIFA-Spitzenfunktionär aus Trinidad & Tobago, der inzwischen wegen Korruption lebenslang gesperrt ist, wurden laut eines beim DFB gefundenen Papiers vier Tage vor der Abstimmung zur WM-Vergabe „diverse Leistungen“ zugesagt. Unterschrieben hat das Papier Beckenbauer, den Entwurf paraphierte Radmann.
Zu Beginn der WM-Affäre hatte der gebürtige Berchtesgadener in der Wochenzeitung „Die Zeit“ gesagt: „Ich könnte beim Leben meiner sechs Kinder beschwören, dass ich felsenfest davon überzeugt bin, dass nicht ein Mensch von uns bestochen wurde.“
Mit dem jetzigen Vorgehen will der DFB einen möglichen finanziellen Schaden in der Sommermärchen-Affäre vom Verband fernhalten. „Es geht also auch in diesem Fall darum, Rechtspositionen zu erhalten. In der Schweiz geschieht dies durch das sogenannte Betreibungsverfahren, durch das eine Verjährung von Ansprüchen verhindert wird. Die dazu notwendigen Schritte haben wir fristgerecht eingeleitet“, zitierte die „Bild“ einen DFB-Sprecher. Der größte Sportfachverband der Welt wird nach dem Rücktritt Niersbachs interimsmäßig von den Juristen Rainer Koch und Reinhard Rauball geführt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
James Bridle bekommt Preis aberkannt
Boykottieren und boykottiert werden
Umweltfolgen des Kriegs in Gaza
Eine Toilettenspülung Wasser pro Tag und Person
Krise der Linke
Drei Silberlocken für ein Halleluja
Stromversorgung im Krieg
Ukraine will Atomkraft um das Dreifache ausbauen