AfD will mit Pegida kooperieren: Da wächst was zusammen
Der rechte Flügel der AfD will das Kooperationsverbot mit Pegida kippen. Im Bundesvorstand gibt es einen Patt: sechs dafür und sechs dagegen.
Tillschneider, Abgeordneter im sachsen-anhaltinischen Landtag und Sprecher der rechten „Patriotischen Plattform“ innerhalb der rechten Partei, gehört zum völkisch-nationalistischen Flügel der AfD. Für diesen ist klar: Die AfD und Pegida gehören zusammen; an unterschiedlichen Orten kämpfen sie für das gleiche Ziel.
Die damalige Parteivorsitzenden Frauke Petry aber hält von diesem offenen Schulterschluss wenig. Ihre Sorge: Die Zusammenarbeit könnte gemäßigte WählerInnen verschrecken. Im Bundesvorstand und auf dem Kleinen Parteitag, dem Konvent, setzt Petry Unvereinbarkeitsbeschlüsse durch. Danach dürfen AfD-Mitglieder bei Pegida nicht reden, Fahnen und andere Symbole der AfD nicht gezeigt werden. Untersagt werden auch Reden von Pegidisten und ihre Symbole bei Parteiveranstaltungen der AfD.
Es ist ein Punktsieg für Petry, mehr nicht. Das Schiedsgericht mildert später auf Klage unter anderem vom Tillschneider den Bundesvorstandsbeschluss; der des Konvents aber ist weiter in Kraft. Doch die Ostverbände nehmen es damit nicht so genau. Allein Tillschneider hat inzwischen drei Mal bei Pegida geredet, zuletzt kurz vor Weihnachten.
Jetzt, fünf Monate nach dem Abgang von Petry, will der rechte Flügel den Unvereinbarkeitsbeschluss auch offiziell kippen. Am Samstag, wenn in Rotenburg an der Fulda im Nordosten Hessens der 55-köpfige Konvent der AfD tagt, steht ein entsprechender Antrag von André Poggenburg, Landes- und Fraktionsvorsitzender in Sachsen-Anhalt, auf der Tagesordnung. „Faktisch gibt es gerade im Osten kaum Distanzierung der AfD zu Pegida“, sagt Poggenburg zur Begründung seines Antrags. „Es wird deshalb Zeit, ehrlich zu zeigen, wofür man steht.“ Pegida sei eine „sehr erfolgreiche, standfeste und friedliche Bürgerbewegung“.
Lutz Bachmann ist 17-fach vorbestraft
Man kann es auch anders sehen. Rassistisch und islamfeindlich sei Pegida, sagt Michael Nattke vom Kulturbüro Sachsen, das die Bewegung seit ihrer Gründung beobachtet. Auch offen Rechtsextreme, so Nattke weiter, gehörten dazu. Ihr Anführer und Mitbegründer Lutz Bachmann ist 17-fach vorbestraft, unter anderem wegen Drogenhandel, Körperverletzung und Diebstahl.
Bachmann posierte auf einem Foto mit Hitler-Bärtchen, auf Facebook nannte er Geflüchtete „Viehzeug“, „Dreckspack“ und „Gelumpe“, in einer Rede sprach er vom kommenden Bürgerkrieg. Auf den Pegida-Demonstrationen wurden Galgenattrappen für Kanzlerin Angela Merkel und Außenminister Sigmar Gabriel mitgeführt, Redner wurden wegen Volksverhetzung verurteilt – und einer steht derzeit gar wegen zwei Sprengstoffanschlägen in Dresden vor Gericht.
David Begrich vom Verein Miteinander in Magdeburg will trotz des Antrags Poggenburgs nicht von einer neuen Radikalisierung der AfD sprechen. „Die Radikalisierung ist seit langem im Gang“, sagt er. Mit dem Antrag solle quasi de jure vollzogen werden, was es de facto schon gebe. Der rechte Flügel sehe die AfD als Bewegungspartei, die sich auf Pegida, die Identitäre Bewegung und das neurechte Institut für Staatspolitik in Schnellroda in Sachsen-Anhalt beziehe. In Sachsen sei der Schulterschluss längst vollzogen, sagt auch Michael Nattke vom Kulturbüro. „Seit Petry nicht mehr das Sagen hat, passt zwischen AfD und Pegida kein Blatt Papier.“
Das war gerade auf dem Politischen Aschermittwoch in der Nähe von Pirna wieder zu beobachten. Björn Höcke, AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzender in Thüringen und Held der AfD-Rechten, rief von der Bühne „Ich grüße die Pegida“. Sein Kollege aus Brandenburg, der neue einflussreiche Mann der Parteirechten, Andreas Kalbitz, dankte ausdrücklich „den vielen Mitstreitern gerade von Pegida“. Und der frisch gekürte sächsische AfD-Chef Jörg Urban kann sich gut vorstellen, im Wahlkampf mit Pegida zu kooperieren. In Sachsen wird im Herbst 2018 gewählt, die AfD will stärkste Kraft werden. Am Ende standen Bachmann und sein Vize Siegfried Däbritz gemeinsam mit den AfD-Landeschefs auf der Bühne.
Eine Abstimmung endete mit einem Patt
Der Ausgang der Abstimmung im Konvent sei schwer abzuschätzen, sagt Carsten Hütter, einer der zwei Vorsitzenden des Gremiums. Hütter kommt aus Sachsen und weiß, dass die Stimmung in den Ost- und den Westverbänden recht unterschiedlich ist. Letztere aber stellen deutlich mehr Delegierte.
Auch im AfD-Bundesvorstand wird diskutiert, ob der Unvereinbarkeitsbeschluss mit Pegida in Dresden noch sinnvoll sei. Eine Abstimmung endete in einem Patt: Sechs Mitglieder stimmten dafür, sechs dagegen. Es gilt als wahrscheinlich, dass sich das Gremium bald erneut mit der Frage beschäftigt – vielleicht schon bei der nächsten Präsenzsitzung am 9. März.
Die beiden Parteivizes der Bundespartei, Georg Pazderski und Kay Gottschalk, haben sich öffentlich gegen eine Öffnung zu Pegida ausgesprochen, die beiden Parteivorsitzenden Jörg Meuthen und Alexander Gauland dafür. „Wenn es in Richtung Landtagswahl geht, dann ist es vielleicht nicht klug, an dem Kooperationsverbot festzuhalten“, sagte Meuthen.
Probleme haben Meuthen und Gauland allein mit der Personalie Bachmann. „Es wäre klug von Pegida, wenn Herr Bachmann aus dem Schaufenster der Bewegung verschwindet“, sagte Gauland dem Stern. Diesem Vorschlag allerdings erteilte der Dresdner Pegida-Vize Däbritz auf Facebook umgehend eine Absage: „Pegida ohne Lutz Bachmann ist keine Option.“ Und Bachmann selbst postete: „Pegida gibt es in dieser Konstellation, wie sie jetzt ist, oder gar nicht.“
Zunächst einmal will die AfD ohnehin selbst demonstrieren. Der Bundesvorstand will im Frühjahr – vermutlich im Mai – eine bundesweite Demonstration in Berlin organisieren – für Bundestagsneuwahlen.
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