piwik no script img

AfD und DiktaturgedenkenMehr als ein „innerer Konflikt“

Die Berliner Gedenkstätte Hohenschönhausen im Ex-Stasi-Knast distanziert sich vom Förderverein. Dahinter steht mehr als persönlicher Streit.

Gedenkstättenleiter Knabe vor Staatsratsvorsitzendem Foto: dpa

Am Dienstag setzte Hubertus Knabe, Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, die Zusammenarbeit der Gedenkstätte mit ihrem Förderverein aus. Man sehe mit Sorge „die vermehrten inneren Konflikte in dem Verein“. Diese würden dem Ansehen der Gedenkstättenstiftung schaden.

Anlass ist eine Beschwerde von Stephan Hilsberg, Mitglied im Vorstand des Fördervereins. Der frühere DDR-Bürgerrechtler beklagte in einem offenen Brief an Hubertus Knabe, dieser sei die Gefahr einer Unterwanderung des Fördervereins durch die AfD „nicht in ihrer ganzen Dimension zu erfassen bereit“. Der Vorsitzende des Fördervereins, der Burschenschaftler und frühere MDR-Redakteur Jörg Kürschner, mache den Verein zu einem „Aufmarschplatz der AfD“. Das widerspreche dem Ziel der Verankerung „demokratischer Werte, wie Freiheit, insbesondere Meinungsfreiheit, Toleranz, Pluralität und Rechtsstaat im gesellschaftlichen Bewusstsein“.

Schon im vergangenen Jahr nahm der Verein den Berliner AfD-Chef Padzierski auf, woraufhin die Schriftführerin des Vorstands ihr Amt niederlegte. Jörg Kürschner selbst ist seit einigen Monaten wieder publizistisch tätig: als Autor für die Junge Freiheit, das mediale Sammelbecken der Neuen Rechten. Dort gibt er der AfD Ratschläge für erfolgreiches parlamentarisches Agieren und schreibt Angela Merkel nieder.

Schon im vergangenen Jahr nahm der Verein den Berliner AfD-Chef Padzierski auf

Knabes Schadensbegrenzung durch Distanzierung vom Förderverein ist so bequem wie durchschaubar. Hilsbergs späten Versuch, auf die Folgesymptome eines hyper­ideologisierten Gedenkkonzeptes öffentlich hinzuweisen, einfach als „inneren Konflikt“ abzutun, ignoriert mit Absicht das zugrunde liegende Problem.

Die politischen Äußerungen Kürschners und einiger anderer aus dem Umfeld der Gedenkstätte sind anschauliche Belege für die These, dass das Gegenteil zur DDR eben nicht automatisch genannte demokratische Werte sind. Der rasende Antikommunismus vieler Ex-Bürgerrechtler ist verständlich. Ihrem Status als Opfer eines Unrechtsregimes, deren Erfahrungen bewahrt werden müssen, tut er keinen Abbruch. Die alleinige Legitimation der musealen Erzählung durch die Ablehnung der DDR hilft aber offensichtlich nicht bei der nachhaltigen Verankerung von Toleranz, Pluralität und Rechtsstaatlichkeit und wird nicht zufällig von der AfD als freundliche Einladung verstanden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • 1990 stand AfD noch für „Allianz für Deutschland“

     

    

In der „Zeit“ meinte kürzlich Jens Jessen, es sei „Kennzeichen jeder Revolution, daß sie die Strukturen der gestürzten Welt spiegelbildlich wiederholt.“

 Dieser in Stein gemeißelte Satz gilt dann natürlich auch die Anti-SED-Bewegung 1989 und wäre ein Erklärungsmuster für das deutsch-nationale Grummeln in den Nachfolgeländern der DDR, man habe nicht die UdSSR zum Teufel gejagt, um sich in der „EUdSSR“ wiederzufinden. Das ist zwar hanebüchener Unsinn, aber nur Ausdruck eines ähnlichen „spiegelbildlichen“ Ohnmachtsempfinden gegenüber einer übergestülpten Macht, wie man sie mit den Straßenprotesten der Feierabendrevolution im Herbst 1989 gerade loswerden wollte. Insofern ähneln die Dresdner abendländischen Spaziergänger und südostsächsischen AfD-Wähler den jubelnden Massen im Dezember 1989 vor der Semper-Oper, die unter dem Meer schwarz-rot-goldener Lochfahnen dem Kanzler zuriefen: „Helmut! Nimm uns an die Hand und führe uns in‘s Wirtschaftswunderland!“ An EU-Fahnen kann sich da niemand erinnern. Die damaligen Schlachtrufe „Wir sind das Volk“ und mehr noch „Wir sind ein Volk“ im Lichte der späteren Entwicklung nicht post festum als „populistisch“ und „nationalistisch“ zu lesen, fällt schwer. Insofern hat sich „der Osten“ nicht geändert, nur glaubten damals die Neo-Völkischen ihre Sache in der damaligen AfD, der „Allianz für Deutschland“ (nicht für Europa!) gut aufgehoben.

     

    Insofern ist die Rechtsdrift und AfD-Affinität nun auch des Fördervereins der Gedenkstätte Hohenschönhausen wie zuvor schon so mancher Revolutions-Protagonisten wie Steffen Heitmann, Vera Lengsfeld, Sigmar Faust , Uwe Tellkamp et all. keine Überraschung, sondern nur der kohärente Beleg für die Vermutung, daß der sächsische deutsch-nationalistische Flügel der Anti-SED-Bewegung 1989 und die heutige AfD/Pegida im Grunde aus gleichem Holz geschnitzt sind. Bärbel Bohley würde sich im Grabe rumdrehen.