AfD streitet über Umgang mit Urteil: Krah will nicht mehr kandidieren
Die AfD streitet nach der Schlappe vor dem OVG Münster über den juristischen Fortgang. Spitzenkandidat Krah will sich aus Parteivorstand zurückziehen.
Nach taz-Informationen hat sich die Entscheidung bereits vor zwei Wochen kurz nach der Festnahme von Krahs Mitarbeiter wegen des schweren Spionageverdachts für China angedeutet – auch nach einer nächtlichen Auseinandersetzung über den Umgang mit dem Skandal, bei der es teils sehr laut geworden sein soll. Dort soll Krah erstmals angedeutet haben, nicht wieder für den Vorstand anzutreten. Krah selbst äußerte sich bislang auf taz-Anfrage nicht dazu.
Seine damals zusammen mit dem Parteivorstand beschlossene Abstinenz von Wahlkampfauftritten ist unterdessen schon wieder vorbei. Mittlerweile geht Krah wieder auf Tour – und das, obwohl die Parteispitze ihn wegen nicht abreißender Skandale lieber verstecken würde.
Die Untersuchungshaft seines Mitarbeiters Jian G. ist mittlerweile gerichtlich bestätigt, Krahs Büroräume in Brüssel sind durchsucht worden und die Staatsanwaltschaft Dresden führt mittlerweile gegen Krah zwei Vorermittlungsverfahren wegen Abgeordnetenbestechung – nicht nur im Zusammenhang mit China, sondern auch Russland. Hier gibt es weitere Hinweise auf eine mögliche Bestechlichkeit von Krah, weil ein kremlnaher Politiker Krah „Kompensationen“ angeboten haben soll und dieser bei einer Vernehmung durch das amerikanische FBI auffällig viel Bargeld dabei gehabt haben soll (8.000 Euro).
Kampf um Konsequenzen aus Münster
Krah ist unterdessen nicht die einzige Baustelle der AfD: Die extrem rechte Partei leckt weiter die Wunden nach Münster. Das dortige Oberverwaltungsgericht hat am Montag geurteilt, dass der Verfassungsschutz die AfD als rechtsextremen Verdachtsfall beobachten und die Öffentlichkeit darüber informieren darf. Das Vorgehen des Inlandsgeheimdienstes sei nach dem Verfassungsschutzgesetz erforderlich und geboten. Laut der mittlerweile zweiten Instanz liegen hinreichende tatsächlich Anhaltspunkte dafür vor, dass die AfD Bestrebungen gegen die Menschenwürde bestimmter Personengruppen sowie gegen das Demokratieprinzip verfolgt. Sachwidrige oder politische Motive gibt es laut Gericht nicht, das Bundesamt für Verfassungsschutz komme bei der Einstufung und Beobachtung der AfD seinem Auftrag nach.
Die AfD hingegen ignoriert die erneuten Klarstellungen des Gerichts und konstruiert auf breiter Front eine Parallelwelt, mit der sie ihre Anhängerschaft wohl gegen die Realität immunisieren will – inklusive Verächtlichmachung des Rechtsstaats. So hat die Parteispitze zwar angekündigt, dass man Beschwerde einlegen werde, aber Weidel bemühte am Dienstag im Bundestag trotz des anderslautenden Urteils weiter die Mär vom instrumentalisierten Verfassungsschutz und stellte sogar die Unabhängigkeit der Gerichte in Frage. „Wenn da irgendwo ein Richter der AfD recht gibt, ist doch seine Karriere vorbei“, sagte sie. „Wir brauchen unabhängige Gerichte und institutionelle Unabhängigkeiten – das ist doch in Deutschland gar nicht gegeben.“ Bleibt die Frage, warum die AfD weiter gegen das Urteil vorgehen will, wenn die extrem rechte Partei zugleich die Unabhängigkeit der Gerichte anzweifelt.
Der Umgang mit dem deutlichen OVG-Urteil sorgt auch in der AfD für interne Konflikte. Während die Parteivorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel angekündigt haben, man werde dem Urteil „selbstverständlich widersprechen“, also auf jeden Fall vor die nächste juristischen Instanz ziehen, stößt dieser Kurs mittlerweile auf offene Ablehnung innerhalb der Partei.
Unter anderem Björn Höckes rechte Hand, der parlamentarische Geschäftsführer der Thüringer AfD-Fraktion, Torben Braga, schrieb auf X, dass die Entscheidung der Parteispitze, weiter zu klagen, „kaum nachvollziehbar“ sei. „Die AfD begibt sich auf ein Spielfeld und bittet Schiedsrichter darüber zu urteilen, ob Spielregeln eingehalten werden. Diese Spielregeln legt aber die Gegenseite fest und kann sie auch jederzeit verändern“, behauptet Braga. Und fragt: „Wie soll man jemals obsiegen?“
Der Chef der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative, Hannes Gnauck – selbst vom Militärgeheimdienst als Rechtsextremist eingestuft – kritisierte: „Die juristische Auseinandersetzung mit dem BfV lähmt die AfD seit Jahren, ohne jeglichen Erfolg.“ Er forderte, „alle Energie und finanzielle Mittel nun vorrangig in den Wahlkampf und in den Aufbau von Strukturen“ fließen zu lassen. „Das Ganze muss politisch entschieden werden“, so Gnauck. Der Cottbuser AfD-Politiker schloss sich der Kritik an der Parteispitze an: „Was hat der Spaß jetzt gekostet? Wäre schön, wenn die AfD ihr knappes Geld jetzt wieder vorrangig für politische Arbeit ausgeben würde.“ Er kritisierte, dass für Cottbus nur 3 Großplakate gebucht worden wären – das zehnfache sei angebracht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestellerautor will in den Bundestag
Nukleare Drohungen
Angst ist ein lautes Gefühl
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Eine ganz normale Woche in Deutschland