AfD nach der Wahl in Sachsen-Anhalt: Streit statt Feierstimmung
Die AfD hadert mit dem Wahlausgang. Während Björn Höcke den völkischen Kurs bestätigt sieht, teilt Parteichef Meuthen diese Deutung so gar nicht.
Die Zufriedenheit teilen jedoch nicht alle in der Partei. Denn zur Wahrheit gehört: Die AfD hatte sich bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt mehr erhofft. Co-Bundeschef Jörg Meuthen und Wahlkämpfer hatten den Spitzenplatz noch vor der CDU als Ziel genannt, erstmals bundesweit. Doch am Ende landete die AfD mit 20,8 Prozent deutlich auf Platz zwei – 17 Prozentpunkte hinter der CDU und auch mit deutlich weniger als die 24,3 Prozent von 2016.
Dazu verlor die Partei fast alle Direktmandate. 2016 hatte sie noch 15 davon gewonnen, nun gab es nur ein einziges. Viele empfanden die Arbeit der AfD vor Ort offenbar als nicht so berauschend. Das einzige Direktmandat holte der Installateur Lothar Waehler im Wahlkreis Zeitz – und der profitierte davon, dass sein CDU-Gegenkandidat Arnd Czapek in Vorwürfe verwickelt war, unrechtmäßig Flutfördermittel eingesetzt zu haben.
Anhänger wählen aus Protest, aber auch Überzeugung
22.000 AfD-Wähler:innen wanderten laut infratest dimap zur CDU ab, 5.000 auch zur FDP. Dies könnten frühere „Denkzettelwähler:innen“ sein, die nun doch nicht wollten, dass die Rechtsextremen den Spitzenplatz im Land holen. Die meisten AfD-Anhänger:innen erklärten indes weiter, sie hätten die AfD aus Protest gegen die anderen Parteien gewählt. 20 Prozent der Befragten attestieren der AfD aber auch Sachkompetenz bei der Asylpolitik, immerhin 15 Prozent bei „ostdeutschen Interessen“ und zehn Prozent bei sozialer Gerechtigkeit. Letzteres verstärkt die derzeitigen Probleme bei SPD und Linkspartei.
Damit hält die AfD in Sachsen-Anhalt inzwischen einen stabilen Wähler:innensockel – trotz oder gerade wegen ihres radikalen Kurses. Schon zu Jahresbeginn hatte der Verfassungsschutz den Landesverband als rechtsextremen Verdachtsfall eingestuft. Im Wahlkampf hatte die Partei rüde gegen den „Corona-Irrsinn“ agitiert, in ihrem Programm im NPD-Stil gegen „Wohlstandsmigranten“, eine „linke Vereinsmafia“ oder angebliche „perverse Frühsexualisierung“ gewettert.
Gerade jüngere Wähler:innen störte das offenbar nicht. So lag die AfD in allen Altersgruppen bis 44 Jahre an erster Stelle, besonders deutlich bei den 25- bis 34-Jährigen. Vor allem die Senior:innen hielten dagegen weit mehrheitlich zur CDU.
Oliver Kirchner, AfD-Spitzenkandidat in Sachsen-Anhalt, erinnerte am Montag daran, dass seine Partei gezielt die Jugend angesprochen habe – mit Erstwähleranschreiben und via Facebook. Angesichts des Gegenwinds und dem Fakt, das viele taktisch Ministerpräsident Haseloff von der CDU gewählt hätten, sei das Ergebnis daher „wirklich gut“. Nun werde man die Partei in den nächsten Jahren „ganz entspannt“ weiter aufbauen.
Nicht nur die verlorenen Direktmandate aber schmerzen die AfD. Da sie nun nicht mehr ein Viertel der Abgeordneten im Landtag stellt, kann sie etwa allein nicht mehr das Landesverfassungsgericht mit Normenkontrollklagen anrufen – was die Rechtsaußen zuletzt wiederholt als PR-Instrument nutzten.
Richtungsstreit bricht wieder auf
In der Bundespartei brach denn auch der seit Monaten währende Richtungsstreit wieder auf. Parteichef Jörg Meuthen lobte das Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt nur verhalten als „solide“. Angesichts der „desolaten Verfassung der politischen Konkurrenz“, inklusive der CDU, wäre „mit einem stärker in die Mitte zielenden, weniger allein auf Protest setzenden Wahlkampf auch ein noch deutlich stärkeres Ergebnis durchaus möglich gewesen“.
Chrupalla tat dies prompt als „Einzelmeinung“ eines Parteimitglieds ab – ein Affront gegen den Co-Bundeschef. Am Montag erklärte er, wer gut 20 Prozent der Stimmen hole, erreiche damit auch die Mitte.
Chrupalla liegt schon länger auf Linie mit dem Thüringer Parteianführer Björn Höcke, der auf einen völkischen Kurs der AfD drängt und das Ergebnis in Sachsen-Anhalt ebenfalls als Konsolidierung gegen den „nochmal gewachsenen Widerstand des polit-medialen Establishments“ zu verkaufen suchte. Höckes Parole: „Wir müssen mehr Osten im Westen wagen.“ Jörg Meuthen dagegen war von der AfD in Sachsen-Anhalt gar nicht erst zu Wahlkampfauftritten eingeladen worden.
Schon zuletzt hatten die Rechtsaußen in der Partei gepunktet: Sie setzten sich auf Wahllisten durch, ihre Vertreter Chrupalla und Alice Weidel führen die AfD in den Bundestagswahlkampf, beim Wahlprogramm sorgte Höcke für Verschärfungen. Und der Flügel hält Kontakt auch zu Rechtsextremen außerhalb der Partei. Auf der Magdeburger Wahlparty plauschten AfD-Leute laut Beobachtern etwa mit Vertretern des „Ein Prozent“-Vereins, der ebenfalls Verdachtsfall des Verfassungsschutzes ist und den Identitären nahesteht.
Zentralrat der Juden warnt
Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, warnte denn auch, das Ergebnis der AfD dürfe „niemand auf die leichte Schulter nehmen“. Jeder fünfte Wähler habe weiter für die Rechtsextremen gestimmt, deren Verbannung aus den Parlamenten müsse das Ziel bleiben.
Und auch das „Unteilbar“-Bündnis in Sachsen-Anhalt sprach von einem „traurigen Höhepunkt der Normalisierung extrem rechter Politik in der Bundesrepublik“. Es dürfe keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Der demokratische Konsens im Landtag bleibe aber „fragil“. Die Zivilgesellschaft müsse deshalb weiter für Solidarität statt Ausgrenzung kämpfen.
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