AfD in Sachsen: Wut, Trotz und Selbstmitleid
Auf die eingekürzte Landesliste der AfD reagieren die anderen Parteien noch nicht wahltaktisch. In der Bevölkerung sind die Reaktionen gemischt.
Die Entscheidung fiel am 5. Juli, einen Tag nach der letzten Landtagssitzung der jüngsten Legislaturperiode. Seither ist das politische Sachsen weitgehend im Urlaub, bevor in der vorletzten Juliwoche die Wahlschlacht in die heiße Phase tritt.
Nur die betroffene AfD selber schäumt gewaltig. Aus der Partei heißt es, die zuständige Landeswahlleiterin Carolin Schreck habe eine Falschaussage getroffen. Schreck hatte ein Mängelschreiben vom Juni erwähnt, in dem sie die AfD auf drohende Einschränkungen hinwies. Die Landespartei habe nicht reagiert. Das sei falsch, behauptet AfD-Landeschef und Spitzenkandidat Jörg Urban und droht mit einer Klage gegen Schreck. Auch von Medien, die diese Aussage der Wahlleiterin verbreiteten, will er eine Gegendarstellung verlangen.
Die AfD hatte aufgrund ihres umständlichen Wahlverfahrens zwei Parteitage benötigt, um ihre 61 Listenplätze zu besetzen. Der Landeswahlausschuss monierte, dabei seien unterschiedliche Wahlverfahren angewendet worden, und ließ nur die ersten 18 Plätze des ersten Parteitages zu. Im Ausschuss sitzen neben der Landeswahlleiterin, entsprechend der Sitzverteilung im Landtag, auch Vertreter der Parteien.
Schweigen von CDU und SPD
Die AfD fährt gegen ihre Limitierung weiterhin alle Geschütze auf, spricht von einem „Komplott der Altparteien“ und „politischem Schmierentheater“. Alle Unterlagen seien form- und fristgerecht eingereicht worden. Als Rechtsmittel gegen die Listenbeschränkung kommt nur eine Wahlprüfung nach der Wahl in Frage. Die will die AfD nicht abwarten.
Ihr Jurist Joachim Keiler, auf Platz drei der Landesliste nominiert, kündigte eine Verfassungsbeschwerde als vorläufigen Rechtsbehelf an. Generalsekretär Jan Zwerg distanzierte sich aber von den Hassbotschaften und Drohungen, die gegen den Landeswahlausschuss eingingen. Der tagt inzwischen nur noch unter Polizeischutz.
Laut Umfragen könnte die AfD mit einem Zweitstimmenanteil von 25 Prozent etwa 30 der 120 Landtagssitze besetzen. Dazu müsste sie nun aber außerdem ein rundes Dutzend Direktmandate in den Wahlkreisen hinzugewinnen. Wenn andererseits Unterstützungsbündnisse für aussichtsreiche Gegenkandidaten geschmiedet würden, könnten AfD-Wahlkreissiege verhindert werden. Auf diese Weise konnte sich im Juni beim zweiten Wahlgang der Görlitzer Oberbürgermeisterwahl der CDU-Kandidat Octavian Ursu gegen Sebastian Wippel von der AfD durchsetzen.
Doch davon will im Moment niemand sprechen. „Es gibt kein ‚Görlitzer Modell‘, und es gibt keine Absprachen“, erklärt Annett Jagiela, Wahlkampfleiterin der grünen OB-Kandidatin Franziska Schubert, die für Ursu zurückgezogen hatte. CDU und SPD wollten sich gar nicht zum Thema äußern.
Bei Gesprächen mit Bürgern wird indes klar, dass sich der Ton im Wahlkampf wohl weiter verschärfen wird. Das spiegelt sich auch in einer MDR-Hörerumfrage wider. Die einen sprechen von „Manipulation“ und sehen die AfD als Opfer des Systems. Andere äußern Befremden über die regierungswillige, aber offensichtlich überforderte AfD und ihre Trotzreaktion. Vor allem ältere Bürger offenbaren in der Umfrage zusätzlich immer wieder erschreckende Unkenntnis zu rechtsstaatlichen Prinzipien, etwa wenn sie die „Bürokratie“ gegen das ausspielen, „was das Volk möchte“.
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