AfD im Berliner Parlament: Alternativdeutsche Ausrufezeichen
Liebstes Satzzeichen der Berliner AfD-Fraktion ist das „!“ – keine Pressemitteilung kommt ohne es aus. Kann man das psychologisch deuten?
Vielleicht war es ja eine doofe Idee. Seitdem ich einmal bei einem Pressegespräch der AfD war, bekomme ich täglich mehrere deutschalternative Pressemitteilungen. Ganz lustig war letztens diese: „Neue Busspuren nur mit Augenmaß!“ Ich hab das so interpretiert, dass man da keine Vermessungsingenieure mehr braucht, sondern einfach mal den Sarrazin mit weißer Farbe losschickt. Man wird ja wohl noch malen dürfen.
Am meisten aber hat mich das Ausrufezeichen am Ende des Mailbetreffs beschäftigt. Was sollte da bekräftigt werden? Die Skepsis gegenüber neuen Busspuren? Oder das hohlspiegelverdächtige Augenmaß? Ich hab dann nachgeguckt und festgestellt, dass fast alle deutschalternativen Pressemitteilungen mit einem Ausrufezeichen versehen sind.
Ich kann es nicht anders deuten als so: Diese Partei gibt sich nach außen stark. Sie will uns sagen, dass sie längst keine Fragen mehr stellt, sondern schon Antworten hat. Gleichzeitig ist sie sich, und das ist die zweite Botschaft des Fragezeichens, ihrer Antworten nicht so recht sicher.
Aber anstatt diese Unsicherheit zuzulassen, wird sie einfach übergangen, die Schwäche wird zur Stärke umgeklebt. Das deutschalternative Ausrufezeichen ist ein Hinweis darauf, dass dem Absender die ruhende Mitte fehlt, eine innere Balance, vielleicht braucht er sogar Hilfe?
Mitmachen oder nicht
Allerdings gibt es Satzzeichen, die Fragen aufwerfen, auch bei anderen Parteien. So wissen die Linken nicht so recht, ob sie beim grünen Gender-Stern mitmachen sollen oder nicht. Auch die CDU hat sich noch nicht entschieden, wohin die Reise in der Opposition geht. Entweder lächelt einen Monika Grütters an, so dass ein Satzzeichen am Ende gar nicht nötig ist.
Oder man gibt sich betont unwissend wie Sven Rissmann und Burkard Dregger: „Hat Koppers massive Gefährdung ihrer Beamten in Berliner Schießständen in Kauf genommen?“ Sogar ein alternativdeutsches Ausrufezeichen findet sich, und das ausgerechnet beim Vorzeigeschwulen Stefan Evers: „Hängepartie am BER beenden!“
Aber beenden wir dieses Trauerspiel mit dem Original. Die AfD ist auch deshalb gegen neue Busspuren, weil diese den Wirtschaftsverkehr stören. Also endet die betreffende Pressemitteilung mit dem Satz: „Diese Verkehrsträger sind überlebenswichtig für Berlin und dürfen nicht einseitig zu Gunsten des Busverkehrs benachteiligt werden“
Ohne Punkt. Wir reichen ihn nach.
.!
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?