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AfD bei BürgerschaftswahlHamburgs Lebenslüge

In Hamburg liegt die AfD deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Trotzdem hat sie auch hier zugelegt und kommt bei der Bürgerschaftswahl auf 7 Prozent.

Da kommt keine rechte Freude auf: AfD Spitzenkandidat Dirk Nockemann (ganz rechts) neben Bundeschef Chrupala Foto: Markus Scholz/dpa

Hamburg taz | Die AfD hat in Hamburg ersten Prognosen zufolge 7 Prozent erzielt. Damit hat sie zugelegt, ihre Stimmen anders als erwartet aber nicht verdoppelt. Bei der letzten Bürgerschaftswahl 2020 hatte sie bei 5,3 Prozent gelegen. Im bundesweiten Vergleich ist die Hamburger AfD schwach. Kein Wunder, könnte man meinen. Schließlich wählen Menschen in großen Städten und in Westdeutschland tendenziell weniger rechts.

Hamburg gilt zudem als traditionell weltoffen, auch wegen des internationalen Hafens. Aber, das hat die Bürgerschaftswahl bestätigt, auch in Hamburg wählen immer mehr Menschen Rechtspopulist:innen. Das hat sich schon bei der Bundestagswahl vor einer Woche gezeigt, bei der die AfD hier auf rund 11 Prozent gekommen ist – bei der letzten Wahl 2021 waren es noch 5 Prozent gewesen.

Seit der Bundestagswahl 2025 hat Hamburg zudem zwei blaue Flecken: In den Stadtteilen Hausbruch im Südwesten und in Neuallermöhe im Südosten wurde die AfD zum ersten Mal stärkste Kraft. In Neuallermöhe kam sie in einzelnen Wahllokalen sogar auf über 42 Prozent. Das sieht man dem erst in den 1980er Jahren errichteten Stadtteil nicht unbedingt an. Neuallermöhe ist grün und gilt als familienfreundlich. Fleete, kleine Wasserarme, Brücken und Mehrfamilienhäuser aus rotem Backstein prägen das Bild.

Warum in seinem Viertel so viele Menschen eine rechtsextreme Partei wählen? „Verstehe ich selbst nicht“, sagt Salem Halem, „aber es tut weh“. Der 31-Jährige betreibt einen Späti, im Herzen von Neuallermöhe, dem zentralen Fleetplatz. Er beobachte, was viele Leute auf der Straße auch erzählen: dass die Stimmung eigentlich gut sei, dass hier Menschen aus vielen verschiedenen Ländern friedlich zusammenlebten.

Hoher Migrationsanteil

Selbst darf Halem nicht wählen, er ist bulgarischer Staatsbürger. In Neuallermöhe liegt der Anteil an Menschen mit Migrationsgeschichte mit rund 60 Prozent über Hamburgs Durchschnitt von 40 Prozent. Es ist zudem der Stadtteil mit den meisten jungen Menschen. Unter den 18- bis 25-Jährigen haben 80 Prozent einen „Migrationshintergrund“.

Warum die AfD hier stärkste Kraft geworden ist, sei aus wissenschaftlicher Perspektive ein Rätsel, sagt der Politikwissenschaftler Kai-Uwe Schnapp von der Uni Hamburg. „Eine systematische Antwort gibt es da nicht“, sagt Schnapp.

Bei Indikatoren, die normalerweise mit hohen Zustimmungswerten für die AfD zusammenhängen, wie die Arbeitslosenquote, die Dichte an Kindergärten oder die Anzahl niedergelassener Ärzt:innen, liegt Neuallermöhe zwar unter dem Hamburger Durchschnitt. „Aber es gibt Stadtteile, die sind deutlich schlechter gestellt und haben kein so hohes AfD-Wahlpotenzial.“ Schnapp nimmt daher an, dass es in Neuallermöhe eine Community gibt, die sich gegenseitig bestärkt, die AfD zu wählen. Die Vermutung: Russlanddeutsche.

Neuallermöhe ist das Viertel mit den meisten Ein­woh­ne­r:in­nen mit russischer Migrationsgeschichte in Hamburg. Und diese Gruppe hat unter allen Wäh­le­r:in­nen mit Migrationsgeschichte in Deutschland das größte AfD-Wahlpotenzial. Das hat eine im Januar erschienene Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung ergeben. Schon seit Jahren macht die AfD gezielt Wahlkampf auf Russisch. Wie viele Neu­al­ler­mö­he­r:in­nen mit Bezug zur ehemaligen Sowjetunion bei der Bürgerschaftswahl tatsächlich AfD gewählt haben, lässt sich aber noch nicht sagen. Den AfD-Erfolg allein mit ihnen zu erklären, wäre wohl auch zu einfach, sagt Politikwissenschaftler Schnapp. Warum Neuallermöhe so rechts wählt, soll ein Forschungsprojekt ab Sommer 2025 untersuchen.

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7 Kommentare

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  • Hamburg hat 1.9 Millionen Einwohner, Thüringen 2.1 Millionen. Die Unterschiede im Bezug auf die Bevölkerungsanzahl sind also gering.

    Über die Thüringen wurde wochenlang berichtet, die gestrige Hamburg-Wahl scheint medial völlig egal zu sein?!....



    Hier in der Taz, in der Zeit, überall....

    Das einzige was noch berichtenswert an Wahlen zu sein scheint, ist die Frage, wie die AfD abgeschnitten hat.

    Das ist der Teufelskreis der Berichterstattung, der tatsächlich mal untersucht werden sollte! Die Wählenden lernen daraus folgendes: Wenn ich die Aufmerksamkeit auf mein Stadtteil oder meine Region lenken will, dann hilft es nur, die Afd zu wählen-Fatal, gefährlich und viel interessanter als die Frage, warum in Neuallermöhe viele Russlanddeutsche AFD wählen!

  • Hummel, Hummel – Mors, Mors!



    Die AfD hat kleine Chance hier in der roten Burg. Und das wurde auch ganz deutlich im Wahlergebnis. Selbst ihr Klientel hat "die da" nicht gewählt und kaum wer hier ist auf die Lügen der Volksverräter reingefallen.

    Nörgeln könn wa morgen wieder, heute genieß ich die Sonne und meine tollen Mitmenschen hier!

    Danke, Hamburg!

  • Nun, wir müssen in HH froh sein, dass der Zuwachs hier nur wenige Prozentpunkte betrug. Das liegt aber auch daran, daß Bundesthemen hier nicht verfangen und der rot-grüne Senat gute Arbeit leistete und die CDU hier ebenfalls - und auch das muß man anerkennen - auf dem Teppich geblieben ist und ihr Zuwachs den der AgD gehemmt hat. Weiterhin ist die AgD in HH nicht von den lautstarken Grölern wie in der Bundespolitik durchsetzt, was ja vielerorts und fälschlicherweise als Kompetenz ausgelegt wird und entsprechend affine Leute ein Kreuz an deren Stelle machen läßt.

  • 4% der Bundestags-AfD-Wähler scheinen einen Unterschied zwischen Landes- und Bundespolitik zu machen. Das ist löblich, in anderen Gegenden räumt die AfD bei Kommunalwahlen mit Themen wie "Raus aus dem Euro" ab.

  • Wen wundert es, gerade da wo es wenig echte Probleme gibt, bekommen die Wähler "gefühlte" Probleme von rechter Presse und durch die sog. sozialen Medien präsentiert und von der AgD und Putintrollen verstärkt, bis sie den Wahn für Realität halten und braun wählen.

  • Warum der Stadtteil so rechts wählt soll nun ein Forschungsprojekt untersuchen.



    Ernsthaft?



    Deswegen fordern viele einen "schlanken" Staat. Diese Forschung kostet Geld, privat finanziert? Glaube ich weniger. Also Steuergelder. Um rauszufinden warum jemand dies oder das wählt.

    Unfassbar.

    • @hkj2314:

      ja, wirklich unfassbar, dass jemand am beispiel dieses stadtteils (und dessen plakativem wahlergebnis) versuchen möchte, heraus zu finden, warum menschen eine rechtsextreme, demokratiefeindliche partei wählen, die politik gegen ihre eigenen interessen macht. ist ja auch ein völlig uninteressantes, abseitiges thema, das eigentlich keine sau interessiert. himmel hilf.

      darüber hinaus ist der im text zitierte politikwissenschaftler professor an der uni hamburg. naheliegend also, dass diese studie im universitätskontext stattfinden könnte – in welcher form auch immer. da über "verschwendete steuergelder" zu jammern und mit dem "schlanken staat" zu kommen, ist wirklich unbeschreiblich lächerlich. insbesondere, da die kritik wieder nur auf mutmaßungen und "glauben" basiert.



      aber ist natürlich einfacher, in den kommentarspalten immer erstmal abzugiften – comment first, think later.