AfD-Streit um die Junge Alternative: Offene Feldschlacht in der Höcke-Jugend
Aus der Jungen Alternative (JA) sollen die Jungen Patrioten (JP) werden. Der Vorschlag des AfD-Bundesvorstands stößt auf erheblichen Widerstand.
„Eine Auflösung unserer Organisation ist zum jetzigen Zeitpunkt völlig falsch, und wir haben andere wichtige Aufgaben zu meistern“, postete Leisten, die als Beisitzerin auch im Vorstand der Bundes-JA sitzt. Sie kündigte Widerstand gegen den JA-Chef Gnauck an: Sie freue sich auf den Bundeskongress in Apolda im Februar, schreibt Leisten auf X, weil man dort „einen neuen Bundesvorstand wählen“ werde.
Für noch mehr Feldschlacht sorgten ihre Kollegen aus dem JA-Vorstand: Der stellvertretende Bundesvorsitzende Sven Kachelmann aus Bayern forderte: „Wer seine Partei so abschießen will, sollte sein Amt räumen.“ Und wenn man schon mal dabei ist: „Jetzt heißt es Stahlhelm auf und ab in den Schützengraben. Unsere JA nehmen sie uns nicht“, schrieb JA-Vize-Chef Nils Hartwig laut Table Media in einem internen Chat.
Krach war also programmiert bei einer Sitzung der JA am Mittwochabend: Das digitale Treffen dauerte nach taz-Infos über zwei Stunden und verlief kontrovers. Vor allem die JA-Landesverbände in Bayern, Brandenburg, Thüringen und NRW sperren sich gegen die vom AfD-Bundesvorstand beschlossene Satzungsänderung, die weiten Teilen der Jugendorganisation über die Medien bekannt wurde.
JA gründet eigene Satzungskommission
JA-Chef Hannes Gnauck sagte der taz, dass es bei der Sitzung am Mittwoch weder für noch gegen den Vorschlag des Bundesvorstands eine Mehrheit gegeben habe. Im Ergebnis habe man eine Satzungskommission gegründet, um Änderungen am Vorschlag zu erarbeiten. Gnauck sagte: „Der Vorschlag des Bundesvorstands ist ja nicht in Stein gemeißelt.“
Allerdings räumt Gnauck einen Kritikpunkt ein: Es sei sehr unglücklich gewesen, dass die Satzungsänderung zuerst den Medien vorlag, bevor die JA informiert worden sei – „aber das manche jetzt vorgeben, angesichts der Änderungen aus allen Wolken zu fallen, ist schlicht nicht ehrlich – das wir an einem Konzept wie dem Juso-Modell arbeiten, war lange bekannt.“
Die AfD will am Samstag bei der Nominierung ihrer designierten Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl, Alice Weidel, in einer Klausur mit den Landessprechern auch über die Zukunft der Parteijugend diskutieren. Mittlerweile ist bekannt, dass der neu zu gründende Verband „Junge Patrioten“ (JP) heißen soll. Die bisherigen Pläne sehen vor, dass jedes AfD-Mitglied unter 36 Jahren automatisch JP-Mitglied wird und die Parteijugend ein „rechtlich unselbständiger Teil“ der Partei werden soll. Ähnlich ist es auch bei anderen Parteien, etwa bei den Jusos in der SPD geregelt.
Der Bundesvorstand will besser disziplinarisch durchgreifen können und gleichzeitig die Jugendorganisation und ihre Mitglieder vor einem drohenden Verbot schützen können. Von Deradikalisierung oder Mäßigung ist nicht die Rede. Die JA ist zwar als Parteijugend anerkannt, agiert bisher aber als formal unabhängiger Verein. Der AfD-Bundesvorstand hat keinen Zugriff auf die Mitglieder, die bis ins rechtsterroristische Spektrum reichen. Der neue, zur Partei gehörende Jugendverband wäre durch das Parteiengesetz zudem juristisch besser geschützt, man könnte ihn nicht wie einen einfachen Verein verbieten. Die dafür notwendige Satzungsänderung müsste auf dem Parteitag in Riesa Mitte Januar mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen werden – ob die bis dahin steht: unklar.
„Junge Patrioten“ hätten 6.500 Mitglieder
Bisher soll die JA rund 2.500 Mitglieder und 500 Förderer haben, die Hälfte der JA-Mitglieder sollen auch AfD-Mitglieder sein. Die neue Jugendorganisation hätte laut AfD rund 6.500 Mitglieder. Die Bundesspitze plant, bis zum 31. Mai 2025 sämtliche Mitglieder unter 36 zur „ersten bundesweiten Mitgliederversammlung der Jungen Patrioten“ einzuladen, um ein „Jugendstatut“ zu beschließen und einen Vorstand zu wählen. Mit Genehmigung des Jugendstatuts durch den AfD-Vorstand verlöre die JA die Anerkennung als Jugendorganisation der AfD, wie der taz vorliegende interne Dokumente zur Satzungsänderung zeigen.
Geht es nach dem Willen der AfD-Spitze, hat sich die JA bis dahin auf ihrem Bundeskongress in Apolda am 1. Februar selbst aufgelöst – dafür bräuchte es allerdings eine Mehrheit von über 90 Prozent – und die scheint angesichts des erheblichen Gegenwinds unwahrscheinlich.
Auch auf der rechtslastigen Social-Media-Plattform X gab es Spott für die Änderungspläne von rechtsextremen Online-Aktivist*innen: Einer teilte das Zeichen der DDR-Kinderorganisation der Jungen Pioniere, die ebenfalls mit JP abgekürzt wurden, und schrieb dazu „Seid bereit!“.
Das Neonazi-Vorfeld in Sachsen warnte ebenfalls vor den Plänen der AfD-Spitze: So schrieb Michael Brück von den Freien Sachsen auf seinem Telegram-Kanal: „Für die JA gilt die unsägliche Unvereinbarkeitsliste der AfD bisher nicht, sie kann selbst entscheiden, wer mitmacht. Deshalb ist die JA ein wichtiger Vernetzungsakteur im patriotischen Milieu.“ Er halte die Eingliederung für „eine perfekte Möglichkeit für das angepasste AfD-Führungspersonal, unbequeme JAler auszusortieren.“
Spaltung der JA steht bevor
Innerhalb der JA-Führung gibt es allerdings auch Fürsprecher für eine Neugründung, wie etwa den als schwulenfeindlich, ultralibertär und radikal bekannten EU-Abgeordneten und JA-Vize-Sprecher Tomasz Froelich. Der schrieb auf X, dass für ihn mit stärkerer Parteibindung keine „Abstrich von unseren Positionen“ einhergehe, sondern ein „stärkerer Schutz vor Repressionen“. Eine stärkere Anbindung sei daher „ein Erfolg, keine Kriegserklärung“, schrieb er: „Trotzreaktionen sind unangebracht.“
Langfristig läuft es wohl auf eine Parallelstruktur heraus. Der rechtsextreme Kopf der Identitären, Martin Sellner, forderte: „Wenn sich diese Eingliederung/Auflösung noch verhindern lässt, sollte sie aus meiner Sicht verhindert werden. Das Risiko einer zahnlosen Parteijugend, die ihrer Aufgabe noch nachkommen kann, ist einfach zu groß.“ Sonst würde die AfD zu „parlamentspatriotisch“ – und es komme nicht zur „Remigration“ – also der Vertreibung derjenigen, die nach rassistischen Kriterien nicht in das völkische Weltbild passen.
Falls die Eingliederung unter dem Label Junge Patrioten nicht zu verhindern sei, plädiert Sellner dafür, die JA als freien Verein fortzuführen – als eine Art Aktionskomitee im Stile der amerikanischen „Super PACs“, wie er es formulierte. Man solle radikale Kampagnen und Aktionen für die Partei organisieren, die den Diskurs weiter nach rechts verschieben, aber getrennt bleiben, dann könne die AfD „plausibel“ abstreiten, dass die Ultraradikalen zur Partei gehörten, aber „zugleich indirekt unterstützt werden“.
Sellners Vorschläge stoßen durchaus auf Anklang im Parteivorfeld. Es ist also wahrscheinlich, dass sich die bisherige Jugendorganisation schlicht spaltet – vor allem, weil es 90 Prozent der Stimmen beim JA-Bundeskongress bräuchte, um die JA aufzulösen. Wo die Brandenburger JA-Chefin Anna Leisten steht, ist klar: Sie teilte Sellners Vorschlag auf X.
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