AfD-Stiftung scheitert im Streit mit EU: Erasmus bleibt Europäer

Die Erasmus-Stiftung geht wegen Namensrechten gegen die EU vor – und unterliegt im Rechtsstreit. Das zeigen Dokumente von „Fragdenstaat“ und taz.

Ein Gemälde vom Gelehrten Erasmus von Rotterdam, er trägt eine schwarze Haube vor einem Bücherregal

Rotiert wegen der AfD im Grab: Erasmus von Rotterdam, 1517, Öl auf Holz von Quentin Metsys Foto: picture alliance

BERLIN taz | Die extrem rechte AfD und die ihr nahestehenden Strömungen und Organisationen versuchen häufig, positiv besetzte Symbole und Personen für sich zu vereinnahmen. Das ist eine gezielte Strategie, um Diskurse auf den Kopf zu stellen und eine extrem rechte Agenda anschlussfähig zu machen.

Ein aktuelles Opfer ist Erasmus von Rotterdam, niederländischer Humanist, Wegbereiter der Aufklärung und Theologe des 15. und 16. Jahrhunderts. Unterm Strich ist Erasmus trotz seines virulenten Antijudaismus in der öffentlichen Erinnerung positiv besetzt. Wohl auch deswegen hat sich die AfD-nahe politische Stiftung von Erika Steinbach (AfD) nach ihm benannt – seit ihrer Gründung 2017 in Lübeck nennt sich diese Desiderius-Erasmus-Stiftung.

Nun droht der Stiftung allerdings eine Klage aufgrund von möglichen Verletzungen des Markenrechts. So prüft die EU-Kommission schon länger rechtliche Schritte gegen die Stiftung von Steinbach. Denn Erasmus ist schon seit 2009 markenrechtlich geschützter Namens­patron diverser europäischer Institutionen – wie etwa dem bei Studierenden und Auszubildenden beliebten internationalen Austausch- und Stipendienprogramm „Erasmus“.

Das Austauschprogramm ist nicht zuletzt nach Erasmus benannt, weil der durch seinen regen Austausch mit Fürsten, Königen, Päpsten und Kardinälen als einer der ersten Europäer gilt. Umso verwunderlicher, dass die Steinbach-Stiftung mit ihrer Nähe zur eurokritischen AfD, in der große Teile sogar für einen EU-Austritt Deutschlands plädieren, sich in der Tradition dieses europäischen Netzwerkers sehen will.

AfD greift Markenrecht der EU an

Schon eher ins Bild passt: Die AfD-Stiftung geht ihrerseits juristisch gegen die EU vor und versucht so offenbar einer Klage der EU zuvorzukommen. Mit einem Antrag auf Widerruf wollte sie bei der EU-Markenrechtsbehörde feststellen lassen, dass Erasmus widerrechtlich geschützt sei. Allerdings ist die Stiftung mit dem Antrag größtenteils gescheitert, wie aus Unterlagen hervorgeht, die fragdenstaat.de und der taz vorliegen. Die Dokumente hat fragdenstaat.de über das Transparenzportal der EU-Behörde beschafft und auf seiner Website veröffentlicht.

Die EU nutzt den Namen Erasmus rechtmäßig und behält die Wortmarke

So nutzt die EU laut einem Beschluss des europäischen Amts für geistiges Eigentum (EUIPO) von Anfang Dezember 2021 die Marke Erasmus größtenteils rechtmäßig und bleibt im Besitz der Wortmarke. Das betrifft alle Bereiche, in denen der Name Erasmus regelmäßig zur Anwendung kommt – was etwa das bekannte Stipendien- und Austauschprogramm sowie unter anderem Online- und Printpublikationen, Statistiken, Finanzierungsprogramme, Computerprogramme, und Bildungsangebote aller Art umfasst.

Allerdings hat die AfD auch in Teilen recht bekommen: So hat die EU in wenigen Bereichen keinen Anspruch mehr auf das Markenrecht. Etwa dort, wo sie den Namen Erasmus seit fünf Jahren nachweislich nicht verwendet hat. Laut Beschluss bezieht sich das auf vereinzelte Waren wie Computer, aber auch Dienstleistungen wie Marktstudien, Spendensammlungen für wohltätige Zwecke und Bildungsakademien.

Insgesamt wertet die Stiftung den Beschluss als Niederlage: So hat die Anwaltskanzlei Höcker für die Stiftung Rechtsmittel gegen den Beschluss eingelegt. Steinbach sagte der taz: „Seitens der EU ist man offensiv gegen unseren Namen vorgegangen.“ Man habe nicht vor, Stipendienprogramme unter dem Namen Erasmus zu installieren, so Steinbach. Darüber hinaus wollte sie den Beschluss wegen der anhängigen Beschwerde nicht kommentieren.

Die EU wiederum fühlt sich durch das Urteil bestätigt. Ein Kommissionssprecher sagte auf taz-Anfrage, dass man die Entscheidung begrüße und kündigt rechtliche Schritte gegen die AfD-Stiftung an: Die EU werden den Namen Erasmus weiter wie bisher nutzen können und gegen widerrechtliche Eintragungen vorgehen. Die Entscheidung gilt laut EU-Kommission für alle relevanten Bereiche und bestätige Bedeutung, Umfang und positiven Ruf des „ikonischen“ Erasmus-Programms.

EU-Kampfansage an die AfD-Stiftung

„Die Europäer verbinden den Namen ‚Erasmus‘ mit unserem Programm, und das Eigentum an der Marke ermöglicht es uns, das Image zu schützen, das wir gemeinsam aufgebaut haben“, sagt der Sprecher der EU-Kommission. Und eine Kampfansage in Richtung Steinbach-Stiftung macht die EU auch: „Die Kommission wird die notwendigen Schritte unternehmen, um sicherzustellen, dass die AfD aufhört, ‚Erasmus‘ zur Identifizierung ihrer Stiftung zu benutzen und als ‚Erasmus‘-Stipendien gekennzeichnete Stipendien bereitzustellen“.

Die rechte Stiftung hofft seit dem Wiedereinzug der AfD in den Bundestag auf staatliche Förderung in Millionenhöhe, wie sie auch politische Stiftungen anderer Parteien bekommen. Damit will die Erasmus-Stiftung Stipendien vergeben, Bildungsangebote machen und Auslandskontakte pflegen. Nun muss sie sich vielleicht zunächst einen neuen Namensgeber suchen.

Zudem macht sich ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis dafür stark, die AfD-Stiftung von der Finanzierung auszuschließen. Das Bündnis fürchtet die Finanzierung extrem antidemokratischer Strukturen, eine Normalisierung der AfD und einen Rechtsruck an den Unis und in der politischen Bildung. Die Erasmus-Stiftung ist personell eng mit der extremen Rechten und „neurechten“ Organisationen verwoben, wie zuletzt auch eine Analyse der Otto Brenner Stiftung zeigte. Über eine Vergabe von Fördermitteln entscheidet der Haushaltsausschuss im Bundestag.

Steinbach, ehemals CDU-Mitglied, legte stets großen Wert auf die Unabhängigkeit ihrer Stiftung von der AfD und betonte bis vor Kurzem immer wieder, selbst kein Parteimitglied zu sein. Dann trat sie Ende Januar doch ein. Hintergrund ihrer Entscheidung war wohl ein öffentlichkeitswirksamer Austritt Jörg Meuthens, der vergeblich versucht hatte, ein Gegengewicht zur völkischen Strömung in der Partei herzustellen – obwohl er selbst lange mit Rechtsextremen paktierte.

Mit ihrem Eintritt wollte Steinbach wohl signalisieren, dass die AfD auf dem Boden der Verfassung stehe. Dabei sind sich die meisten Be­ob­ach­te­r*in­nen sicher, dass die Partei bald auch gerichtlich bestätigt als rechtsextremer Verdachtsfall geführt wird. Die AfD hat gegen die Einstufung durch den Verfassungsschutz geklagt. Am 9. März droht der Partei vor dem Verwaltungsgericht Köln die nächste juristische Niederlage.

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