Ärztin über Hirnschäden bei Fußballern: Zu viele Kopfbälle machen blöde
Die Radiologin Inga Koerte hat Fußballergehirne untersucht. In Regionen, die für Gedächtnis und die Konzentration zuständig sind, fand sie Veränderungen.
taz: Frau Koerte, wie sind Sie mit Ihren amerikanischen Forscherkollegen zu dieser erschreckenden Annahme gekommen?
Inga Koerte: Wir haben uns die Gehirne von Profifußballern mit der Magnetresonanztomografie angeschaut. Dabei haben wir vor allem die weiße Substanz, die „Kabelverbindungen des Gehirns“, untersucht. Es gab bereits Studien, die zeigen, dass bei anderen Kontaktsportarten Gehirnerschütterungen zu Veränderungen im Gehirn führen.
Wir wollten aber der Frage nachgehen, ob auch viele kleinere Stöße, etwa bei Kopfbällen, zu ähnlichen Veränderungen der weißen Substanz führen – und sind zu einem erstaunlichen Ergebnis gekommen: Obwohl die Probanden nie zuvor Symptome einer Gehirnerschütterung hatten, stellten wir bei ihnen Veränderungen im Gehirn fest, die denen bei anderen Kontaktsportlern sehr ähnlich sind.
Was für Auswirkungen hat das im Alltag?
Die Veränderungen, die wir gefunden haben, liegen in Arealen, die wichtig sind für höhere kognitive Leistungen. Das betrifft zum Beispiel die Gedächtnisleistung und die Konzentrationsfähigkeit.
Müssen wir denn jetzt unsere Kinder aus dem Fußballverein abmelden?
Nein, auf keinen Fall. Sport hat für Kinder und Jugendliche so viele positive Aspekte. Er ist sogar sehr wichtig für die Entwicklung des Gehirns. Die Wissenschaft zum Thema sportassoziierte Gehirnverletzungen steckt noch in den Kinderschuhen. Wir sind noch nicht so weit, sagen zu können, dass das Kopfballspielen wirklich die Ursache dieser Veränderungen ist. Es ist daher keine gute Reaktion, die Kinder aus dem Verein abzumelden.
ist Wissenschaftlerin am Institut für Klinische Radiologie der Universität München. Bei ihrer Studie über die Folgen von Kopfbällen für das Gehirn kooperierte sie mit Forschern der Harvard Medical School.
Sie haben die Fußballer mit einer Gruppe von Schwimmern verglichen. Kann es nicht sein, dass Fußballer in Zweikämpfen einfach öfter mit einem Gegenspieler zusammenrasseln und dabei einen abbekommen?
Das ist ein wichtiger Punkt. Es gibt eine Studie der Fifa, die gezeigt hat, dass 20 Prozent aller Verletzungen im Fußball den Kopf betreffen. Es gibt also noch sehr viele andere Möglichkeiten, sich den Kopf zu verletzen. Und noch mal: Wir sind noch weit davon entfernt, tatsächlich einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Anzahl von Kopfbällen und Veränderungen im Gehirn herstellen zu können. Trotzdem ist es ein wichtiges Ergebnis, auf das jetzt unbedingt weitere Studien folgen müssen.
Halten wir fest: Kopfbälle sind nicht unbedingt gesund. Wie finden Sie die Idee, Kopfbälle ganz aus dem Spiel zu verbannen?
Zum jetzigen Zeitpunkt ist die wissenschaftliche Datenlage zu gering, um eine solche Diskussion darauf basierend führen zu können. Es gibt bei jugendlichen Baseballspielern zum Beispiel ein Pitch-Limit. Sie dürfen nur eine bestimmte Anzahl von Schlägen ausführen, weil sie sich sonst ihre Schulter und ihre Ellbogen verletzen. Das wäre vielleicht etwas, was man sich in Zukunft auch für den Fußball überlegen könnte: Die Anzahl von Kopfbällen für Kinder zu limitieren und sie damit zu schützen.
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