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Ärztekammerchef über Kommerz„Wir müssen lauter reden“

Der neue Ärztekammer-Präsident Pedram Emami spricht über die Kommerzialisierung des Gesundheitswesens und das Aufbegehren von Ärzt*innen.

Findet, dass Geld über medizinischem Sachverstand steht: Pedram Emami Foto: Miguel Ferraz
Marthe Ruddat
Interview von Marthe Ruddat

taz: Herr Emami, Sie sind Neurochirurg und Vorsitzender des Marburger Bundes Hamburg. Jetzt sind sie auch noch Präsident der Hamburger Ärztekammer. Waren Sie bisher nicht ausgelastet?

Pedram Emami: Eigentlich wollte ich ja nur Arzt sein. Ich fand aber schnell, dass innerhalb unseres ärztlichen Systems vieles nicht richtig funktioniert. Deshalb habe ich mich engagiert und bin so zur Berufspolitik gekommen. Und wenn einer zu laut „hier“ ruft, dann wird er auch öfter verpflichtet. Insofern war es nur die logische Konsequenz, dass ich das dann auch durchziehe.

Ihr Vorgänger Frank Ulrich Montgomery war 20 Jahre im Amt. Wie groß sind die Fußstapfen, in die Sie treten?

Ich versuche das auszublenden, weil es wirklich große Fußstapfen sind. Mit allem anderen würde ich mir einen emotionalen Klotz ans Bein binden, was für die Arbeit nicht nötig ist. Mit der Wahl zum Ärztekammerpräsidenten habe ich einen großen Kredit bekommen und sehe einfach zu, dass ich damit etwas anfange.

Was werden denn Ihre ersten Aufgaben sein?

Im Interview: Pedram Emami

48, hat in Göttingen zunächst eine Ausbildung zum medizinisch-technischen Assistenten der Radiologie gemacht und dann dort Medizin studiert. Anfang der 2000er wechselte er nach Hamburg, wo er heute als Neurochirurg am Universitätsklinikum Eppendorf arbeitet. Emami ist erster Vorsitzender des Marburger Bundes Hamburg und wurde gerade zum Präsidenten der Hamburger Ärztekammer gewählt.

Damit wir nach außen hin glaubwürdig funktionieren können, müssen wir innenpolitisch das eine oder andere bewegen. Für mich steht im kommenden Jahr die Frage an, wie wir mit der ärztlichen Weiterbildung umgehen und die neuen Regelungen in Hamburg etablieren. Die andere Frage ist, wie wir Ärztinnen und Ärzte der Zukunft im Angesicht neuer Möglichkeiten praktizieren.

Und worum geht es in Sachen Außenpolitik?

Das ist die Stelle, wo überall der Schuh drückt, über die alle reden: die Frage, in welche Richtung sich das Gesundheitswesen vor dem Hintergrund des Kostendrucks gerade entwickelt und wie viel Kommerz in die Medizin einziehen darf.

In Hamburg gehört ein Großteil der Krankenhäuser Asklepios. Der Konzern kauft mittlerweile auch Arztpraxen auf. Wie viel Kommerz darf denn einziehen?

Wir haben die besondere Situation, dass wir als Stadtstaat viele Dinge auf einem Fleck haben. In einem Flächenland ist das für die Menschen nicht so sichtbar, wie wenn ein Unternehmen in einer Stadt plötzlich mehrere Einrichtungen betreibt. Um so wichtiger ist es, dass wir in dieser Situation das Problem der Marktentwicklung im Medizinbetrieb auch beobachten.

Wir müssen uns also mit der Kommerzialisierung abfinden?

Wir können nicht die Zeit zurückdrehen und wieder alles so machen wie in den Achtzigern. Die Frage ist, wie wir mit dem Status quo umgehen und dabei garantieren, dass die Menschen bestmöglich versorgt sind. Das setzt aber voraus, dass wir geplante Entwicklungen ehrlich und öffentlich diskutieren. Und das ist in erster Linie eine Frage des politischen Willens.

Wie meinen Sie das?

Die Frage ist doch, ob der Politik überhaupt bewusst ist, dass sie in ein eigentlich planwirtschaftliches System plötzlich Konkurrenzelemente wie im freien Markt eingeführt hat, was die perverse Entwicklung ausgelöst hat, dass monetärer Druck über dem medizinischen Sachverstand steht. Wenn die Politik bereit ist zu erkennen, was das für eine Fehlentscheidung war, dann wird auch der Wille da sein, etwas zu ändern.

Was ist Ihre Rolle dabei?

Ich möchte mich und die Kammer als Initiatoren einer solchen Diskussion sehen. Und wenn die Menschen entschieden haben, wie es in Zukunft laufen soll, dann ist es wichtig, dass wir uns mit konkreten Vorschlägen bei der Gestaltung einbringen.

Sehen Sie auch die Ärzteschaft in der Verantwortung, sich mehr zu engagieren?

Absolut. Wir müssen lauter reden und sagen, dass es so nicht geht. Gerade haben viele Ärzt*innen einen ersten wichtigen Schritt gemacht, indem sie an die Institution der Selbstverwaltung herangetreten sind und kommuniziert haben, was falsch läuft.

Sie meinen den Brandbrief der Ärzt*innen der Asklepios-Klinik St. Georg, in dem sie die prekäre Personalsituation angeprangert haben. Haben Sie Hoffnung, dass sich die Situation der Ärzt*innen langfristig verbessert?

Ich sage es mal vorsichtig: Zumindest sind die ersten Signale zur Gesprächsbereitschaft seitens Asklepios da. Das ist ja schon mal viel mehr, als in den letzten Jahren passiert ist. Jetzt müssen wir gucken, was wir daraus machen. Ich glaube, es muss in das Bewusstsein der Führungsetagen durchdringen, dass es am Ende auch für die Kliniken nicht gut ist, wenn sie drittklassige Leistungen erbringen. Am Ende geht das zu Lasten der Patientinnen und Patienten und wenn die das merken, dann werden sie dort nicht mehr hin wollen.

Aber in Hamburg haben die Patient*innen kaum die Möglichkeit, auf Krankenhäuser auszuweichen, die nicht in Asklepios-Hand sind.

Das ist richtig. Genau deswegen müssen wir an den Stellen, an denen es nicht richtig läuft, durch permanentes Nachbohren versuchen, etwas zu erreichen.

Pflegekräfte machen ihren Protest durch Volksinitiativen oder Demonstrationen sichtbar. Tut sich die Ärzteschaft schwerer, auf Missstände aufmerksam zu machen?

Ganz neu sind solche Proteste wie jetzt in St. Georg nicht. Als Mitte der 2000er die arztspezifischen Tarifverträge eingeführt wurden, haben wir recht laut demonstriert. Aber es stimmt: Seitdem ist es ruhig geworden. Ich glaube, das liegt auch ein bisschen am Selbstverständnis von uns Ärzten, das auch durch die Arbeit genährt wird. Viele denken, dass es einen Widerspruch gibt zwischen dem Vertreten der eigenen Interessen und dem Wohl der Patienten. Aber diese klare Trennlinie gibt es ja nicht. Wenn es mir nicht gut geht, dann kann ich den Patienten auch nicht richtig helfen.

Pflegekräfte befinden sich doch in der gleichen Situation.

Ich glaube, viele Ärztinnen und Ärzte haben auch Angst, sich zu Wort zu melden, wenn sie sich in einem Angestelltenverhältnis befinden. Da geht es um Vertragsverlängerungen und auch die Genehmigung von Weiterbildungen.

Und die Angst vor Klagen?

Auch das. Deshalb ist es wichtig, dass alle wissen, dass sie sich bei Problemen im Arbeitsverhältnis an die Ärztekammer wenden können und wir uns für sie stark machen beziehungsweise gern behilflich sind bei der Suche nach den richtigen Ansprechpartnern.

Wie wollen Sie die verschiedenen Interessen innerhalb der Ärzteschaft und der Klinikbetreiber unter einen Hut kriegen?

Das funktioniert ja nur zusammen. Politik, egal ob Standespolitik oder andere Politik, bringt es naturgemäß mit sich, dass debattiert und diskutiert wird. Als Kammerpräsident habe ich natürlich eine exponierte Position. Was ich als meine persönliche Meinung kundtue, kann als die Meinung der Delegierten missverstanden werden. Das werde ich versuchen zu vermeiden, es wird mich aber nicht daran hindern, meine Meinung zu sagen. Bei all dem Diskurs dürfen wir aber nicht vergessen, wo das Ganze hinführt: Egal was wir machen, am Ende spürt die Patientin oder der Patient die Auswirkungen. Wir hätten gar keine Daseinsberechtigung, wenn es keine Patienten gäbe.

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