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Änderung des ArbeitszeitgesetzesWas ist das für eine Solidarität?

Längere Arbeitszeiten, kürzere Ruhezeiten für Menschen in systemrelevanten Berufen – so ein Entwurf des Arbeitsministeriums für die Corona-Zeit.

Systemrelevant: Die Mitarbeiterin eines Supermarktes Foto: Robert Michael/dpa

Außerordentliche Zeiten ermöglichen außerordentliche Maßnahmen. So berichtet das Handelsblatt darüber, dass laut einem Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums die Arbeitszeit in bestimmten systemrelevanten Berufen auf zwölf Stunden ausgedehnt werden soll. Es gehe um längere Arbeitszeiten, kürzere Ruhezeiten und Arbeit an Sonn- und Feiertagen unter anderem für Beschäftige im Bereich der Produktion, Verpackung und Einräumen von Waren des täglichen Bedarfs, Arzneimitteln und Medizinproduktion. Auch von der Aufrechterhaltung des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung ist die Rede. Gegenüber der taz wollte das Arbeitsministerium den Entwurf weder bestätigen noch dementieren.

Das wäre tatsächlich eine besonders außerordentliche Maßnahme: „Acht Stunden arbeiten, acht Stunden schlafen und acht Stunden Freizeit und Erholung“, forderte der walisische Sozialreformer Robert Owen zu Beginn des 19. Jahrhunderts, mitten in der industriellen Revolution, die nicht nur produktiven Fortschritt, sondern auch ungemeine soziale Verwerfungen und Elend mit sich brachte.

In Deutschland wurde der Achtstundentag 1918 eingeführt, im Nationalsozialismus wurde er faktisch verworfen, heute steht er im Arbeitszeitgesetz. Und er steht nicht erst seit Corona unter Beschuss. Ar­beit­geber*innen rufen nach Flexibiliserung der Arbeitszeit und auch die Digitalisierung weicht die Grenze zwischen Arbeitszeit und Freizeit zunehmend auf. Dass die Bestimmung, die ein Mindestmaß an Leben jenseits von Lohnarbeit garantiert, bedroht ist, zeigt auch der Blick in andere Länder: In Österreich wurde die Möglichkeit eines Zwölfstundentagen bereits 2018 eingeführt.

Diese Maßnahme muss deshalb vernünftig erwogen und gesellschaftlich debattiert werden – auch wenn man schon vorher feststellen kann, dass sie nicht im Sinne von Arbeitnehmer*innen ist. Dabei sollte auch die Zeit nach Corona bedacht werden: Was bedeutet es für die Zeit nach der Krise, wenn in der Krise der Zwölfstundentag eingeführt wird? Und: Wie kann von Solidarität die Rede sein, wenn einerseits Unternehmen mit Steuergeldern gestützt werden, andererseits Supermarktmitarbeiter*innen, die ohnehin schon am Limit arbeiten, noch weiter ausgequetscht werden sollen?

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8 Kommentare

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  • Wie bitte?! Es gibt genug Leute, die derzeit ihre Jobs verlieren und in der Wirtschaftskrise so schnell nichts Neues werden finden können. Die können die systemrelevanten Firmen gerne einstellen. Übrigens gibt es auch immer noch Langzeitarbeitslose.

    Und die Pflegekräfte werden es sich nach der Krise gut überlegen, ob sie ihren Job weiter machen wollen, wenn wir sie jetzt noch ausquetschen:



    www.bento.de/polit...-af7d-0dec1cd15fd7

    War da nicht noch die Forderung, Krankenhäuser stärker auszubauen, damit bei weiteren Pandemien Lockdowns weniger scharf ausfallen können? Wie soll das bitte möglich sein, wenn wir die Arbeitsbedingungen von deren Mitarbeiter*innen weiter verschlechtern?

  • Die DEHOGA versucht schon seit langen die 12 stunden Grenze sowohl im Manteltarif wie im ArbZG zu verankern...

  • gehört der Bereich nicht zum "Einzugsbereich" der Sozialdemokraten?



    Wäre mal wieder typisch.

    War Huberttus Heil nicht mal deren Generalsekretär?

  • Vielleicht existieren diese Informationen noch nicht, aber ich würde sehr gerne wissen, ob es tatsächlich um eine Änderung des Arbeitszeitgesetztes geht oder um eine Rechtsverodnung.

    Ersteres wäre tatsächlich schlimm da wahrscheinlich unnötig:

    § 14 ArbZG (Außergewöhnliche Fälle)



    Abs. 4: "Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Gesundheit ohne Zustimmung des Bundesrates in außergewöhnlichen Notfällen mit bundesweiten Auswirkungen, INSBESONDERE IN EPIDEMISCHEN LAGEN VON NATIONALER TRAGWEITE [meine Hervorhebung] nach § 5 Absatz 1 des Infektionsschutzgesetzes, für Tätigkeiten der Arbeitnehmer für einen befristeten Zeitraum Ausnahmen zulassen, die über die in diesem Gesetz und in den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen sowie in Tarifverträgen vorgesehenen Ausnahmen hinausgehen. Diese Tätigkeiten müssen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, des Gesundheitswesens und der pflegerischen Versorgung, der Daseinsvorsorge oder zur Versorgung der Bevölkerung mit existenziellen Gütern notwendig sein. In der Rechtsverordnung sind die notwendigen Bedingungen zum Schutz der in Satz 1 genannten Arbeitnehmer zu bestimmen."

    So wie ich das verstehe, bräuchte es keine Änderung des Gesetzes und genau deshalb würde ich mir jetzt Sorgen machen.

    @ Volkan Agar: Würde eine Erwähnung dieses Sachverhaltes Ihren Artikel nicht stärker Aufwerten als ein Absatz zur Geschichte des Achtstundentages? Bedienen Sie sich ruhig.

    • @pitpit pat:

      Ah, meine Schuld. Ich hatte den Handelsblattartikel noch nicht gelesen. Dort steht, dass es eine Verordnung ist.

      Vielleicht sollte ich besser das Handelsblatt lesen.

  • Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass die 48-Stunden- bzw. 6-Tage-Woche eingeführt wird. Das erspart den Menschen, die früher ihren Samstag im Fußballstadion verbracht haben, die große Langeweile.

    • 0G
      09922 (Profil gelöscht)
      @C.O.Zwei:

      Ääääh, Sie leben noch nicht lange in Deutschland, oder? Die 48-Stunden-/6-Tage-Woche ist Gesetz. Da in Deutschland weniger Arbeitszeit die Norm ist, scheint diesen Sachverhalt kaum jemand zu kennen.



      Wer es nachlesen möchte:



      § 3 Satz 1 ArbZG

  • Ist halt Corona. Ein guter Vorwand um jede kleine oder größere Schweinerei endlich mal zackig umzusetzen. Das Volk?! Die bekommen Spielverbot... Das Echo wird kommen, da bin ich mir sicher. Fragt sich nur wer dieses Echo für sich und seine Interressen nutzen wird.