Änderung bei der Deutschen Bahn: Internationale Zugtickets bald einfacher buchbar
Für Bahnfahrten über Staatsgrenzen hinweg braucht man bislang oft noch mehrere Tickets. Das soll sich für Reisen in die Nachbarländer bald ändern.

„Der internationale Fernverkehr boomt“, sagt DB Fernverkehrsvorstand Michael Peterson der Deutschen Presse-Agentur. 2024 sei für den bundeseigenen Konzern das stärkste Jahr in diesem Bereich gewesen, mit einem Wachstum von 22 Prozent im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019.
Immer wieder nimmt die Bahn neue Verbindungen in ihr Portfolio auf, zuletzt etwa eine ICE-Direktverbindung zwischen Berlin und Paris. Dennoch gibt es beim Bahnfahren in Europa etliche Probleme. „Es gibt kein integriertes europäisches Bahnnetz“, stellt der Grünen-Politiker Matthias Gastel fest. Der Bundestagsabgeordnete beschäftigt sich seit Jahren mit der Bahn und sitzt im Aufsichtsrat der Bahn-Infrastrukturtochter InfraGo.
Die Probleme fingen schon beim Fahrkartenkauf an. Für länderübergreifende Fahrten sind bislang oft mehrere Fahrscheine nötig, die einzeln gekauft werden müssen. Das ist nicht nur umständlich. Auch die Fahrgastrechte gelten – etwa im Fall eines verpassten Anschlusszugs – nicht. Tickets von Wettbewerbern wie Flix sind ohnehin nicht über die Bahn zu kaufen – Gastel zufolge, weil die DB eine „horrend hohe Provision erwartet, die nur dazu da ist, abzuschrecken“.
Bald von Oslo nach Athen mit einem Ticket
Hinzu kommen technische Probleme beim Betrieb grenzüberschreitender Strecken. „Die Probleme fangen oft an, wenn eine Zugstrecke an eine Landesgrenze stößt“, sagt Sebastian Wilken, der über das internationale Zugfahren auf seinem Blog Zugpost schreibt. Dabei gehe es etwa um die Stromversorgung, um Leit- und Sicherungstechnik oder die Spurbreite der Schienen, aber auch um die Sprachkenntnisse der Lokführer.
Zumindest beim Ticketkauf soll es bald einfacher werden. Europäische Bahnen haben sich vor Jahren auf die Einführung des Schnittstellenstandards OSDM (Open Sales and Distribution Model) verständigt. Bahn-Manager Peterson spricht von der „Sprache, in der die europäischen Bahnen und Vertriebsdienstleister dann ihre Daten miteinander austauschen“. Die DB habe somit Zugriff auf das komplette Ticket-Portfolio der entsprechenden Bahnen und umgekehrt.
Zunächst gelte das ab Herbst 2025 für die Österreichischen und die Schweizer Bundesbahnen ÖBB und SBB. Monat für Monat sollten dann neue Partner hinzukommen. „Wir gehen davon aus, dass bis Ende nächsten Jahres Europa nahezu flächendeckend entsprechend angebunden ist“, sagte Peterson. „Damit kommen wir einem großen Ziel näher.“ Die Ticketbuchung quer durch Europa – sei es von Oslo nach Athen oder Warschau nach Barcelona – werde in einem Buchungsschritt über die gewohnten Vertriebskanäle möglich.
Bahnen und Vertriebsdienstleistern steht es frei, den OSDM-Standard umzusetzen. Auf etwaige Vergütungen, die sich die Bahnen untereinander für den Verkauf von Tickets zahlen, hat dieser keinen Einfluss. Bahn-Konkurrent Flix ist nach eigenen Angaben nicht an der Entwicklung beteiligt gewesen. Auf Anfrage teilt das Unternehmen mit: „OSDM bietet zwar einige positive Eigenschaften, birgt aber auch Herausforderungen – insbesondere für neue Marktteilnehmer.“ Dabei nennt Flix etwa die Kosten und die komplexe Umsetzung.
DB-Kunden haben nach Angaben des Konzerns dagegen mehrere Vorteile. „Ich kann eine internationale Fahrt dann genauso einfach buchen wie eine nationale Fahrt“, sagt Peterson. Der Hinweis „Preis ermitteln“ ist bei internationalen Verbindungen dann weitgehend Geschichte. Stattdessen erhalten Kunden direkt eine Preisauskunft. Zudem können „Bahnen auch auf günstige Preise anderer Bahnen zugreifen und diese kombinieren“. Während der Reise werden die Fahrgäste übers Handy mit Informationen versorgt. Und: Auch Tickets für den Regionalverkehr im Ausland können dann einfacher gekauft werden.
„Leuchttürme in einem riesigen Nebelmeer“
Es tut sich also etwas im internationalen Bahnverkehr. Zugpost-Blogger Wilken bewertet auch neue Verbindungen wie Berlin-Paris positiv. Von solchen Verbindungen gebe es jedoch viel zu wenige, er spricht von „Leuchttürmen in einem riesigen Nebelmeer“. Und auch Gastel sagt, dass sich im internationalen Fernverkehr einiges tue – „aber sehr langsam und es ist unglaublich aufwendig, umständlich, teuer. Da sind einfach wahnsinnig viele Steine, die auf den Schienen liegen.“
Dass es Handlungsbedarf gibt, ist auch in Brüssel längst bekannt. Neue Verbindungen wie die geplante zwischen München und Rom werden von der EU-Kommission unterstützt. In den Leitlinien von Behördenchefin Ursula von der Leyen heißt es jedoch auch, grenzüberschreitende Bahnreisen seien für viele Bürger nach wie vor zu kompliziert. „Die Menschen sollten offene Buchungssysteme nutzen können, um transeuropäische Reisen bei mehreren Dienstleistern erwerben zu können, ohne ihren Anspruch auf Erstattung oder Ersatzreisen zu verlieren.“
Die EU-Kommission werde einen Gesetzesvorschlag „über einheitliche digitale Buchungs- und Ticketdienste“ vorlegen. Dieser solle sicherstellen, dass „Europäerinnen und Europäer ein einziges Ticket auf einer einzigen Plattform kaufen und ihre Fahrgastrechte für die gesamte Reise wahrnehmen können“.
„Grundsätzlich habe ich überhaupt gar keine Befürchtungen, was die EU-Kommission regulieren will, weil wir von den Zielen her exakt das Gleiche wollen“, sagt Peterson. Allerdings wolle die Behörde einen anderen Standard als OSDM vorschreiben. „Meine Befürchtungen sind allein, dass wir Jahre in OSDM investiert haben, dass wir es in der IT umgesetzt haben – das kostet Geld, das kostet Zeit – und dass die EU eine entsprechende Regulierung nicht vor 2026 auf den Weg bringen würde.“
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