Ägyptischer Aktivist im Hungerstreik: Warten auf das Echo der Welt
Um die Menschenrechtssituation in Ägypten steht schlecht. Der lange inhaftierte Aktisvist Alaa Abdel Fatah macht jetzt drastisch darauf aufmerksam.

D as Regime in Ägypten wollte mit der Weltklimakonferenz COP27 in Scharm al-Scheich in aller Welt glänzen. Mit über 100 angereisten Staats- und Regierungschefs war die Rechnung auch zunächst aufgegangen.
Sicher, die Welt hatte schon irgendwie gehört, dass es mit der Menschenrechtssituation in Ägypten nicht zum Besten steht, doch mit Beginn der Konferenz hat sie einen Namen und ein Gesicht bekommen. Denn der seit neun Jahren fast ununterbrochen im Gefängnis sitzende ägyptisch-britische Demokratie-Aktivist Alaa Abdel Fatah entschied sich zu einem ultimativen Schritt: Nach 200 Tagen, in denen er aus Protest nicht mehr als 100 Kalorien am Tag zu sich genommen hatte, beschloss er am Tag der Eröffnung der COP27 am vergangenen Sonntag, überhaupt nichts mehr zu sich zu nehmen, auch keine Flüssigkeit. Sein gegenwärtiges Schicksal im Gefängnis ist unbekannt: Niemand weiß, ob er noch lebt oder ob er, an ein Bett gefesselt, zwangsernährt wird.
Seine Schwester Sanaa und andere Aktivisten nutzen die Weltklimakonferenz, um mit Alaa als Symbol auf die Menschenrechtslage im Land aufmerksam zu machen. Klimaexperten, -Aktivisten und -Journalisten unterbrachen ihre Arbeit und hörten der verzweifelten Sanaa zu. „Ich habe Angst um Alaa, ich habe auch Angst um mich selbst. Ich kann hier meinen Bruder verlieren.“ Das waren Sätze, denen sich niemand entziehen konnte.
Vor Beginn der Konferenz hatten Menschenrechtsgruppen lange über einen Aufruf zum Boykott der Konferenz debattiert. Gewonnen hatten schließlich jene, die stattdessen dafür plädierten, die COP27 als Bühne zu nutzen. Viele von ihnen hatten dennoch Angst nach Scharm al-Scheich zu kommen. Dann kam Alaa mit seinem Mut der Verzweiflung und weigerte sich zu trinken. Ab da wussten alle: jetzt oder nie. Sie rufen mutiger denn je – und warten, welches internationale Echo zurückkommt und ob es reichen wird, damit Alaa seine Gefängniszelle lebend verlässt.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Forscher über Einwanderungspolitik
„Migration gilt als Verliererthema“
Leak zu Zwei-Klassen-Struktur beim BSW
Sahras Knechte
Abschied von der Realität
Im politischen Schnellkochtopf
US-Außenpolitik
Transatlantische Scheidung
Russlands Angriffskrieg in der Ukraine
„Wir sind nur kleine Leute“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA entwerfen UN-Resolution zum Krieg in der Ukraine ohne jede Kritik an Russland